Mittwoch, 21. August 2013

The Bling Ring

In einer perfekten Welt würde The Bling Ring nicht existieren und Regisseurin Sofia Coppola ist sich dessen vollauf bewusst. Der Film beruht auf den Titel gebenden "Bling Ring"-Einbrüchen, welche zwischen 2008 und 2009 die Prominenz der Hollywood Hills in Atem hielten. Jugendliche stiegen in die Anwesen von Stars wie Orlando Bloom, Megan Fox oder Paris Hilton ein und bedienten sich bei deren reichen Sammlungen von Mode-Produkten. Privilegierte Vorstadt-Bengel bestahlen superreiche Schauspieler und Models. Zu reellem Schaden ist niemand gekommen; im Grunde ist das Ganze also eine Lappalie.

Da aber die "Opfer" nun einmal bekannte Menschen aus Film und Fernsehen waren, wurde aus der an sich belanglosen Geschichte ein nationales Drama. Unter Federführung des multimedialen Promi-Klatschmagazins TMZ, welches regelmässig mit vernichtenden Editorialen über kleidertechnische "Todsünden" auffällt, stürzten sich die US-Medien – einschliesslich CNN und New York Times – auf die Raubzüge. Insider-Reporte über die Schuldigen folgte, darunter Nancy Jo Sales' Vanity Fair-Artikel "The Suspects Wore Louboutins", auf dem Sofia Coppolas Drehbuch aufbaut.

Namen wurden verändert, Vorgänge vereinfacht, doch die Geschichte, die facettenreich vom perversen amerikanischen Prominentenkult erzählt, blieb erhalten: Irgendwann im Jahr 2008 wechselt der Aussenseiter Marc (Israel Broussard) an die Indian Hills High School in Calabasas nahe Los Angeles. Dort freundet er sich mit Rebecca (Katie Chang) an, die einem ganz speziellen Hobby frönt: Diebstahl. Als diese sich jedoch von "normalen", auf allen vier Fronten verglasten Villen nicht mehr genügend herausgefordert fühlt, beginnt sie, sich mit Marc Zugang zu den Häusern berühmter Leute zu verschaffen. Bald formiert sich um die beiden eine modebewusste Räuber-Clique, bestehend aus Nicki (Emma Watson), Chloe (Claire Julien) und Sam (Taissa Farmiga), die sich die Accessoires iher Stil-Ikonen aneignen.

In der Bearbeitung dieses doch eher unfilmischen Stoffs treten Stärken wie auch Schwächen von Coppolas Stil hervor. Wieder einmal erweist sie sich als Virtuosin der langen, statischen Einstellung – unvergessen sind ihre diesbezüglichen Anfangsbilder, von Scarlett Johanssons Gesäss in Lost in Translation bis zu den sinnlosen Rennbahn-Runden, die Stephen Dorff in Somewhere mit seinem schwarzen Ferrari dreht. Hier bleibt vor allem die unbewegte Kamera in Erinnerung, deren kalter, teilnahmsloser Blick auf das Haus von Model-Sternchen Audrina Patridge gerichtet ist und wo der Zuschauer von ferne dazu eingeladen wird, Rebeccas und Marcs Streifzug durch die verschiedenen Räume zu beobachten.

Diebische Jeunesse dorée: Marc (Israel Broussard), Chloe (Claire Julien, Mitte) und Rebecca (Katie Chang).
© Pathé Films AG
Andererseits aber stösst Coppolas kontemplativer Stil in The Bling Ring mehrmals an seine Grenzen. Die geradezu frustrierende Neutralität, mit der sie die Auswüchse von Starkult porträtiert – bis zum Punkt, an dem der unterschwellige Zynismus kaum mehr als solcher erkannt wird –, stellt zwar ein brillantes Stück Provokation dar, doch sie behindert mitunter eben auch den Erzählfluss. Mit Ausnahme einiger inszenierter Interviewfetzen, in denen die "Beteiligten" (i.e. die Schauspieler im Rahmen der Film-Fiktion) ihre Sicht der Dinge schildern, verläuft ein Grossteil der Handlung irritierend gleichförmig: Einbruch, Feier, kurze Planung, nächster Einbruch.

Ihre dennoch nicht unbeträchtliche Schlagkraft entwickelt die Satire schliesslich in der Interaktion ihrer beiden Leitmotive, der ungesunden amerikanischen Faszination mit "Glitzer und Glamour" und der selbstgefälligen, zugleich prätentiösen oberen Mittelschicht, die sich, sei es aus Minderwertigkeitskomplexen, sei es aus unschuldiger Naivität, besonders hingerissen zeigt von TMZ-Artikeln und Perez-Hilton-Blogeinträgen. Anschauliches Beispiel dafür ist hier Laurie Moore, Mutter von Nicki und Adoptivmutter von Sam, von der herausragend besetzten Leslie Mann zu oberflächlicher Perfektion gespielt, welche ihre Töchter zu "wissenschaftlich-religiösen" New-Age-Betzirkeln zusammenruft, inspirative Collagen zu Ehren von Angelina Jolie bastelt und ihr Haus in grellen Barbie-Pastellfarben dekoriert hat.

Unter diesem Einfluss überrascht es nicht, dass die nächste Generation zu verzogenen, verwöhnten, gelangweilten, in Nickis Fall skrupellosen, in Marcs Fall beeinflussbaren, Narzissten heranwachsen, die Smartphone-Kamera stets auf sich selbst gerichtet, nach ihrer Verhaftung grosse Reden über "Amerikas ungesunde Bonnie-und-Clyde-Faszination" oder den eigenen humanitären Einsatz schwingend. Coppola gelingt dieses Porträt besser als Harmony Korine im ähnlich zynischen, aber weitaus dogmatischeren Spring Breakers, nicht zuletzt dank ihrer scharfen, von den jungen Schauspielern (Broussard, Chang und Julien sind Neulinge) treffsicher vorgetragenen Dialoge, die Substanz in der Leere und der sprunghaften Unehrlichkeit ("Just kidding! OMG! Chill!") des Bling-Ring-Idioms finden. Diskurse wie "Oh my god!" – "I know, right?" – "No way" – "Wow" – "Wow" (Originalzitat ohne Auslassung) deuten schmerzlich darauf hin, wie sinnentleert ein Leben wird, wenn man es ausschliesslich an Menschen ausrichtet, deren Berühmtheitsgrad bestenfalls zweifelhaft ist. The Bling Ring ist, passend zu seinem Thema, frustrierend brillant.

★★★★

1 Kommentar:

  1. Mir gefiel vor allem, dass man merkte, das sich der film selber nicht immer allzu ernst nahm...ganz im Gegensatz zu Spring Breakers

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