Donnerstag, 12. September 2013

White House Down

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.


Unermüdlich führt der Deutsche Roland Emmerich seine Zerstörungswut fort. In White House Down, einem ungeniessbar chauvinistischen Machwerk, reisst der seit den Neunzigerjahren in Hollywood als Experte für krachige Action gefragte Regisseur das Weisse Haus ein – wieder einmal.

Es ist eines der am krassesten ikonischen Bilder im US-Kino der letzten zwanzig Jahre: Ausserirdische Raumschiffe schweben über Washington D.C. und zerstören Wolkenkratzer, Autotunnels und das Kapitol, bevor sie schliesslich, sozusagen als Pièce de résistance, ihre Todesstrahlen auf das Weisse Haus, die symbolträchtige Residenz des amerikanischen Präsidenten, richten und es in einem gleissenden Lichtblitz dem Erdboden gleich machen. Die Szene stammt aus Independence Day, mit dem Emmerich 1996 Zuschauerrekorde brach und sich endgültig als führender Vertreter des Cyberspace-Ära-Actionfilms etablierte; sie wurde seither unzählige Male zitiert, kopiert und parodiert und gilt nach wie vor als Musterbeispiel für Emmerichs Vorliebe für das Vernichten weltweit bekannter Sehenswürdigkeiten.

So berühmt ist die Szene, dass die Tatsache, dass Emmerich sie in White House Down erwähnt, natürlicher wirkt, als wenn er die offensichtliche Verbindung zwischen Independence Day und seinem nunmehr 16. Film gänzlich ignoriert hätte. Ein Fremdenführer (Nicolas Wright) benutzt das Zitat aus der Populärkultur, um seiner Reisegruppe die Flügel-Aufteilung des Weissen Hauses zu erklären. Unter besagten Besuchern des Präsidentenpalastes befinden sich die 11-jährige Emily (Joey King) sowie ihr Vater, der soeben abgewiesene Geheimdienst-Anwärter John Cale (Channing Tatum), auf dessen Schultern wenig später die Zukunft der amerikanischen Regierung liegt. Denn obwohl der Morgen so friedlich begonnen hat – einzig freche Eichhörnchen bereiten Leibwächtern Kopfschmerzen –, versinkt Washington schon um zehn Uhr morgens im Chaos: Paramilitärs unter dem Kommando von Emil Stenz (Jason Clarke) erobern das Weisse Haus. Zwar gelingt es Cale zufällig, Präsident Sawyer (Jamie Foxx) vor Stenz' Männern zu retten, doch die gemeinsame Flucht erweist sich als äusserst gefährlich.

Wer ist hier der amerikanische Held? Soldat John Cale (Channing Tatum, links) rettet US-Präsident Sawyer (Jamie Foxx) vor Terroristen.
© 2012 Sony Pictures Releasing GmbH
Es ist aber nicht nur das Bild des "gefallenen" Weissen Hauses, welches in White House Down Emmerichs Alien-Farce evoziert. Beide Filme wissen ihre Knalleffekte durchaus wirksam einzusetzen; allerdings sind beide auch masslos überfrachtet mit Figuren und Handlungssträngen – und damit gute 25 Minuten zu lang – und auffallend hurrapatriotisch inszeniert. Während die inbrünstig vorgetragene Liebe zu den Vereinigten Staaten von Amerika in Independence Day jedoch beinahe anrührend war in ihrer kindlichen Blauäugigkeit, grenzt sie hier an blanken Chauvinismus. In regelmässigen Abständen wird man an die intrinsische Grossartigkeit der USA erinnert; Flaggen werden bald gestreichelt, bald fallen sie in Zeitlupe und untermalt von pathetischer Musik zu Boden; Emily, die ihrem Vater offenkundig weniger wichtig ist als sein Heimatland, avanciert zur Heldin des Tages, indem sie fahnenschwingend über den Rasen des Weissen Hauses rennt.

Diese penetrante Symbolik wäre einfacher zu akzeptieren, wenn der Film selber wenigstens die gleiche Aufrichtigkeit an den Tag legen würde, die er Amerika permanent attestiert. Doch mit heiligem Ernst vermittelt James Vanderbilts aus müden Klischees, lächerlichen Szenarien und der vielleicht himmelschreiendsten Produkteplatzierung der Filmgeschichte zusammengesetztes Drehbuch eine krude Botschaft für den globalen Frieden und gegen die Waffenindustrie – wenngleich John Cale, US-Soldat und Überbringer der Pax Americana par excellence, zwei Stunden lang jedes erdenkliche Problem mit roher Gewalt gelöst hat. Zur Hand ging ihm der Präsident dabei nur bedingt, Militär, Regierung und der Geheimdienst – der, wie Vanderbilt anklagend zeigt, Wert auf akademisch begabte Angestellte legt – gar nicht. So erfüllt White House Down mit seinem zynischen Populismus, seinem unverhohlenen Chavinismus und seinen ermüdenden Explosionen schlussendlich jedes Vorurteil gegen Hollywoods Actionkino von der Stange.

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