Donnerstag, 30. Juli 2015

Ant-Man

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Marvels Film-Avengers Iron Man, Captain America, Thor und Hulk legen eine Pause ein, um einem der originalen Comic-Avengers aus den Sechzigerjahren sein Kinodebüt zu gewähren. Ant-Man sorgt für willkommene Abwechslung und erweist sich als bislang lustigster Eintrag ins Marvel Cinematic Universe.

Im Internet kursiert seit einiger Zeit folgende Anekdote: Als Paul Rudd, welcher den meisten wohl aus den Komödien Judd Apatows (The 40-Year-Old Virgin, Knocked Up, This Is 40) bekannt sein dürfte, seinem Sohn eröffnete, dass er von den Marvel-Studios dazu verpflichtet wurde, in Ant-Man den Titel gebenden Superhelden zu spielen, hielt sich dessen Begeisterung angeblich in sehr überschaubarem Rahmen. "Who?", soll er seinen Vater erst gefragt haben, nur um Rudds Erklärung anschliessend mit einem "I can’t wait to see how stupid that’s gonna be" ("Ich kann’s kaum erwarten, zu sehen, wie blöd das wird") zu quittieren.

Ant-Man, der Ameisenmann, ist, mehr noch als Helden wie Captain America oder DCs Superman, ein aus der Zeit gefallenes Kuriosum. Seine Fähigkeiten haben keine dramatische Hintergrundgeschichte; er bezieht sie nicht aus einer Körperanomalie, sondern aus einem speziellen Anzug; sie sind nicht spektakulär genug, um, wie Superman dies im Film Man of Steel getan hat, ganze Städte in Schutt und Asche zu legen. Ant-Man kann, dank eines von Dr. Hank Pym (hier gespielt von Michael Douglas) entwickelten Serums, auf die Grösse einer Ameise schrumpfen, wobei er aber über die gleichen Kräfte verfügt, als wäre er normal gross. Die Idee ist ein simples Relikt aus dem frühen Atomzeitalter, wo durch wissenschaftliche Manipulation veränderte Grössenverhältnisse ein beliebtes Motiv waren – seien es riesige Spinnen (Tarantula, 1955) oder Ameisen (Them!, 1954) oder schrumpfende Menschen (The Incredible Shrinking Man, 1957).

Regisseur Peyton Reed (Yes Man) – das Studio nahm ihn als Ersatz für Edgar Wright (Shaun of the Dead, Hot Fuzz, Scott Pilgrim vs. the World) unter Vertrag – und die beiden Drehbuchautoren-Duos (Edgar Wright/Joe Cornish und Adam McKay/Paul Rudd) sind diesem im Vergleich mit den neueren Abenteuern von Iron Man oder Captain America etwas kindlicheren Geist in ihrer Adaption klugerweise treu geblieben. Die Geschichte kommt, von ein paar der Exposition dienenden Szenen abgesehen, weniger schwerfällig und ambitiös daher als etwa die von Avengers: Age of Ultron: Hank Pym befürchtet, dass sein einstiger Protégé Darren Cross (Corey Stoll) seiner Schrumpf-Formel auf der Spur ist und diese an Terroristen verkaufen könnte. Also lässt er den frisch aus dem Gefängnis entlassenen Einbrecher Scott Lang (Rudd) seinen Ant-Man-Anzug stehlen, um ihn zum neuen Ant-Man werden zu lassen, sodass sie gemeinsam gegen Cross vorgehen können.

Klein, aber oho: Gemeinsam mit echten Ameisen kämpft Scott Lang alias Ant-Man (Paul Rudd) gegen einen Geschäftsmann, der die Macht des Schrumpfens missbrauchen will.
© Marvel Studios
Es ist nicht nur die Freude, der Entstehungsgeschichte eines neuen Marvel-Leinwandhelden beizuwohnen, die Ant-Man zu einer so vergnüglichen Angelegenheit macht. Komiker Paul Rudd, wie Chris Pratt in Guardians of the Galaxy, macht aus Scott Lang einen wunderbar selbstironischen, sarkastischen Protagonisten, welcher vom Prinzip Ant-Man noch weniger überzeugt scheint als mancher skeptische Kinobesucher. Seine Auseinandersetzungen mit Michael Douglas‘ stoischem Dr. Pym gehören, zusammen mit Michael Peñas Auftritten als Scotts Freund Luis, zu den lustigsten Momenten in einem fast durchgehend höchst amüsanten Film. (Weniger überzeugend agiert David Dastmalchian als Luis‘ Kumpel Kurt, dessen russischer Akzent selbst für diesen Film zu antiquiert wirkt.) Doch auch in der Action-Abteilung hebt sich Ant-Man von vielem ab, was Marvel bis dato produziert hat: Reed macht sich die Kräfte seines Helden mit originellen Szenarien und viel Sinn für visuellen Witz optimal zu Nutze; Scotts Abenteuer in Ameisengrösse evozieren Jack Arnolds Incredible Shrinking Man und Joe Johnstons Honey, I Shrunk the Kids auf die bestmögliche Art. So stiehlt der kleine Ant-Man den grossen Avengers die Show.

★★★★

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