Freitag, 1. Februar 2013

Gangster Squad

Wie der Western stirbt auch der Film Noir mehrere Tode. Obwohl nach allgemeiner Ansicht seine grosse Zeit schon 1958 ein Ende fand, feierte er in den darauf folgenden fünf Jahzehnten immer wieder kurzlebige Comebacks. Ob der Genre-Aufwasch Gangster Squad ein weiteres einzuleiten vermag, darf bezweifelt werden.

1949: Los Angeles befindet sich im Würgegriff des Ostküsten-Mafioso Mickey Cohen (Sean Penn). Binnen weniger Jahre haben er und seine brutalen Schergen sämtliche lokale Konkurrenz ausgeschaltet; mit Frauenhandel, Prostitution, Drogenschmuggel, Geldwäsche und Wettgeschäften hat der ehemalige Boxer genug Geld eingestrichen, um schon bald die gesamte Westküste zu kontrollieren. Polizei und Gerichte können Cohen nichts anhaben, unterhält er doch gute Beziehungen bis in die höchsten Kader der Behörden. Doch Polizeichef Parker (Nick Nolte) will dem Treiben nicht mehr länger nur zusehen: Er beauftragt den rechtschaffenen Polizisten John O'Mara (Josh Brolin) damit, einen Trupp zusammenzustellen, der Cohens Niederlassungen überfällt und zerstört. Mit dabei sind Frauenheld Jerry (Ryan Gosling), der mit der Benimmlehrerin – und Mickeys Liebhaberin – Grace (Emma Stone) anbandelt, der Revolverheld Max (Robert Patrick), dessen Assistent Navidad (Michael Peña), der Technikexperte Conway (Giovanni Ribisi) und der Milieu-Polizist Coleman (Anthony Mackie).

Als Ruben Fleischer 2009 sein Regiedebüt feierte, war man geneigt, ihn als viel versprechendes neues Talent zu verbuchen. Zombieland war eine urkomische Horrorfarce, der es hervorragend gelang, spritzendes Kunstblut und abstruse Ideen zu maximalem komödiantischem Effekt zu verbinden. Das Nachfolgewerk des heute 38-Jährigen, die Komödie 30 Minutes or Less, wurde von Kritik und Publikum schon weniger enthusiastisch aufgenommen. In Gangster Squad wird nun offenkundig, dass Fleischers Regiequalitäten nur so gut wie sein Drehbuch sind. Das Kunstblut aus Zombieland wurde beibehalten, der Scharfsinn ist auf der Strecke geblieben. Will Bealls Skript, inspiriert von wahren Begebenheiten, ist hier die Wurzel allen Übels.

Sergeant John O'Maras (Josh Brolin, 2. v. l.) "Gangster Squad": Jerry (Ryan Gosling, links), Navidad (Michael Peña, Mitte), Max (Robert Patrick, 2. v. r.) und Coleman (Anthony Mackie).
Beall versucht verzweifelt, dem Erbe von Dashiell Hammett und Raymond Chandler gerecht zu werden und in die Fussstapfen von Neo-Noir-Erfolgen wie Chinatown, Bugsy oder L.A. Confidential zu treten. Er verfehlt die Essenz des Film Noir genauso wie den weitaus simpleren Anspruch, einen passablen Krimithriller, frei von jeglichen Genre-Assoziationen, zu machen. Seinen Figuren legt er abgedroschene Plattitüden in den Mund, welche das Niveau eines Pulp-Comics nicht übersteigen. O'Maras Frau – mit viel gutem Willen als eine geistige Nachfahrin von Jocelyn Brandos Katie Bannion in Fritz Langs The Big Heat erkennbar –, gespielt von der armen Mireille Enos, wird auf seelenlose Gemeinplätze wie "The war's over, stop fighting, come back to me" oder "You're kind, you don't talk too much" reduziert. Versucht sich Beall an humorvollen Einzeilern, fragt man sich, wo genau der Witz liegen soll ("I'm a bible salesman", ist Jerrys ironischer Anmachspruch); lobpreist er am Ende salbadernd die ehrenvolle Arbeit des Streifenpolizisten, wird man lediglich daran erinnert, wie gut End of Watch doch war.

Und Ruben Fleischer, anstatt Gegensteuer zu geben, ergibt sich dem uninspirierten und unüberlegten Zitieren von Scarface bis This Gun for Hire und vernachlässigt obendrein auch eine der wichtigsten Pflichten eines Regisseurs. Im Angesicht seines Schauspieler-Leitwolfs Sean Penn scheint Fleischer die Schauspielführung verlernt zu haben. Penn grimassiert, ächzt, stöhnt und fletscht seine Zähne nach allen Regeln der Kunst, was die meisten – die tapferen Josh Brolin und Robert Patrick widerstehen dem Drang, ebenso der lust- und farblose Ryan Gosling – seiner Mitspieler dazu veranlasst, mitzuziehen. So verkommt Nick Nolte zur knorrigen Selbstkarikatur, Emma Stone zur gescheiterten Femme fatale, die sich zu sehr bemüht, verführerisch zu wirken. Gangster Squad, ein Film, der vor allem dank seiner prominenten Besetzung die Zuschauer ins Kino lockt, ist peinliches Schmierentheater, ein Kostümfest, welches lediglich von Mary Zophres' Kleider- und Gene Serdenas Set-Designs veredelt wird.

Der König von Los Angeles: Mafiaboss Mickey Cohen (Sean Penn, Mitte).
Das triftigste Argument für Fleischers dritten Film ist wohl das der Unterhaltung. Gewalt in Zeitlupe bestimmt das Geschehen, in den diversen Schiessereien bersten die Blutpackungen im Akkord, Menschen finden ihren Tod in brennenden Aufzügen und Swimming Pools mit Bohrmaschinen, Messern und Schusswaffen aller Art. Tatsächlich ist das ganze Gemetzel hochgradig ästhetisch gefilmt und inszeniert, hinterlässt aber jedoch einen schalen Nachgeschmack. Einerseits überstrapaziert Fleischer seinen morbiden Bildwitz, den er in Zombieland noch spielend (und spielerisch) einzusetzen wusste; andererseits wirkt die Gewaltorgie wie ein billiges Ablenkungsmanöver. Pistolen knallen, Gewehrläufe qualmen, Menschen gehen zu Boden, die Leichen stapeln sich, doch dahinter fehlen Intelligenz, Charme und Sinn. Film Noir muss nicht zwingend intellektuell sein; oft genügen eine solide Geschichte und eine stilsichere Präsentation. Gangster Squad fehlt beides.

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