Donnerstag, 18. Juni 2015

Jurassic World

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Angereichert mit neuester CGI-Technik und zahlreichen Hommagen an Steven Spielbergs 1993 erschienenes Original, setzt Jurassic World, 14 Jahre nach Teil drei, die Jurassic Park-Franchise fort. Dieser glänzt zwar nicht durch Innovation, überzeugt aber als hochgradig unterhaltsamer Blockbuster.

Während der letzten paar Monate machte im Filmjournalismus – nicht zum ersten Mal – die Diskussion um die Notwendigkeit von Sequels die Runde. Zu Beginn eines Film-Sommers, auf dessen Programm Fortsetzungen zu Achtziger- und Neunzigerjahre-Reihen wie Mad Max, Terminator, Mission: Impossible oder eben Jurassic Park stehen, kamen gewisse Kommentatoren aus dem Schimpfen über die unumgängliche Profitgier der Studios, welche angeblich jegliche künstlerische Kreativität im Keim erstickt, gar nicht mehr hinaus. (Der Tenor änderte sich nur minim, als sich Mad Max: Fury Road als einer der kühnsten Filme des Jahres erwies.) Die Bedenken mögen berechtigt sein; der Einfluss von Hollywoods Sequel-Maschinerie auf die Vielfalt im amerikanischen Filmschaffen muss längerfristig im Auge behalten werden. Doch der Weiterführung oder der Reaktivierung bekannter Stoffe prinzipiell mit lautstarkem Protest zu begegnen, wird dem Potenzial solcher Projekte nicht gerecht. Der vom Indie-Regisseur Colin Trevorrow (Safety Not Guaranteed) inszenierte Jurassic World, der vierte Teil der auf Michael Crichtons Roman Jurassic Park basierenden Universal-Reihe, liefert ein weiteres Argument gegen den grassierenden Sequel-Hass.

War Trevorrows Film "nötig"? Wie lässt sich das beantworten? Woran lässt sich Notwendigkeit messen? Liessen Jurassic Park (1993), The Lost World (1997) und Jurassic Park III (2001) Erzählstränge unaufgelöst, Figurenentwicklungen unvollständig? Das wohl eher weniger, zumal das verbindende Element der originalen Trilogie weniger ihre unregelmässig wiederkehrenden Protagonisten als die Dinosaurier waren, welche von der Firma des Milliardärs John Hammond (Richard Attenborough) geklont und auf der Pazifikinsel Isla Nublar ausgesetzt wurden, um die Menschheit mit einem Urzeit-Vergnügungspark zu beglücken. Doch Jurassic World, der sich ausschliesslich auf den ersten Teil der Franchise bezieht, greift einen Aspekt auf, der bis heute unbearbeitet geblieben ist: Wie sähe der Park aus, den sich Hammond erträumt hatte? 22 Jahre sind seit den (unter den Teppich gekehrten) Ereignissen in Jurassic Park vergangen; keiner der rund 20'000 Besucher, die tagtäglich die Attraktionen auf Isla Nublar frequentieren, ahnt, wie wenig die Investoren, allen voran Simon Masrani (Irrfan Khan), vom Amok laufenden Tyrannosaurus rex von damals gelernt haben. Unter seiner Finanzierung wurde hinter den Kulissen ein künstlicher Dino-Hybrid namens Indominus rex gezüchtet, der die langsame Abnahme der Zuschauerzahlen bremsen soll. Es kommt, wie es kommen muss: Der hochintelligente Fleischfresser entwischt. Die Katastrophe verhindern sollen der Raptor-Trainer Owen (Chris Pratt – wie schon in Guardians of the Galaxy äusserst beseelt in der Heldenrolle), die Park-Offizielle Claire (Bryce Dallas Howard) sowie deren Neffen Zach (Nick Robinson) und Gray (Ty Simpkins).

Déjà vu? In Jurassic World terrorisiert ein blutrünstiger Dinosaurier den Titel gebenden Vergnügungspark. Es liegt an Claire (Bryce Dallas Howard, links), Owen (Chris Pratt, 2.v.l.), Zach (Nick Robinson, 2.v.r.) und Gray (Ty Simpkins), die Ordnung wiederherzustellen.
© Universal Pictures Switzerland
Die satirischen Ansätze von Jurassic World sind kaum zu übersehen: Unter dem Druck, immer neue Attraktionen bereit zu halten, stellt eine milliardenschwere Firma im Labor eine unnatürliche Variation ihrer üblichen Produkte her – das Sequel kritisiert die Sequel-Logik; der finale Kampf zwischen I-Rex, T-Rex und Raptor wird zur symbolischen Machtprobe zwischen Original und Fortsetzung. Doch der Film überzeugt auch ohne diesen doppelten Boden. Von gewissen Figuren-Problemen – die Charakterisierung Claires etwa lässt einiges zu wünschen übrig, ebenso die obligate Romanze zwischen ihr und Owen – und der allzu aggressiven Produkteplatzierung abgesehen, hält Trevorrow die Balance zwischen Fan-Service und erzählerischer Stringenz tadellos. In wunderbar kurzweiligen zwei Stunden wird der Zuschauer mit üppigen Schauwerten – die Dinosaurier begeistern einmal mehr – und ungemein atmosphärischen Szenen verwöhnt, die, wie schon in Jurassic Park, näher am Horror- als am Action-Genre anzusiedeln sind. Will man die Notwendigkeit einer Fortsetzung an ihrem Gelingen messen, dann lässt sich konstatieren: Jurassic World war nötig.

★★★★

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