Samstag, 15. November 2014

Before I Go to Sleep

Nichts an diesem Thriller ist innovativ, Plot und Schauspieler scheinen auf Autopilot zu laufen, Anspruch und Ambition sind derart tief angesetzt, dass es letzten Endes irrelevant ist, ob das Ganze funktioniert oder nicht. Rowan Joffés Verfilmung von S. J. Watsons Erstlingsroman Before I Go to Sleep verlangt nichts von seinem Publikum und gibt ihm dementsprechend wenig.

Ja, wer sich diesen Film in der Absicht, intellektuell stimuliert zu werden, ansehen will, wäre mit der Betrachtung trocknender Farbe ebenso gut bedient. Doch Joffés Regiedebüt hat den entscheidenden Vorteil eines gewissen Unterhaltungswerts – allen Klischees und Ungereimtheiten, die sich innerhalb seiner lobenswert straffen 90-minütigen Laufzeit tummeln, zum Trotz.

Als Aufhänger muss der längst der Parodie zum Opfer gefallene Dramatik-Generator Amnesie herhalten: Von der ist nämlich Christine Lucas (Nicole Kidman) befallen, seit sie vor knapp zehn Jahren einen schweren Unfall erlitt. Wenn die 40-Jährige morgens aufwacht, hat ihr Gehirn alle tags zuvor gespeicherten Informationen wieder gelöscht; ihre Erinnerungen reichen knapp bis zu ihrem 20. Lebensjahr. Jeden Morgen sieht sich Christine ängstlich und verwirrt in ihrem Zimmer um und muss sich von ihrem ihr unbekannten Ehemann Ben (Colin Firth) über ihre Lage aufklären lassen. Sobald er zur Arbeit gefahren ist, erhält sie einen Anruf vom Neuropsychologen Dr. Nasch (Mark Strong), der ihr dabei helfen will, ihr Gedächtnis zurück zu erlangen. Als ersten Schritt schlägt er ihr das Führen eines Videotagebuches vor, was sie vor dem misstrauischen Ben geheim halten soll.

Before I Go to Sleep verfolgt diesen Mystery-Plot – an sich eine chronologisch korrekt angeordnete Version von Christopher Nolans Memento – mit einer beinahe rührenden Ernsthaftigkeit, obwohl allein schon die Prämisse unzählige Fragen aufwirft: Warum wird eine mental schwer angeschlagene Person ohne psychologischen Beistand aus der stationären Behandlung entlassen? Weshalb lässt man sie tagtäglich alleine gewähren? Wie überzeugend ist eine selektive Amnesie, die, wie es scheint, Verkehrsregeln löscht, aber das Wissen über das Bus- und Bahnsystem im Grossraum London unangetastet lässt (Christine wird zweimal fast überfahren, findet aber problemlos nach Greenwich)? Auch die im Laufe des Films auftauchenden Erklärungsversuche wissen kaum je zu befriedigen.

Christine (Nicole Kidman) leidet an Amnesie: Schläft sie ein, löscht ihr Gehirn alles, was sie weiss. 
© Frenetic Films
Doch der Film greift niemals nach Themen oder Ansätzen, denen er nicht gewachsen ist; Seitenhiebe gegen die Pharmaindustrie (siehe Side Effects) oder eine zumindest einigermassen seriöse Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen (Spellbound) masst sich Joffé zu keinem Zeitpunkt an. Seine Aufmerksamkeit gilt der Form: Before I Go to Sleep ist rasant erzählt und mit ansprechenden Bildern ausgeschmückt. Dies hinterlässt schlussendlich aber genauso wenig Eindruck wie der Umstand, dass sich Kidman, Firth und Strong durch eine Handlung hangeln, die zielstrebig von haarsträubenden Wendungen zu falschen Fährten und wieder zurück eilt und sich zuletzt vollends dem Seifenoper-Kitsch ergibt. Before I Go to Sleep ist schlicht und ergreifend zu farblos, zu fade, zu generisch, um sich darüber aufzuregen.

★★

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