Freitag, 9. September 2011

Friends with Benefits

Liebeskomödien sind eine typische Hollywood-Domäne. Seit den 1930er Jahren werden sie in Tinseltown in Hülle und Fülle produziert. Formal verändert hat sich nicht viel; die Filme drehten sich vor 80 Jahren darum, wie er sie oder sie ihn von der wahren Liebe überzeugt, und so ist es auch heute der Fall.

Doch auch der optimistischste Kinogänger muss mittlerweile feststellen, dass, wenn es um Rom-Coms geht, die Phrase "Früher war (fast) alles besser" für einmal keine nostalgische Illusion, sondern die traurige Wahrheit ist. Vorbei sind die Zeiten der Screwball-Komödien mit ihren legendären "Machine Gun Dialogues", nach Wilders und Lubitschs kann man in Hollywood lange suchen. Wer auf Substanz in Liebeskomödien aus ist, der wird eher in Sundance fündig (Garden State, (500) Days of Summer). Das Zauberwort dort lautet: Sei anders! Und daran will nun auch der Mainstream anknüpfen; man denke an Crazy, Stupid, Love oder No Strings Attached. Der neueste Film in dieser Reihe ist Will Glucks Friends with Benefits, der sich in der Kunst des frivolen und selbstreferentiellen Humors versucht. Dies funktioniert sogar einigermassen – bis er von dem eingeholt wird, worüber er sich lustig macht.

"Friends with Benefits" ist ein soziales Konstrukt der Sorte "Klappt auf dem Papier, aber nicht in Wirklichkeit, da dort Menschen involviert sind": Man kennt sich, man mag sich, man hat Sex, aber man ist nicht zusammen – klingt gut, verläuft aber selten nach Plan. Dies müssen der Art Director Dylan (Justin Timberlake) und die Personalvermittlerin Jamie (Mila Kunis) auf die harte Tour herausfinden. Sie holt ihn von Los Angeles nach New York, wo er das Layout des Modemagazins GQ übernehmen soll. Die beiden finden Gefallen aneinander – als Freunde – und verbringen viel Zeit miteinander. Allerdings sind sie frisch getrennt und sexuell erheblich frustriert. Also beginnen die beiden eine zwang- und gefühlslose Sexbeziehung, von denen beide Parteien profitieren – keine Beziehung bedeutet keine vorgetäuschte Höflichkeit, also kann man dem Gegenüber ruhig sagen, wenn er/sie im Bett etwas falsch macht. Aber es dauert nicht lange, bis sich bei Dylan und Jamie die Gefühle melden.


Das schlagendste Verkaufsargument von Friends with Benefits ist zweifelsohne die Besetzung der Hauptrollen. Hätte Will Gluck dieses Projekt mit dem genau gleichen Cast vor einem Jahr gedreht, würde kein Hahn danach krähen. Nun waren aber Justin Timberlake und Mila Kunis in The Social Network respektive Black Swan zu sehen und vermochten mit ihren jeweiligen (hervorragenden) Leistungen sogar Gerüchte über eine mögliche Oscarnomination aufflammen zu lassen. Daraus wurde letztendlich zwar nichts, aber das Ansehen der beiden ist seit der letzten Award Season dennoch markant gestiegen. Dass sie nun in einer Hollywood-Liebeskomödie zu sehen sind, mag befremdlich wirken, doch das Genre tut ihrem Können keinen Abbruch. Zwischen Kunis und Timberlake stimmen Chemie und Timing – eminent wichtige Faktoren – und so geben sie denn nicht nur ein süsses, sondern sogar ein glaubwürdiges Paar ab. So hebt sich Friends with Benefits schon in der Personalabteilung von liebloseren Genre-Beispielen wie etwa What Happens in Vegas ab.

Auch der Humor kann sich sehen lassen. Geschmacklose Witze gibt es kaum zu beklagen und das Sarkasmus-Ping-Pong zwischen Dylan und Jamie ist besonders in den ersten 20 Minuten des Films eine wahre Freude. Leider aber scheinen die Autoren – Keith Merryman, David A. Newman und Regisseur Gluck selbst – nicht halb so viel Sorgfalt in die Story als Ganzes investiert zu haben. Friends with Benefits verliert nämlich nach gut einer Stunde seine unterschwellig subversive "Screw You"-Attitüde, die es konventionellen Rom-Coms entgegenbringt – Mila Kunis darf sich sogar lautstark über die inoffizielle Genre-Galionsfigur Katherine Heigl (27 Dresses, The Ugly Truth) aufregen –, und der Film wandelt sich allmählich selber zu einer allzu schmalzigen Romanze, über die auch die eigenwillige letzte Linie ("Fuck this") nicht hinwegzutäuschen vermag.


Wie schon Enchanted, die Möchtegern-Satire auf Märchen und Musicals, untergräbt Friends with Benefits seine eigenen parodistischen Ambitionen, indem diese schlussendlich ohne jede ironische Brechung trotzdem eingesetzt werden. Es bringt nichts, sich über den Popsong (Trains nerviges und hirnloses "Hey, Soul Sister") im Abspann eines – aufgrund seiner schieren Dummheit urkomischen – fiktiven Films im Film zu mokieren, wenn eben dieser Song kurz vor dem emotionalen Höhepunkt des wirklichen Films angespielt wird.

Überdies bleibt vieles an Friends with Benefits Stückwerk. Die Entwicklung der Figuren ist unausgereift, gewisse Charakterzüge blitzen einmal kurz auf und verschwinden sogleich wieder und es wird in Form von Dylans Vater völlig grundlos der Allzweck-Tränendrüsendrücker Alzheimer bemüht. Richard Jenkins glänzt zwar in dieser Rolle und liefert eine Performance, deren Würde und Vielschichtigkeit problemlos in ein Drama zum Thema passen würde, doch die Frage nach Sinn und Zweck dieses Elements wird dennoch nicht befriedigend beantwortet.

Friends with Benefits gibt sich alle Mühe, "anders" zu sein. Dies gelingt ihm teilweise sogar ganz gut; sei es mit den fröhlich fluchenden Charakteren, seiner Frivolität oder seiner Darstellung einer platonischen Freundschaft zwischen Frau und Mann im Stile der Sitcom Will & Grace, nicht zuletzt dank den wundervoll aufspielenden Justin Timberlake und Mila Kunis. Doch wenn schliesslich die Klischees Einzug halten, wird offenkundig, dass Glucks Film sich den alten, mehrheitsfähigen Mustern beugen musste und man weiterhin auf einen (500) Days of Summer aus einem Hollywood-Major-Studio warten muss.

★★★

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