Donnerstag, 23. Februar 2012

Young Adult

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Erstmals seit Juno arbeiten Regisseur Jason Reitman und Autorin Diablo Cody wieder zusammen. Wie schon im Publikumsliebling von 2007 geht es in Young Adult, einem Coming-of-Age-Film der angenehm anderen Art, um die Crux des Erwachsenwerdens.

Mavis (Charlize Theron) ist 37 Jahre alt, frisch geschieden und wohnt mit Hündchen Dulce in einem Appartementkomplex in der amerikanischen Midwest-Metropole Minneapolis. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich als Ghostwriterin einer sich unaufhaltsam dem Ende zuneigenden, weil nicht mehr zeitgemässen, Serie von Teenager-Romanen. Durch ein E-Mail ihrer alten Flamme Buddy (Patrick Wilson) wird sie unversehens aus dem ewig gleichen Trott – schreiben, in Fast-Food-Restaurants herumhängen, nichtige Liebesaffären hinter sich bringen – gerissen: Ihr High-School-Liebhaber ist gerade Vater geworden und hat das Foto des Säuglings an alle seine Mail-Kontakte verschickt. Mavis deutet dies als ein Zeichen, dass Buddy sich nach ihr sehnt; also packt sie einen Koffer und kehrt an ihren Heimatort, die gesichtslose Kleinstadt Mercury, zurück. Überzeugt davon, dass das glückliche Leben ihres Ex-Freundes nur eine Scharade ist, versucht Mavis, ihn zurückzugewinnen. Derweil der seit einem brutalen Schläger-Übergriff gehbehinderte Matt (Patton Oswalt), der gleichzeitig mit Mavis zur Schule ging, vergeblich versucht, sie zur Vernunft zu bringen.

Jason Reitman scheint sich darauf spezialisiert zu haben, sich in seinen Filmen eher unsympathischen Protagonisten zu widmen. Tabak-Lobbyist Nick Naylor (Thank You for Smoking, 2005) und der mietbare "Entlasser" Ryan Bingham (Up in the Air, 2009) waren beides aalglatte Zyniker, welche in ihren jeweiligen Voiceovers nicht einmal versuchten, ihren Charakter schönzureden; Mavis Gary schlägt in eine ähnliche Kerbe, auch wenn ihr der hinterhältige Charme der beiden Männer fehlt, was es nicht ganz einfach macht, sich in sie hineinzufühlen. Doch Charlize Theron entdeckt in ihrer im Teenageralter hängen gebliebenen Zicke – man kann es nicht anders sagen – ungeahnte Tiefen, besonders in ihren Gesprächen mit dem ruhigen Matt, grossartig gespielt von Stand-Up-Comedian Patton Oswalt, dessen Ehrlichkeit und bescheidene Zufriedenheit Mavis' Gebäude von Lebenslügen trefflich kontrastieren.

Mittdreissigerin Mavis Gary (Charlize Theron) stattet ihrem Heimatort einen Besuch ab.
Trotz seiner schwierigen Hauptfigur funktioniert Young Adult als Charakterstudie hervorragend, nicht nur dank Therons Schauspielleistung, sondern auch dank Diablo Codys lebensechtem Drehbuch. Wie in Juno stellt sie auch hier ihr Gespür für feine Charakterzeichnung, schräge Dialoge und unangenehme Situationen unter Beweis – etwa wenn Mavis Buddy ihre Liebe eingesteht, überzeugt davon, dass diese auf Gegenseitigkeit beruht, und lauthals beginnt, Pläne für die Zukunft zu schmieden, ohne auf die Proteste ihres naiven Gegenübers einzugehen. Ein mittelmässiges Skript hätte Mavis leicht der Lächerlichkeit preisgegeben; doch durch Codys Qualitäten als Autorin wird Mavis zu einer bemitleidenswerten Figur, deren Entfremdung von ihren Altersgenossen – Erinnerungen an Daniel Cloves' Comic Ghost World (plus Verfilmung) werden wach –, hervorgerufen durch ihre Weigerung oder Unfähigkeit, sich dem Leben zu stellen, äusserst tragisch wirkt, sodass jeder Lacher auch einen kleinen Stich ins Herz verursacht.

★★★★½

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