Samstag, 21. Februar 2009

The Boondock Saints

Engel des Todes: Murphy (Norman Reedus, links) und Connor MacManus (Sean Patrick Flanery) räumen in Boston die Gangsterszene auf.

3.5 Sterne

Ballerfilme sind ein interessantes Subgenre des klassischen Actionfilms. Selten jedoch sind grosse Perlen dabei. Troy Duffys Brachialvehikel The Boondock Saints geniesst vor allem in den USA Kultstatus. Die Geschichte zweier Iren, die in Boston auf eine blutige Selbstjustiztour gehen weiss eine grosse Fangemeinschaft hinter sich. Man ist versucht, den Streifen als Untergrundfilm zu betiteln, da er mit einem nicht allzu grossen Budget auskommen musste und ausser Willem Dafoe keinen grossen Star im Cast aufweist. Erfüllt The Boondock Saints die Erwartungen, die man an einen Ballerfilm stellt? Wenn man davon absieht, dass der Film repetitiver nicht sein könnte, dann darf man die Frage durchaus mit Ja beantworten.

Laut der DVD ist The Boondock Saints thematisch zwischen Reservoir Dogs und Pulp Fiction anzusiedeln. Für Skeptiker des Werks von Quentin Tarantino, zu denen sich auch der Autor dieser Rezension zählt, muss es schwer fallen, den folgenden Satz zu sagen: Pulp Fiction und Reservoir Dogs sind beide besser als Troy Duffys Film, der wie eine Low-Budget-Version eines Tarantino-Streifens wirkt. Dennoch vermag The Boondock Saints zu gefallen. Leider wird der Zuschauer dem ewig gleichen Ablauf mit der Zeit etwas überdrüssig. Am Ende des Films will man sich gar nicht ausmalen, wie oft man jetzt das vorgegebeneMord-Szenario miterlebt hat. Es funktioniert immer nach dem gleichen Prinzip: Kurz vor der eigentlichen Tat wird geschnitten, Agent Smecker kommt am Tatort an, alle sind tot, er rekonstruiert den Tathergang, der Zuschauer wird wieder zu den Gebrüdern MacManus geführt. Die Idee hat etwas für sich und ist zugegebenermassen sogar ganz originell, doch The Bonndock Saints ist ein Musterbeispiel dafür, dass selbst originelle Ideen nicht beliebig oft wiederverwendet werden können - vor allem nicht im gleichen Film. Troy Duffys Arbeit am Drehbuch, welches er schrieb, nachdem aus seinem Nachbarhaus eine Leiche abtransportiert wurde, in Ehren, aber eine grössere Ideenvielfalt wäre dem Film nicht schlecht bekommen. Auch seine Wortsetzung zeugt nicht von einem übermässig grossen Talent. Er überstrapaziert den Gebrauch des Wortes Fuck, sodass es nach und nach zum reinen Selbstzweck verkommt. Das Drehbuch hätte man den Coen-Brüdern zur Überarbeitung schicken sollen. Immerhin ist es Duffy gelungen, dem Film eine gewisse Coolness zu verleihen, die sich positiv auf die Laune des Publikums auswirkt. Sinnbildlich dafür steht die Schlussszene, die in Sachen Coolness Quentin Tarantinos Filme locker übertrumpft. Die Figur des Duce, gespielt von Billy Connolly, trägt hier sicherlich auch ihren Teil dazu bei. Die Idee, die Hauptfiguren vor den Morden beten zu lassen, ist zwar schamlos bei Pulp Fiction abgekupfert, aber wenn die Gebete von zwei Iren vorgetragen werden, hat das Ganze fast noch mehr Stil als wenn die Worte aus Samuel L. Jacksons Mund kommen. Quentin Tarantinos Filme werden von einigen Zeitgenossen gerne als krank betitelt. Auch in diesem Fall geht Troy Duffys Film mit seinen Vorbildern einher. Dies ist zwar grösstenteils ein positiver Aspekt, doch wenn eine Katze aus Versehen mit der Waffe an die Wand gepustet wird, muss man sich doch fragen, wozu das gut sein soll. Dass der Zuschauer während des Abspanns noch unterschwellig zum Mitdenken animiert wird, kommt nicht vollständig für derartige Missgriffe auf.

Optisch vermag The Boondock Saints mehr zu überzeugen. Man merkt den Bildern aus irgendeinem Grund an, dass hier ein sehr begrenztes Budget vorhanden war. Die teils ziemlich körnigen und groben Aufnahmen sind interessant und machen den Film sehr atmosphärisch. Und auch die sehr sorgfältig choreografierten Schiesserein wurden von Kameramann Adam Kane gekonnt eingefangen. Seine stilisierte Kameraführung verleiht The Boondock Saints zwar einen gewissen Grad an Pathos, was aber erstaunlicherweise kaum störend auffällt. Schlimmer ist das Pathos, welches von einem der Darsteller ausgeht. Sean Patrick Flanery und Norman Reedus, die beiden Hauptdarsteller, sowie Billy Connolly und David Della Rocco, der mit seiner Nervosität immer mal wieder für einen Lacher sorgt, spielen einwandfrei. Doch der grösste Star im Bunde - Willem Dafoe - enttäuscht fast auf der ganzen Linie. Solange er den zynischen Polizeiinspektor mimt, der sich einigermassen normal benimmt, ist er in höchstem Masse unterhaltsam. Aber sobald er dazu anhebt, die Morde der Iren möglichst dramatisch darzustellen, dann brennen bei ihm sämtliche Sicherungen durch. Das ist ein Schauspiel, welches in Sachen Übertreibung Daniel Day-Lewis in There Will Be Blood in nichts nachsteht. Wem solches Over-the-Top-Method-Acting zusagt, der wird hier wohl anderer Meinung sein, doch Willem Dafoe geht mit seiner Darstellung von Agent Smecker über die Schmerzgrenze hinaus und wirkt ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch peinlich.

The Boondock Saints ist kein Meisterwerk, aber dennoch schafft er es, wie man es von einem echten Ballerfilm erwarten darf, ansprechend zu unterhalten. Die bibelfesten Katholiken, die ihren Opfern Münzen auf die Augen legen, "Veritas" und "Aequitas" auf ihre Hände tätowiert haben und gerne mal einen über den Durst trinken sind sehr amüsant und erringen selbst mit ihrer eigentlich sinnlosen Gewalt sämtliche Sympathien im Publikum. Der obligate Mafiaboss, der nervöse "Funny Man", der mysteriöse Duce und der Wirt mit dem Tourette-Syndrom sind alles Nebenfiguren, die ebenfalls einige Lacher auf ihrer Seite haben. Dass der sarkastische Unterton des Films nicht garantiert, dass man vor Begeisterung hin und weg ist, muss aber ganz klar festgehalten werden. Und auch die Freude an den schiesswütigen Protagonisten geht einmal verloren. Was Wanted und Shoot 'Em Up hervorragend geschafft haben - die Ballerei nicht sadistisch werden zu lassen - schafft The Boondock Saints nicht ganz. Hätte der Film eine längere Laufzeit, dann würde auch die blutrünstige Freude an den Opfern bald mehr als nur ein bisschen getrübt.

Will man sich fast gänzlich sinnfreie 100 Minuten gönnen, dann ist The Boondock Saints sicherlich eine gute Wahl. Will man sich einen richtig guten Ballerfilm ansehen, dann ist man mit neueren Produktionen besser bedient. Die Schlussszene ist leider das einzige Highlight, welches den Film wirklich aus dem ewig gleichen Trott herauszuholen vermag. Dennoch dringen irische Eigenheiten und die Verrücktheit von Troy Duffy sehr gut zum Zuschauer durch. Ob die Fortsetzung, die dieses Jahr in die amerikanischen Kinos kommt - Boondock Saints II: All Saints Day - mit dem gleichen Grundprinzip Erfolg haben wird, darf bezweifelt werden. Doch vielleicht überrascht Troy Duffy das Kinopublikum diesmal mit einem augefeilteren Drehbuch. Es wäre wünschenswert.

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