Dienstag, 5. August 2014

22 Jump Street

Gerade im Komödiengenre ist das Ichbewusstsein eines Films eine delikate Angelegenheit. Wenn ein Leinwandwerk dem Publikum signalisiert, dass es sich darüber im Klaren befindet, dass es sich bei ihm "nur" um einen Film handelt, dann lässt es sich auf einen nicht ungefährlichen Drahtseilakt ein. Im seltenen Idealfall kann ein raffiniertes Meta-Werk wie Spike Jonzes Adaptation entstehen, in dem die Figuren sowohl den Verlauf der Handlung als auch den des Films – für Jonze sind dies zwei verschiedene Variablen – mitbestimmen. Wird der Bruch des Irrealen aber übertrieben, sieht sich der Zuschauer mit infantilen Parodien wie Date Movie, Disaster Movie oder Vampires Suck konfrontiert – Clip-Shows bekannter Blockbuster, durchsetzt mit Sex- und Fäkalhumor. Wer den Witz des Bruchs mit der Fiktion zu sehr zelebriert, so scheint es, läuft Gefahr, diesen Witz zu zerstören.

Aber Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel. Auftritt 22 Jump Street, die Fortsetzung zum 2012 erschienenen Komödienhit 21 Jump Street von Phil Lord und Christopher Miller (Cloudy with a Chance of Meatballs, The Lego Movie), welcher auf der gleichnamigen Achtzigerjahre-Polizeiserie basierte, in der unter anderen ein junger Johnny Depp als jugendlich aussehender Drogenfahnder amerikanische Schulen infiltrierte. Sein Erbe traten in der Verfilmung Jonah Hill als unbeliebter Nerd-Inspektor Morton Schmidt und Channing Tatum als Sportskanone Greg Jenko an. Mit ihnen im Zentrum liessen Lord und Miller ihrer Liebe zur Selbstreflexivität freien Lauf. Die Kritiker zeigten sich zufrieden, die Kassen klingelten, ein Sequel war unausweichlich – und damit auch neue Extreme des Sich-Referenzierens.

"When the issue first came up, nobody gave a shit about the Jump Street reboot", informiert Kommissar Hardy (Nick Offerman, bekannt als Ron Swanson in der Sitcom Parks and Recreation) Schmidt und Jenko, und meint damit vordergründig die Wiederaufnahme der geheimen Jump-Street-Operation, in deren Rahmen die Drogenszenen an Amerikas High Schools observiert wurden. "It's always worse the second time around", fährt Hardy fort und gibt seinen Wachtmeistern den Rat: "Do the same thing as last time and everyone's happy". Es ist der Beginn eines veritablen Sperrfeuers von Sequel-Anspielungen, welches sich den ganzen, mit Gags – nicht nur gelungenen – gespickten Film hindurch entlädt.

"Exactly the same as last time": Unter dem Kommando von Captain Dickson (Ice Cube, Mitte) ermitteln die Undercover-Polizisten Schmidt (Jonah Hill, links) und Jenko (Channing Tatum) wieder – diesmal an einem College.
© 2014 Sony Pictures Releasing GmbH
Die Geschichte ist schnell erzählt: Jump-Street-Boss Dickson (Rapper Ice Cube mit einer fantastischen komödiantischen Tour de force) hat gegenüber von "21 Jump Street" – die Adresse lautet, sinnigerweise, "22 Jump Street", derweil sich Nummer 23 gleich nebenan im Bau befindet – ein neues, geheimes Hauptquartier eingerichtet, von wo aus Schmidt und Jenko verdeckt nach einer neuen Droge ermitteln sollen – als College-Studenten. Während Ersterer unter dem Namen Doug McQuaid unter Kunststudenten neue Freunde findet, entdeckt Letzterer als Brad McQuaid die Freuden des feucht-fröhlichen Fraternity-Lebens. Noch ahnen beide nicht, dass hinter den Kulissen ein nostalgieseliger Drogenhändler (Peter Stormare) den grossen Coup plant.

Eine Analyse von 22 Jump Street, welche über das Aufzählen der besten Witze hinausgeht, ist an sich vergebliche Liebesmüh. Der unvollkommene, an gewissen Stellen zu sehr auf unangenehme Dialogen, verschmitzte Geschmacklosigkeiten und das Vorantreiben seiner Subplots fixierte, aber durchgehend überaus unterhaltsame Film lebt von grossen Einzelmomenten: Ice Cube, der eine Buffet-Einrichtung einschliesslich dekorativer Topfpflanze malträtiert; Channing Tatums exorbitanter Lachanfall; die im Stile der Benny Hill Show ablaufende Verfolgungsjagd, welche Schmidt und Jenko am "Benjamin Hill Center for Film Studies" vorbeiführt; der famose Abspann, in dem die ganze Franchise mitsamt Merchandising und Schauspieler-Vertragskonflikten bis 43 Jump Street durchgespielt wird; Captain Dicksons selbstreflexiver Hinweis darauf, dass dem Jump-Street-Programm "das Budget ausgegangen ist" ("We had that expensive chase at the beginning"), woraufhin – Adaptation lässt grüssen – sich die Qualität der Spezialeffekte im letzten Akt plötzlich merklich verschlechtert. Dieser Film, dessen Selbstironie seine wohl grösste Qualität ist, macht Spass.

★★★

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