Sonntag, 6. Februar 2011

Welcome to the Rileys

Vatersein verlernt man nicht: Klempner Doug (James Gandolfini) hilft der Stripperin Mallory (Kristen Stewart), besser mit ihrem Leben zurechtzukommen.

3.5 Sterne

Kristen Stewart ist einer der aufstrebenden Hollywood-Stars. Dank ihrer Hauptrolle in der Hit-Filmserie Twilight kennt fast jeder durchschnittliche amerikanische Teenager ihren Namen, was wiederum dazu führt, dass sie von Independent-Produzenten gerne als Publikumsmagnet eingesetzt wird. Auf diese Weise eröffnete sich Filmen wie Adventureland, The Yellow Handkerchief oder The Runaways eine ganz neue demografische Interessengruppe. Doch ob Stewart den ganzen Rummel tatsächlich verdient, ist eine ganz andere Frage. Sie hat ein gewisses schauspielerisches Talent, ohne Frage, ist aber weder vielseitig noch charismatisch genug, um jemals zu Hollywoods Grossen zu gehören. Allerdings ist sie das Quotenmädchen der Stunde, welches man gerne castet, wenn man die allgemeine Aufmerksamkeit auf einen kleinen Film lenken will. So geschehen mit Welcome to the Rileys, der zweiten Regiearbeit von Ridley Scotts Sohn Jake, einem netten, schnell vergessenen Indie-Film.

Wirklich originelle Geschichten sind im Kino rar. Nun haben aber Drehbuchautoren den Kniff entdeckt, bekannte Storys miteinander zu verweben, sodass die bekannten Szenarien in neuem Licht gezeigt werden können. So ist Welcome to the Rileys eine Kombination der Konzepte "Erlösung einer Prostituierten" und "Entfremdetes Ehepaar findet wieder zueinander". Dies mag in der Theorie funktionieren, doch in der Praxis - mit anderen Worten: in Ken Hixons Drehbuch - wollen die beiden Stränge nicht so recht zusammenpassen. Obwohl Hixon ein paar unterhaltsame Dialoge zu bieten hat, fehlt es seinem Skript an Sorgfalt und Feinfühligkeit. Viele Dinge werden angedeutet, aber nicht beleuchtet; etwa wenn Stripperin Mallory sich über ihren tyrannischen Vermieter beklagt und man den Rest des Films auf dessen Erscheinen wartet. Auch spielen sich gewisse Charakterentwicklungen in unrealistisch übersetztem Tempo ab. Die schiere Unmöglichkeit, dass eine seit acht Jahren an Agoraphobie leidende Frau innert 24 Stunden in der Lage ist, nicht nur das Haus zu verlassen, sondern auch gleich 1'300 Kilometer mit dem Auto zu fahren und auf sämtliche Medikamente zu verzichten, überschreitet schlichtweg die Grenze filmischer Logik. Dabei wären die Figuren an sich, auch wenn sie alles andere als neu sind, nicht uninteressant. Mallory hätte mit mehr Hintergrund eine zwar sonderliche, aber irgendwie sympathische Figur werden können, doch Hixon belässt es bei Sprüchen, die sich stellenweise wie ein billiger Juno-Abklatsch anhören. Die Beziehung des Vorstadt-Ehepaars Doug und Lois, deren Tochter bei einem Autounfall starb, erhält durch Lois' Agoraphobie, die aber leider schon viel zu früh überwunden wird, zusätzliche Tiefe. Zudem beweist Hixon mehrfach, dass er durchaus Szenen von emotionaler Tragweite schreiben kann. Viel zu selten sind Auseinandersetzungen wie diejenige, als Doug seine Frau damit konfrontiert, dass sie für sie beide bereits einen Grabstein hat aufstellen lassen. Es wären Szenen wie diese, die dem Zuschauer vermitteln, was die Charaktere antreibt und auf diese oder jene Art handeln lässt, und ihm so die Chance gäben, sich mit ihnen zu identifizieren. Doch Hixons vager Schreibstil verhindert eine echte Identifikation mit den Figuren. Aber sein Drehbuch weist auch positive Aspekte auf: Es vermag die Geschichte immerhin so zu erzählen, dass niemals Langeweile aufkommt und dass einem der Ausgang des Films nicht egal ist. Im Gegenteil, das Ende von Welcome to the Rileys ist in mancherlei Hinsicht äusserst befriedigend. Einerseits weist es auf eine nachvollziehbare Charakterentwicklung bei allen Beteiligten hin, und andererseits widersteht Hixon dem momentanen Indie-Trend, Filme nicht abgeschlossen enden, sondern einfach irgendwie ausklingen zu lassen. Nein, er ist konsequent und führt den Film zu einem würdigen Ende, das mit den geschickt inszenierten Familienmomenten von Mallory, Doug und Lois des dritten Akts sehr gut harmoniert. Letzten Endes hat Ken Hixon mit seinem Skript keine unbefriedigende Arbeit geleistet. Es ist ein nicht weiter bemerkenswertes Buch, das im Detail viele Fehler macht, im Grossen und Ganzen aber als passabel bezeichnet werden darf.

Wie gehen nun die Schauspieler mit dem durchwachsenen Drehbuch um? Melissa Leo hat definitv die undankbarste Rolle erwischt. Aus Lois' "Ausbruch" aus ihrer Agoraphobie werden ein paar unpassend anmutende Lacher gewonnen, die der Figur die Tragik nehmen könnten. Aber Leo ist nicht umsonst eine vorzügliche Charakterdarstellerin. Der etwas künstlich geratenen Lois haucht sie so viel Leben wie möglich ein und macht sie zu einer Frau, die sich trotz ihrer Unsicherheit niemandem unterordnet. Schon gar nicht ihrem Mann Doug, der von James Gandolfini hervorragend verkörpert wird. Doug ist der "nicht perfekte Mensch mit dem Herz aus Gold", den wir aus zu vielen Filmen kennen, der aber dank Gandolfinis bodenständigem Charme erfrischend sympathisch wirkt. Er ist auch die am besten entwickelte Figur in Welcome to the Rileys, der man den Bruch mit dem alltäglichen Trott gönnt und deren Frustration über Lois' Depression man nachvollziehen kann. Die letzte Hauptfigur im Bunde ist die 16-jährige Stripperin Mallory, gespielt von Kristen Stewart. Stewart ist sicher nicht die schlechteste Besetzung für die naive und zugleich frivole Tänzerin. Obwohl man Stewart in einer derartigen Rolle nicht kennt, hat sie keine Mühe, sie glaubwürdig zu interpretieren. Das Problem ist aber, dass man ihr die gutherzige Seite von Mallory nicht so richtig abkauft, die freche dafür umso mehr, was einem in einigen Szenen ein bisschen auf die Nerven gehen kann.

Was nicht direkt nervt, aber einem immerhin negativ auffällt, ist die Musik von Marc Streitenfeld. Es ist offensichtlich, dass der Score an erfolgreiche Independent-Produktionen wie Juno oder The Kids Are All Right angelehnt ist. Nur fehlt ihm leider die Abwechslung. Das musikalische Hauptthema von Welcome to the Rileys ist ein einzelner Takt, bestehend fünf Tönen, der sich ständig wiederholt. Er mag illustrieren, wie sich Doug und Lois in ihrer Trauer über den Tod ihrer Tochter festgefahren haben, doch das macht ihn nicht spannender.

Zugegeben, das Fazit dieser Rezension scheint zu sein, dass Welcome to the Rileys ein schlechter Film ist. Aber das ist er keineswegs. Er begeht viele Fehler und gefällt sich als gänzlich unspektakuläres Stück Film ist. Er beleidigt nicht, er langweilt nicht und er nimmt auch keine weit hergeholten Wendungen. Regisseur Jake Scott verzettelt sich, weil er zu bemüht scheint, möglichst viele Aspekte in einen 110-minütigen Film zu packen, anstatt sich voll und ganz auf seine Kerngeschichte zu konzentrieren. Hinzu kommt Ken Hixons unausgegorenes Drehbuch, das bei den Charakteren, die, vor allem wenn sie von Schauspielern wie Melissa Leo oder James Gandolfini gespielt werden, durchaus Potential hätten, nur an der Oberfläche kratzt. Welcome to the Rileys ist nichts anderes als eine kleine, möglicherweise willkommene und schnell vergessene Ablenkung während der Oscar-Saison.

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