Donnerstag, 5. Juni 2014

The Two Faces of January

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

In einem Hollywood, dem der Aktualitätsbezug seiner Filme wieder vermehrt ein Anliegen ist, debütiert der renommierte Drehbuchautor Hossein Amini mit einer nachgerade antiquitiert wirkenden Romanadaption als Regisseur. The Two Faces of January ist ein aus der Zeit gefallenes Kuriosum.

Zwei auf den ersten Blick nicht im Geringsten miteinander verbundene Werke in einen gemeinsamen Zusammenhang zu stellen, gehört zu den kleinen Freuden in der Arbeit eines Kritikers – selbst wenn der Berührungspunkt lediglich darin besteht, dass die beiden Titel in ihm ein ähnliches Gefühl der faszinierten Frustration auslösten. Obwohl sie sich, mit Ausnahme des zeitlichen Settings – den Sechzigerjahren –, nirgendwo so richtig tangieren, fühlte sich dieser Rezensent nach der Visionierung von The Two Faces of January an das eigenartige Erlebnis von Michael Winterbottoms Biopic The Look of Love (2013) über den Londoner Nachtclub-Magnaten Paul Raymond erinnert. Beide Filme scheinen in einer Art Vakuum zu existieren; ihnen fehlt der – vielleicht nötige, vielleicht einengende – Bezug zum historischen Kontext, in dem sie gemacht wurden. Niemals gab Winterbottoms Variation auf den Midas-Mythos ihre Motivation preis; und auch Hossein Aminis Verfilmung des gleichnamigen Buches von Patricia Highsmith aus dem Jahre 1964 lässt einen klaren Anlass zur Produktion vermissen, ausser einem angepassten Plot, der eine der drei Hauptfiguren von einem Betrüger in einen Quasi-Spekulanten verwandelt – was dem Schauplatz Griechenland zumindest ein wenig Resonanz verleiht.

Dass dies nicht inhärent schlecht sein muss, hat The Look of Love gezeigt. Trotz fehlender Dringlichkeit, das Leben des Paul Raymond filmisch zu bearbeiten, wusste Winterbottoms Drama immerhin als zeitgeschichtlich akkurate Charakterstudie zu gefallen. The Two Faces of January hingegen muss ohne wahre Begebenheiten auskommen, auf die er sich stützen könnte, ist jedoch in der Lage, auf die raffinierte Erzählung Highsmiths zurückzugreifen – ein Stoff wie gemacht für den gelernten Skripteur Amini (The Wings of the Dove, The Four Feathers, Drive). Darin gerät das Ehepaar Chester (ein bis zur Lächerlichkeit überspitzt agierender Viggo Mortensen) und Colette MacFarland (Kirsten Dunst) im Jahr 1962 ins Fadenkreuz der griechischen Behörden, nachdem er in einem Athener Hotel versehentlich einen auf ihn angesetzten amerikanischen Privatdetektiv totschlägt. Mit Hilfe des sprachbegabten Fremdenführers und Kleinkriminellen Ryland (Oscar Isaac) fliehen die beiden nach Kreta, wo sie sich bis zur Lieferung ihrer neuen, gefälschten Pässe verstecken müssen. Die Wartezeit vertreibt Chester sich mit ausuferndem Alkoholkonsum, während sich Ryland und Colette stetig näher kommen.

Fremdenführer Rydal (Oscar Isaac, links) verhilft dem Ehepaar MacFarland (Viggo Mortensen, Kirsten Dunst) nach einem unabsichtlichen Verbrechen zur Flucht aus Athen.
© Impuls Pictures AG
The Two Faces of January wirkt wie ein Relikt aus dem Hollywood Alfred Hitchcocks – welcher sich mit Strangers on a Train (1951) selber einmal eines Highsmith-Stoffs annahm –, aus der Zeit der prestigeträchtigen Romanverfilmungen und unterhaltsamen "Crime Capers". Dieses Erbes ist sich Amini augenscheinlich bewusst, reichert er doch sein Griechenland, ein zauberhaft pittoreskes, wenngleich arg romantisiertes Postkarten-Idyll, mit Anlehnungen an Psycho – die Ruinen von Knossos ersetzen die Villa Bates – und, mit dem Motiv der in der Fremde gestrandeten Amerikaner, The Man Who Knew Too Much an. Doch das alles wirkt weniger kunstvoll und erhaben als steif und angestaubt; The Two Faces of January ist nicht in der Lage, seinen Verzicht auf thematische Relevanz gänzlich zu rechtfertigen. Und doch lässt sich dem Film ein gewisser Unterhaltungswert nicht absprechen – Highsmith sei Dank.

★★★

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