Donnerstag, 30. August 2012

Das Missen Massaker

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Würde Michael Steiners neuestem Film nur der Bindestrich im Titel fehlen, könnte man sich als Zuschauer glücklich schätzen. Doch leider erkundet Das Missen Massaker Tiefen, die selbst dem angeschlagenen Schweizer Kino bis anhin mehrheitlich fremd waren. Ein filmischer Tauchgang.

Als die eigentliche Siegerin von einem Scheinwerfer enthauptet wird, rückt die zweitplatzierte Jasmin (Meryl Valerie) als Miss Zürich nach und darf somit am Missen-Camp auf einer Pazifik-Insel teilnehmen. Nach kurzer Zeit wird den anwesenden Schönheiten klar, dass sich unter ihnen ein Mörder befindet – den Beteuerungen des Betreuers Pino (Mike Müller) zum Trotz. Derweil verliebt sich Jasmin in den "schönen Serge" (Patrick Rapold) – ob es sich hierbei um eine Anspielung auf Claude Chabrols Film handelt, darf bezweifelt werden –, mit dem sie vor dem Mörder fliehen will.

Seit dem 15. April 2012 herrscht Gewissheit darüber, dass es dieses Jahr keine Miss-Schweiz-Wahl geben wird. Michael Steiners – verständlicher – Abneigung gegenüber dem Schönheitswettbewerb war damit aber offenbar nicht Genüge getan. In der vorliegenden Horrorkomödie – eine "Parodie" soll es sein – rechnet er auf blutige Art und Weise mit dem Mister- und Missen-Wahn ab und führt gleichzeitig das Horrorgenre und seine Klischees atmosphärisch ad absurdum. So jedenfalls ist Das Missen Massaker angelegt. In Wahrheit jedoch ist der Streifen weder das eine noch das andere: zu lächerlich, um gruselig zu sein, zu kindisch und hasserfüllt, um lustig zu sein. Wieder einmal beweist Steiner, ohnehin ein massiv überschätzter Schweizer Filmschaffender, dass seine Werke nur dann erträglich sind, wenn sie auf einer ansprechenden Vorlage basieren (Mein Name ist Eugen, Sennentuntschi). Ist dies nicht der Fall, erhält man Filme wie Grounding oder eben Das Missen Massaker.

Gefahr im Anmarsch: Die nervtötenden Protagonisten besichtigen die verhängnisvolle Insel. Rette sich, wer kann!
Tatsächlich wirkt Letzterer stellenweise wie die bewusste Steigerung der schlechtesten Aspekte des Swissair-Dokudramas. Zwar lassen sich Elemente wie Stereotypen und nervende Charaktere dem Versuch ankreiden, den gängigen Horrorfilm parodieren zu wollen. Doch so sehr der Film dies auch versucht, es gelingt ihm nicht. Die Überzeichnungen sind nicht lustig, sondern schmerzhaft; die aufdringlichen Zitate – von Halloween bis Saw wird nichts ausgelassen – wirken selbstherrlich; die Meuchelmorde sind einfallslos und abgedroschen; die Autoren Steiner und Michael Sauter (Achtung, Fertig, Charlie!) schrecken auf ihrer verzweifelten Suche nach Lachern selbst vor latentem Rassismus nicht zurück – der tollpatschige, nach Frauen lechzende Afrikaner könnte einer Minstrel Show des frühen 20. Jahrhunderts entsprungen sein.

Komplettiert wird das Desaster durch einen Cast, der kollektiv beschlossen zu haben scheint, die Arbeit zu verweigern. Mike Müllers Talent mag sich in einigen spärlichen Momenten andeuten, doch ansonsten beschränkt er seine Darbietung darauf, eine missglückte Imitation von Viktor Giacobbos Roger-Schawinski-Nummer zum Besten zu geben. Die Leistung der Missen wiederum, ein Sammelsurium an peinlichen und nervtötenden Kantonsstereotypen – Nadine Vinzens' Miss Ostschweiz/Simpsons-Fetischistin ist ein trauriger Tiefpunkt –, reicht von unrealistisch monoton bis grauenvoll chargierend. Talentfrei scheinen sie alle zu sein.

Primitive Witze, unwürdige Performances, keine rettende Eigenschaft – wenn dereinst eine Liste der schlechtesten Schweizer Filme erstellt wird, wäre es keine Überraschung, Das Missen Massaker ganz oben vorzufinden. Tiefer kann das hiesige Kino wohl kaum mehr sinken. Herr Steiner, musste das sein?

3 Kommentare: