Samstag, 16. Februar 2013

A Good Day to Die Hard

Zu erkennen, wann die Zeit zum Aufhören gekommen ist, und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, ist eine Tugend. John McClane und die Die Hard-Franchise mussten sich diese Frage dank durchgehend solider Einträge bislang zwar nicht stellen, doch John Moores fünfter Teil, A Good Day to Die Hard, sollte Anlass zur Selbstanalyse geben.

Nachdem Polizist John McClane (Bruce Willis) in der Vergangenheit ganze Stadtteile von Los Angeles (Die Hard), Washington (Die Hard 2) und New York (Die Hard with a Vengeance) in Schutt und Asche gelegt hat, verschlägt es ihn nun nach Moskau, wo sein entfremdeter Sohn Jack (Jai Courtney) als CIA-Geheimagent tätig ist und derzeit den politischen Häftling Yuri Komarov (Sebastian Koch) – ein nicht sonderlich subtiles Double für Mikhail Khodorkovsky – beschützen soll. Da dieser Zugriff auf eine geheime Akte hat, die einem hohen Offiziellen in der russischen Regierung schaden kann, sind ihm nach seiner Flucht aus dem Gerichtssaal bewaffnete Truppen auf den Fersen. Gemeinsam mit John und Jack versucht er, ihnen zu entkommen.

Gute Filme werfen Fragen auf. A Good Day to Die Hard tut dies im Minutentakt, doch ob diese Fragen ganz im Sinne von Regisseur John Moore (Remakes von Flight of the Phoenix und The Omen) und Autor Skip Woods (Swordfish, Hitman, X-Men Origins: Wolverine) sind, darf bezweifelt werden: Wer sind die Antagonisten? Was sind ihre Pläne? Warum stellen sie eine globale Gefahr dar? Warum interessiert sich Jack McClane dafür? Und was ist Johns Motivation, sich überhaupt ins Flugzeug nach Russland zu setzen? Eine Serie, welche derart stark auf dem klassischen Gut-Böse-Schema beruht, darf solche Fragen nicht offen lassen. Doch Moore und Woods verzichten weitestgehend auf eine Exposition und geben sich damit zufrieden, in den ersten 20 Minuten des Films einen beträchtlichen Teil der Moskauer Innenstadt zu Schrott zu fahren, wobei John mit Begeisterung seinen Teil dazu beiträgt – selbstverständlich ohne jedes Wissen, worum es eigentlich geht.

Gespanntes Verhältnis: John McClane (Bruce Willis, links) und Sohn Jack (Jai Courtney).
Die Unwissenheit des NYPD Detective McClane steht sinnbildlich für einen Film, der jeglichen Sinn für Plot und Motivation über Bord geworfen zu haben scheint. Bereits der sechs Jahre zurück liegende Live Free or Die Hard wies unangenehme Tendenzen in Richtung einer wässrigen, unnötig kryptischen Handlung auf, hielt sich aber mit solider Cartoon-Action alter Schule mühelos über Wasser. A Good Day to Die Hard steigert diese Action in Höhen, die selbst dem engagiertesten Apologeten haarsträubender Hollywood-Physik sauer aufstossen muss. Explosionen und Schiessereien dienen nicht der Geschichte, sie sollen deren Abwesenheit kompensieren. Hundertschaften von geparkten Autos werden von gepanzerten Lastwagen ins Blech-Jenseits befördert, es regnet Körper von Soldaten, Hubschrauber prallen in Zeitlupe ins defunkte Kernkraftwerk Tschernobyl – chaotische Zerstörungswut ohne Sinn und Klasse.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Die Hard sich mit narrativen Nuancen, moralischen Grautönen und packenden Szenarien vom Gros seiner Genre-Kollegen abgrenzte. Die hinterhältigen politischen Ansätze sind durch verzweifelte Anspielungen auf wahre Begebenheiten ersetzt worden; Abstufungen und Feinheiten sucht man im Plan von Vater und Sohn McClane ("Kill Russian bad guys") vergebens. Passé sind Bösewichte wie Alan Rickmans Hans Gruber, die den Zeitgeist des politisch motivierten Terrorismus nutzten, um Aufmerksamkeit zu erregen, in Wirklichkeit aber nur das Geld im Auge hatten. A Good Day to Die Hard zitiert diese Wendung, wie auch andere Eckpfeiler der Franchise, ohne Kontext; der Mann, dem dieses Motiv zugeschrieben wird, ist eine unwürdige Karikatur, dessen Weltanschauung sich – ohne erkennbare Ironie – auf die Aussage "Do you know what I hate about Americans? Everything. Especially cowboys" beschränkt, als wäre er einem antisowjetischen Propagandafilm der Fünfzigerjahre entsprungen.

In Aktion: John und Jack beschützen den russischen Häftling Komarov (Sebastian Koch, rechts).
Eine Actionfilm-Reihe ist tief gefallen, wenn der qualitative Höhepunkt der neuesten Ausgabe darin besteht, dass sich Bruce Willis an der russischen Sprache versucht. Die Antwort des Moskauer Taxifahrers auf dieses fehlgeschlagene Experiment ist ein Klischee sondergleichen; was folgt, ist überkandidelt und fehl am Platz. Und doch ist es eine leidlich amüsante Szene, vielleicht auch, weil sie John McClane in der Rolle eines stereotypen amerikanischen Rentners zeigt. Doch anstatt diesen potenziell spannenden Pfad zu kultivieren – wie etwa Kim Ji-woon in The Last Stand – verlässt der Film ihn so schnell, wie er ihn betreten hat, und belässt weitere ironische Brechungen bei flachen Vater-Sohn-Witzen, deren Pointe zumeist aus dem Abfeuern einer Schusswaffe besteht. Dieser Verzicht auf Raffinesse sollte denen, die über das Schicksal McClanes zu entscheiden haben, als Grund genügen, den alten Haudegen nun in den Ruhestand zu schicken. Nach seinem Bad im radioaktiv verseuchten Wasser von Tschernobyl wäre dies wohl auch aus medizinischer Sicht ratsam.

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