Montag, 16. Februar 2009

Reinfall

Die Schlüsselszene des Films: Arnold Bieri (Pan Bucher) wird auf einer Brücke brutal zusammengeschlagen und anschliessend in den See geworfen.

5 Sterne

Peter Girsberger und sein Filmpartner Scherwin Amini haben den Kurzfilm Reinfall abgedreht. Letzten Freitag feierte er in Luzern Premiere - eine geschlossene Veranstaltung - im März wird der Streifen an den Schweizer Jugendfilmtagen in Zürich zu sehen sein. Erfolg ist ihm zu wünschen und schlecht stehen die Siegeschancen nicht.

Dass bei Reinfall nicht zwei Profis am Werk waren, versteht sich. Dennoch holten Peter Girsberger und Scherwin Amini viel aus ihrer sehr einfachen Grundidee heraus. Wer sich den Abspann ansieht, stellt fest, dass das Duo so gut wie alles selber gemacht hat. Ton, Schnitt, Kamera, Drehbuch, Regie - überall scheinen einem die Namen Amini und Girsberger entgegen. Zwar beinhaltet der rund 20-minütige Film einige Aspekte, die man Jungfilmern gerne vorwirft - etwa das Verlangen, möglichst viel in einen nur begrenzten Zeitrahmen zu bringen - aber dennoch wiegt das Erstaunen, dass ein dermassen ehrgeiziges Projekt von zwei Amateuren durchgeführt wurde, schwerer. Zwei Jahre dauerte die Arbeit an diesem Film insgesamt. Alle Akteure waren mit viel Engagement dabei und Peter Girsberger wagte sich sogar einmal mit der Kamera in den nicht besonders warmen Vierwaldstättersee - dass eine starke Erkältung die Folge davon war, dürfte klar sein. Auch die Berichte vom Schneideprozess beeindrucken. Schlaf- und Tageslichtverzicht war an der Tagesordnung. Auf der DVD werden hoffentlich einige mitgefilmte Szenen aus dem Schneideraum zu sehen sein. Merkt man dem Film die Arbeit an? Naja, wann merkt man einem Film jemals die Arbeit an? Dem Zuschauer wird letztlich ja nur das fertige Produkt serviert. Trivia und Hintergrundberichte gibt es meist erst auf der DVD.

Ein Hauptkritikpunkt von Reinfall geht ironischerweise Hand in Hand mit einem grossen Lob. Die Entwicklung der Hauptfigur Arnold ist strikt in drei Teile aufgeteilt, wobei vor allem der dritte Teil stark beschleunigt wirkt. Andererseits muss man vor den Machern des Films den Hut ziehen, da sie sich überhaupt die Mühe machten, eine Charakterentwicklung zu zeigen. Die Entwicklung ist das Hauptthema des Films und wird auch optisch sehr schön angegangen. Die Handkamera irritiert anfangs zwar etwas, erweist sich aber über den ganzen Film hinweg gesehen als passend. Zudem zeugt Reinfall von einem guten Auge hinter der Kamera. Die Szene, in welcher an Marcel Felders Kopf vorbeigefilmt wird, ist eines von vielen Beispielen, wo sich die ganze Kreativität der Kameraleute zeigt. Dass der Film in Schwarz-Weiss gedreht wurde, ist ein weiterer Punkt, der positiv herausgestrichen werden sollte. Lediglich das Blut der Hauptfigur ist rot, was der Brückenszene, dem Höhepunkt des Films, etwas schon beinahe Kunstvolles verleiht.

Getragen wird der Film von Pan Bucher, der Arnold Bieri routiniert und glaubwürdig spielt. Etwas anderes erwartet man von einem Jungschauspieler von Buchers Kaliber eigentlich nicht. Es lohnt sich fast mehr, auf sein musikalisches Engagement hinzuweisen, da er für den Grossteil der Musik in Reinfall verantwortlich ist. Die stets passende Musik wird zwar kein Score-Erfolg werden, passt aber jeweils sehr gut zur entsprechenden Szene. Die weiteren Schauspieler sind im Prinzip Beigemüse. Nina Halpern, die weibliche Hauptdarstellerin, macht ihre Sache solide, allerdings ohne einen aus dem Sitz zu reissen. Sehr gut besetzt wurde die Schlägertruppe. Die Hauptakteure auf der Brücke, Valentin Erni und Dani Korber, wirken vielleicht etwas überzeichnet, aber nichtsdestoweniger sehr bedrohlich. Dass sie Arnold letzten Endes zum Coolsein verhelfen, wirft sie in ein zumindest zwiespältiges Licht. Schlussendlich sollen auch Marcel Felder, dessen Figur ihm auf den Leib geschrieben wurde, Theda Marx, die sich für ihre Rolle als Lehrerin nicht einmal gross verstellen musste, und Daniel Girsberger, der als Postbote einen herrlichen Auftritt hat, Erwähnung finden, denn auch die erwachsenen Schauspieler tragen viel zum Gelingen von Reinfall bei.

Das Drehbuch von Peter Girsberger und Scherwin Amini wurde zwar bereits gestreift, soll hier aber noch einmal etwas ausführlicher beleuchtet werden. Natürlich erzählt Reinfall nicht von einem brandneuen Thema. Jugendgewalt und Mobbing stehen im Moment gerade bei Jungfilmern hoch im Kurs. Doch dieser Film unterscheidet sich von vergleichbaren Projekten in dem Punkt, dass hier die Gewalt lediglich zum Auslöser der Geschichte wird. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen und erfüllt wohl jeden Merkpunkt eines Kurzfilms. Von "Filming by numbers" kann aber dennoch keine Rede sein. Allein schon der Twist am Ende steht für die Originalität des Films.

Wenn man einem Film Erfolg bei den Schweizer Filmtagen wünscht, dann sicherlich Reinfall. Der Film ist in der Kategorie C - Bis 19 aufgenommen worden und wird gemeinsam mit seinen Gegnern im Theater der Künste aufgeführt. Das Erstlingswerk von Peter Girsberger und Scherwin Amini verdient den Platz auf dem Tableau zweifellos. Einige kleinere Mängel könnten bei zukünftigen Produktionen sicherlich behoben werden. Es wäre schade, wenn Reinfall die einzige Zusammenarbeit Amini/Girsberger bliebe.

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