Dienstag, 31. Juli 2012

Woody Allen: A Documentary

Nachdem er Woody Allen zwei Jahre lang begleitet hat, legt Robert Weide nun seine umfassende filmische Biografie des Kult-Regisseurs vor. In Woody Allen: A Documentary werden in gut zwei Stunden 50 Jahre Kinogeschichte mit Interviews, Clips, Anekdoten und bestem Allen'schen Humor aufgearbeitet – ein Muss.

Am 1. Dezember 1935 wurde Allan Stewart Konigsberg in New York geboren. Seinen Eltern, Nettie (1906–2002) und Martin (1900–2001) fiel er in frühen Jahren als lebhaftes, aktives, äusserst glückliches Kind auf. Doch im Alter von fünf Jahren, so geht die Anekdote, erfuhr das Kind von der Endlichkeit des Lebens. Erschlagen von der schieren Unfairness dieses Systems, änderte es seine Lebenseinstellung und wurde "grumpy and bitter", ganz seinem späteren komischen Alter Ego, welches in Annie Hall (1977) etwa das Leben in die Kategorien "Miserable" und "Horrible" einteilt. Filmemacher Weide lässt Freunde, Weggefährten, Arbeitskollegen und auch Woody Allen selbst zu Wort kommen und rekonstruiert den Werdegang des Meisters vom anonymen Gagschreiber zum scheuen Stand-Up-Comedian zum Theater- und Filmautoren zum international gefeierten Regisseur.

Die stringente Chronologie dieser Entwicklung fällt in Woody Allen: A Documentary zwar mehrmals einer Assoziation oder Ähnlichem zum Opfer – auch ist die 115-minütige Laufzeit wohl etwas üppig bemessen –, doch der Film zelebriert seine Hauptfigur in bester Dokumentarfilm-Manier. Martin Scorsese beschreibt Allen als ein Unikum, als jemanden, der das Kunststück vollbrachte, fast fünf Jahrzehnte lang nicht nur aktiv zu bleiben, sondern seine Beliebtheit in dieser Zeit zu behalten und immer wieder aufs Neue zu rechtfertigen. Dementsprechend inszeniert Weide die Karriere Allens, vor allem während der ersten 45 Minuten des Films, auch als Spiegel einer ganzen Epoche; er findet in seinem Thema eine Parabel für die Geschichte der amerikanischen Nachkriegsunterhaltung. Woody Allen führt den Zuschauer durch seine alte Brooklyner Nachbarschaft ("This is the house I grew up in. It doesn't look like much but... it wasn't"), wobei der ehemalige Standort des lokalen Filmtheaters natürlich nicht fehlen darf. Die Agenten Jack Rollins und Charles Joffe (gestorben 2008) sowie Kritiker wie der immer gern gesehene Leonard Maltin verweisen auf den kulturellen Mikrokosmos Greenwich Village im New York der Fünfziger- und Sechzigerjahre, von wo aus Allen den Sprung ins nationale Fernsehen schaffte; und sie interpretieren Annie Hall als eine veritable Revolution im Genre der Komödie.

Mit Leib und Seele Regisseur und Komiker: Woody Allen auf dem Set von Sleeper.
Es sind diese Exkurse, die den Film dermassen faszinierend machen. Veredelt wird die Dok durch die Fülle von Gesprächsgästen, zu denen auch Chris Rock, Martin Landau, Kameramann Gordon Willis und sogar Robert Lauder, ein katholischer Pfarrer, gehören; durch die feinen Details; durch die reichhaltigen Filmclips, die, in den richtigen Kontext gestellt, die gängige Meinung zu diesem und jenem Werk herausfordern – etwa die viel gescholtenen Experimente Interiors (1978), ein an Ingmar Bergman angelehntes Drama, und Stardust Memories (1980), eine zynische Farce nach Fellini –; und durch die Anwesenheit des Meisters selbst. Woody Allen: A Documentary zeigt, dass dieser auch mit 76 Jahren noch nichts von seinem schlagfertig-selbstkritischen Humor und seiner Intelligenz eingebüsst hat – siehe seine treffende Einschätzung, seine Komödien, speziell Manhattan (1979), den er eigentlich gar nicht mag, würden dem Prinzip der "ausländischen" Komödie folgt. Eine hervorragende Dokumentation, die dem grossen Komiker/Filmemacher/Stadtneurotiker vollauf gerecht wird.

★★★★

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