Samstag, 17. August 2013

The Sapphires

Man möchte meinen, dass ein auf wahren Begebenheiten beruhender Film über eine aus australischen Ureinwohnerinnen zusammengesetzte Sechzigerjahre-Soulband, welche gegen Vorurteile und Rassismus zu kämpfen hat, seine Energie, seine Seele, aus der ermächtigenden Kraft der Musik schöpft, die er in den Mittelpunkt rückt. Sicher nicht zu erwarten ist, dass er erst durch die anregende Präsenz eines irischen Fernsehschauspielers, der in den vergangenen Jahren vor allem durch Nebenrollen in derben US-Komödien wie Bridesmaids oder This Is 40 aufgefallen ist, zu jener vergleichsweise denkwürdigen Wohlfühl-Dramödie wird, die er ist.

Doch genau das passiert in The Sapphires: Wayne Blairs beschwingte Verfilmung von Tony Briggs' gleichnamigem Theaterstück ist zuallererst ein Beleg für die schauspielerische Potenz ihres männlichen Hauptdarstellers Chris O'Dowd. Der durch Graham Linehans Sitcom The IT Crowd bekannt gewordene Komödiant bringt als heruntergekommener Musikproduzent Dave Lovelace Leben in die etwas steife Figurenwelt des von Briggs mitverfassten Skripts, sei es durch scharfzüngige Witze, anrührende kleine Momente oder schlicht die freilaufenden Kadenzen seines durch keine geschriebenen Dialogzeilen gebunden scheinenden Dialekts. O'Dowds nuanciertem Spiel allein ist es zu verdanken, dass Daves Probleme – darunter ein wunderbar subtiler Verweis auf das Scheidungsverbot, welches zu der Zeit, in der The Sapphires spielt (1968), in Irland noch in Kraft war – weniger artifiziell wirken als jene seiner vier singenden Hauptdarsteller-Kolleginnen.

Dies hängt allerdings weniger mit schauspielerischen Defiziten – Deborah Mailman, Jessica Mauboy, Miranda Tapsell und Shari Sebbens spielen und singen ohne Fehl und Tadel – als mit der doch arg formelhaften Dramaturgie zusammen. In ihrem Drehbuch erzählen Briggs, dessen Bühnenstück auf den Erlebnissen seiner Mutter basiert, und Keith Thompson von The Sapphires, eine aus den Schwestern Gail (Mailman), Julie (Mauboy), Cynthia (Tapsell) und der in einem weissen Internat aufgewachsenen Kay (Sebbens) bestehende Soulgruppe, die sich mit Hilfe von Dave Lovelace erfolgreich darum bewirbt, vor den in Vietnam stationierten US-Truppen aufzutreten.

Vor diesem Hintergrund werden Motive aus dem australischen Aborigines-Kino, etwa Phillip Noyces Rabbit-Proof Fence (ebenfalls mit Mailman), mit Anklängen an musikalische Dramen vom Typ Dreamgirls oder Dustin Hoffmans Quartet kombiniert. Mal implizit (ein Taxi hält für die Protagonistinnen nicht an), mal explizit (die "gestohlene Generation" von hellhäutigen Aborigines-Kindern, welche indigenen Familien von den Behörden entrissen wurden, ist zentral) wird auf die bis heute anhaltende Diskriminierung der Aborigines durch das weisse Australien hingedeutet – ein gewichtiges Anliegen, welches Regisseur Blair mitunter augenzwinkernd konterkariert, etwa indem er eine Brücke zwischen engstirnigen Rassen-Bildern und dem Stereotypisieren von Musikern ("lead singer", "the sexy one") schlägt.

Zusammen mit Manager Dave Lovelace (Chris O'Dowd) touren die Soul-Schwestern Kay (Shari Sebbens, links), Cynthia (Miranda Tapsell, Mitte), Gail (Deborah Mailman, 2.v.r.) und Julie (Jessica Mauboy) durch das kriegsversehrte Vietnam.
© Ascot Elite
Ansonsten dreht sich The Sapphires um Familienzusammenhalt und Streitereien unter Geschwistern, um Konflikte, die sich an Liebesdingen, den Gefahren des Kriegsgebietes Vietnam oder der unsteten Band-Hackordnung entzünden. Mit Ausnahme einer erfrischenden, wenn auch kleinformatigen Genre-Subversion – Lovelaces obligates romantisches Interesse gilt nicht der Schönheitskönigin der Band – bewegt sich der in groben Strichen gehaltene Plot in ruhigen, weitgehend überraschungslosen Bahnen, von Blair effizient und ohne penetrantes Verweilen auf Details in Szene gesetzt.

Dissonanzen entstehen im überwiegend solide strukturierten Drehbuch vor allem durch zweifelhafte dramaturgische Entscheidungen – mehrmals stellt gemeinsames Singen (stets mit makelloser Akustik) allzu schnell einen Konsens her, der kurz zuvor noch unerreichbar schien – oder die nur ungenügend redigierte Konzeption des dritten Aktes. Dieser wird mit der unglaubwürdigen Wendung eingeführt, dass Dave und The Sapphires ihren Weg zum letzten Auftrittsort alleine, ohne Militäreskorte finden müssen. Diverse Trailer liessen vermuten, dass dies zu einer Konfrontation mit Vietcong-Soldaten führen würde. Da dies in der finalen Fassung fehlt, entbehrt auch die nachdrückliche Betonung der potentiell fatalen Reisesituation jeglicher dramatischer Berechtigung.

Wer sich jedoch allzu intensiv mit den Mängeln von The Sapphires auseinandersetzt, wird sich schnell in Haarspaltereien (ist diese Reaktion vollumfänglich stimmig?) und Gemeinplätzen (hier wird dem Diktat der Konvention entsprochen) verlieren. "Leave that to the morons who judge by counting faults", lautet ein Zitat aus A Late Quartet, einem anderen Musikfilm jüngeren Datums. Geniesse, was zu geniessen ist. Und zu geniessen gibt es im herzerwärmenden The Sapphires wahrlich genug.

★★★

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