Montag, 30. Januar 2017

"Liebe Schweizer Verleiher..." – Teil 2


"Liebe Schweizer Verleiher..." macht auf Filme aufmerksam, die laut filmdistrubution.ch hierzulande noch keinen Verleiher gefunden haben und die es – meiner Meinung nach – verdienen würden, auf Schweizer Leinwänden gezeigt zu werden. An die Arbeit, Schweizer Verleiher!

Teil 1 



Certain Women
  • Regie: Kelly Reichardt (Meek's Cutoff)
  • Mit: Laura Dern, Kristen Stewart, Michelle Williams, Lily Gladstone, Jared Harris
  • Hauptpreis beim London Film Festival; Hauptkategorie-Nominationen bei den Independent Spirit Awards; Platz 4 auf der Sight & Sound-Jahresbestenliste; Platz 12 auf der Indiewire-Jahresbestenliste
Auch gewissen amerikanischen Filmemachern scheint es partout nicht zu gelingen, die Schweizer Verleiher für ihr Schaffen einzunehmen. Wie der Südkoreaner Hong Sang-soo (siehe Teil 1) ist auch Kelly Reichardt dem hiesigen Kino bis dato völlig unbekannt geblieben – trotz hoch gelobter, preisgekrönter und sogar starbesetzter Filme wie Old Joy (2006), Wendy and Lucy (2008), Meek's Cutoff (2010) und Night Moves (2013).

Die Chance, diese bedauerliche Serie zu beenden, bietet sich nun mit Certain Women, Reichardts Adaption von vier Erzählungen aus Maile Meloys Kurzgeschichtensammlung Both Ways Is the Only Way I Want It. (Musikfreunde dürften Meloys jüngeren Bruder Colin, Frontmann der Decemberists, kennen.) In den sich überschneidenden Handlungssträngen setzen sich Stars wie Laura Dern, Michelle Williams und Kristen Stewart sowie die aufstrebende indigene Schauspielerin Lily Gladstone mit dem Leben im modernen ländlichen Amerika auseinander.

Abgesehen davon, dass Regisseurinnen in der Industrie eklatant unterrepräsentiert sind und im internationalen Vertrieb dadurch per se benachteiligt werden – was nach bewussteren Verleih-Entscheidungen schreit –, ist es an der Zeit, dass die Schweiz mit dem Werk "der ruhigsten grossen US-Filmemacherin" (Guy Lodge, Variety) vertraut gemacht wird. Certain Women stünde bereit.



Hunt for the Wilderpeople
  • Regie: Taika Waititi (Flight of the Conchords, What We Do in the Shadows, Thor: Ragnarok)
  • Mit: Sam Neill, Julian Dennison, Rima Te Wiata, Rachel House, Rhys Darby
  • Der erfolgreichste ausschliesslich neuseeländisch produzierte Film aller Zeiten
Während für viele Filme in dieser Reihe Erklärungen gefunden werden können, weshalb sie es nicht auf die Liste eines Schweizer Verleihers geschafft haben, ist das bisherige Ignorieren von Hunt for the Wilderpeople schlicht nicht nachvollziehbar. Zum einen schreit praktisch alles an dieser berührenden Abenteuerkomödie um einen schwer erziehbaren Jungen (Julian Dennison – eine grosse Entdeckung), der mit seinem knorrigen Adoptivonkel (Jurassic Park-Star Sam Neill) in der neuseeländischen Wildnis zu überleben versucht, nach skurrilem Publikumsliebling.

Zum anderen ist Regisseur Taikia Waititi auch hierzulande kein unbeschriebenes Blatt. Nicht nur wird sein Blockbuster-Debüt, die Marvel-Produktion Thor: Ragnarok, im kommenden Oktober die Multiplexe füllen; sein letzter Film, die Vampir-Mockumentary What We Do in the Shadows, begeisterte im Januar 2015 während eines begrenzten Laufs ein nicht unerhebliches Publikum (mehr als 4'700 Zuschauer).

Mehr muss hier nicht gesagt werden. Mit viel Herz und Humor erzählt Hunt for the Wilderpeople von einer epischen Verfolgungsjagd durch den Busch, während der das Publikum mit einer breiten Palette wunderbarer Figuren bekannt gemacht wird – vom menschlichen Busch bis zum Priester der verunglückten Todesmetaphern. Ein neuseeländischer Hit – ich bitte Sie!



Southside with You
  • Regie: Richard Tanne
  • Mit: Parker Sawyers, Tika Sumpter, Vanessa Bell Calloway, Phillip Edward Van Lear
  • Nominiert für den Sundance-Jurypreis
Zugegeben, der Trophäenschrank dieser kleinen, kritisch gelobten Indie-Romanze ist nicht gross, doch das Thema dürfte auch in der Schweiz empfängliche Zuschauer finden. Southside with You handelt nämlich vom ersten Rendezvous von Barack Obama (Parker Sawyers) und der späteren First Lady Michelle Robinson (Tika Sumpter).

Einen US-Präsidenten in einem derart privaten, vordergründig unpolitischen Rahmen filmisch repräsentiert zu sehen, ist zwar keine Hollywood-Neuheit – man denke an John Fords Young Mr. Lincoln (1939) –, aber eben auch keine alltägliche Erscheinung. Zweifellos inspiriert von Richard Linklaters Before-Filmen, begleitet Regie-Debütant Richard Tanne das künftige Präsidentenpaar auf einem Spaziergang durch die Southside von Chicago im kulturell und politisch hochgradig bedeutsamen Jahr 1989. Ein bisschen Obama-Nostalgie würde wohl in der Ära Trump auch in der Schweiz nicht auf taube Ohren fallen.

1 Kommentar:

  1. In total and complete spiritual agreement with you, Alan! Such a shame, I was sorely excited for all three of these movies (also WHAT, MELOY'S BROTHER?? You have GOT to be kidding me??)
    Hope you changed someone's mind about screening these :)

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