Mittwoch, 25. Juli 2018

Pope Francis: A Man of His Word

Nur wenigen Künstlern der jüngeren Vergangenheit standen die Tore zum Vatikan so weit offen wie dem grossen deutschen Regisseur Wim Wenders während seiner Arbeit am Papst-Portrait Pope Francis: A Man of His Word. In grosses Kino konnte er diesen Zugang aber nicht ummünzen.

Angestossen wurde das Projekt 2013 – kurz nach der Wahl von Jorge Mario Bergoglio zum 266. Papst, Franziskus I. – vom Vatikan selber. Entsprechend wäre es vermessen zu erwarten, Wenders würde hier einen kritischen Blick auf die brennenden Fragen werfen, denen sich die katholische Kirchenelite auch in der Ära Franziskus überwiegend entzieht. Doch wenn The Salt of the Earth (2014), Wenders' bewegender Dokumentarfilm über den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, etwas demonstriert hat, dann, dass dieser Regisseur auch in filmischen Huldigungen zu Anregendem fähig ist.

Diese Eigenschaft lässt A Man of His Word leider vermissen. Wenders zieht sich politisch aus der Affäre, indem er Franziskus nicht in einen institutionellen, sondern einen historischen Kontext stellt: Für ihn steht der argentinische Pontifex ausserhalb der nebulösen Machenschaften hinter den vatikanischen Mauern, umhüllt von seiner jesuitischen Bettelpriester-Aura – ein Erbe des heiligen Franz von Assisi, den Wenders in Vignetten im Stummfilm-Stil auftreten lässt.

Das ist eine durchaus legitime Perspektive. An der Spitze der katholischen Kirche steht ein Mann von bewundernswerter Authentizität – von seinem Festhalten an den umstrittenen Dogmen der Institution einmal abgesehen. Franziskus verzichtet auf den päpstlichen Pomp seiner Vorgänger – von der Kleidung über das Dienstfahrzeug bis hin zum Wohnsitz – und bleibt damit den Themen treu, die ihn bereits als Pfarrer, Bischof und Kardinal Bergoglio umtrieben: der Förderung des interreligiösen Dialogs und dem Kampf gegen Armut, wirtschaftliche und soziale Ungleichheit sowie die Ausbeutung der Natur durch den Menschen.

Papst Franziskus: das lachende Gesicht der katholischen Kirche.
© Universal Pictures International Switzerland
Tatsächlich ist es erfrischend, einem amtierenden Papst dabei zuzusehen, wie er in die Kamera lächelt, sich direkt ans Publikum richtet und ebenso prinzipientreu wie humorvoll seine Philosophie darlegt. Diese Privataudienzen wechseln sich ab mit zahlreichen Archivaufnahmen aus Franziskus' ersten sechs Amtsjahren sowie den letztlich unnötigen Franz-von-Assisi-Einspielern mit Ignazio Oliva in der Hauptrolle. Im Zentrum steht Franziskus; sein Leben als Jorge Mario Bergoglio wird fast gänzlich ausgeblendet.

In seiner Gesamtheit ist A Man of His Word also primär ein Zusammenschnitt dessen, was der Pontifex seit seinem Amtsantritt erlebt hat, wohin er gereist ist, wen er besucht hat. Hier begrüsst er die Obamas, die Trumps, Erdoğan und Putin; dort moderiert er ein Treffen zwischen dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas und dem israelischen Ex-Premier Shimon Peres. Hier steht er den Opfern eines Tropensturms auf den Philippinen bei; dort trifft er Flüchtlinge auf Lampedusa. Im Gespräch mit Wenders erzählt er von der spirituellen Brüderlichkeit zwischen ihm und Ahmed el-Tayeb, einer der höchsten Instanzen des sunnitischen Islam.

Der Dialog zwischen den Menschen ist eines von Franziskus' Kernanliegen.
© Universal Pictures International Switzerland
Wenders, den die vatikanischen Produzenten frei über die Endfassung des Films verfügen liessen, zeigt vieles, geht aber auf wenig ein. Als Erzähler beschränkt er sich vorab auf schwärmerische rhetorische Fragen, als Interviewer tritt er nicht in Erscheinung, als Archivar pflügt er mehr oder weniger planlos durch die öffentlichen Auftritte von Franziskus.

Und auch die Faszination der päpstlichen Präsenz auf der Leinwand läuft sich – auch wegen des allzu zaghaften Schnitts – irgendwann tot. Franziskus' Forderungen nach mehr wirtschaftlicher Parität und einer Kultur des empathischen Zuhörens werden nicht stärker, wenn sie in vier separaten Interviewfetzen mit leicht abgeänderten Formulierungen wiederholt werden.

Wenders' Dokumentation liefert keine neuen Einblicke oder Erkenntnisse. Sie gibt sich damit zufrieden, einen wohlwollenden Blick auf eine grundsympathische Figur von Weltrang zu werfen. Wer Franziskus mag, wird mit einem Highlight-Reel belohnt. Wem der Sinn nach nuanciertem, wahrlich inspiriertem Kino steht, muss anderswo fündig werden.

★★

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