Donnerstag, 4. Juni 2009

Angels & Demons

Kein Winkel wird bei der Suche ausgelassen. Polizeichef Olivetti (Pierfrancesco Favino), Vitoria Vetra (Ayelet Zorer), Robert Langdon (Tom Hanks) und ein Carabinieri (v.l.) wagen sich sogar in die Krypta einer römischen Kapelle.

4.5 Sterne

Lernfähigkeit ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die ein Regisseur braucht, um in seinem Fach zu reüssieren. Und Ron Howard musste fürwahr Lernfähigkeit beweisen, um die Fans von Dan Browns Büchern wieder zu versöhnen. Nachdem die Adaption des vergleichsweise unfilmischen Stoffes von The Da Vinci Code in eine etwas flache Geschichtslektion mit einer unbeholfenen Liebesgeschichte resultierte, was insgesamt dennoch nicht ganz so schlecht funktionierte, war man gespannt, wie Howard das spannendere und filmischere Buch Angels & Demons anpacken würde. Und siehe da! Er hat etwas gelernt.

Angels & Demons beginnt verheissungsvoll. Mit virtuoser Kameraführung, welche im Laufe des Films immer weniger virtuos wird, doch dazu später, werden Teilchen gezeigt, welche im CERN in Genf durch den LHC gejagt werden. Kurz darauf entsteht die sagenumwobene Antimaterie, die wiederum kurz darauf gestohlen wird. Damit wäre die Exposition geschafft und man befindet sich bereits mitten im Film. Der Anfang steht sinnbildlich für das, was einen in den folgenden 140 Minuten erwartet: Populärwissenschaftliche Fakten werden mit typischen Action- und Thrillerelementen verbunden und mit einem gesunden Tempo vorgetragen. Man kann sich also schon einmal bei Regisseur Ron Howard und den Drehbuchautoren Akiva Goldsmith und David Koepp bedanken, dass sie Dan Browns Werk auf das reduzieren, was es ist: Ein zu Papier gebrachter Actionstreifen. Sieht man sich die bisherige Filmografie von Koepp und Goldsmith an, kann man erahnen, auf welchem filmischen Niveau Angels & Demons steht. Drehbücher, die mit dem Namen David Koepp unterzeichnet sind, zeichnen sich durch rasante Actionszenen und abenteuerliche Plots aus (Panic Room, Mission: Impossible, Spiderman), während Akiva Goldsmith Filme wie The Jury oder A Beuatiful Mind mit seiner Mitarbeit bereichert hat. Gemeinsam funktionieren die Autoren nicht schlecht. Die Dialoge driften seltener ins Belanglose ab als in The Da Vinci Code, es gibt nicht allzu viele Szenen, welche abrupt durch ein einzelnes Stichwort beendet werden und die Handlung geht im Grossen und Ganzen zügig voran. Zwar hapert es hie und da mit der Stringenz, doch für einen Actioner ist Angels & Demons ganz akzeptabel geschrieben. Und dass die Schweizergardisten im Vatikan tatsächlich Berndeutsch sprechen, dürfte den Schweizer Kinogänger ganz speziell freuen. Der grösste Vorwurf, den sich die Autoren aber gefallen lassen müssen, ist der, dass sie etwas zu übermütig den Rotstift geschwungen haben. Es wurden nämlich nicht nur unnötige Liebesszenen weggelassen, sondern auch einige Twists und die Figur Maximilian Kohler - ein Jammer! Man wird das Gefühl nicht los, dass Dan Brown vielleicht etwas entschiedener gegen solche Streichungen hätte vorgehen müssen. Andererseits verschaffen derartige Weglassungen dem buchkundigen Kinogänger wenigstens ein bisschen Spannung. Ausserdem wird so dem grössten Fehler von The Da Vinci Code ausgewichen: die sklavische Abfilmung der Vorlage.

Wie bereits sein Vorgänger ist auch Angels & Demons gespickt mit einigen Stars aus dem Schauspielfach. Doch in diesem Fall ist der ganze Film einzig und allein auf Tom Hanks ausgerichtet. Man beschäftigt sich kaum mit Vitoria, welche von Ayelet Zorer überzeugend verkörpert wird, oder dem Auftragskiller, welcher beinahe vollständig in der Versenkung verschwindet. Auch die prominenten Nebenrollen kommen leider etwas zu kurz. Gerne hätte man etwas mehr von Armin Mueller-Stahl, Ewan McGregor, Pierfrancesco Favino oder Stellan Skarsgård gesehen, doch unterm Strich haben alle Schauspieler ihre guten bis sehr guten Momente.

Weniger befriedigend ist die Kameraarbeit von Salvatore Totino. In Ron Howards letztem Film, Frost/Nixon, begeisterte er mit fantasievollen Kameraperspektiven, während er Angels & Demons grösstenteils mit 0815-Actionaufnahmen bebilderte. Etwas mehr Raffinesse wäre wünschenswert gewesen.

Die Sequenzen, welche Angels & Demons zu einem Actionthriller machen, beschränken sich fast ausschliesslich auf wilde Jagden durch ein immer düsterer werdendes Rom. Und wenn es einmal knallt, dann sind es meistens Schiessereien, in welchen die Carabinieri keinen besonders guten Eindruck machen, oder kleinere pyrotechnische Einlagen. Den grossen Knall hob sich Ron Howard verständlicherweise für den Schluss auf, der dann auch wesentlich mehr Verwüstung anrichtet als im Buch. Aber trotzdem sind die Spezialeffekte an sich kaum der Rede wert.

Viele Kritiker gehen in ihren Rezensionen auf die Unglaubwürdigkeit von Angels & Demons ein. Sie geben die unglaubliche Geschichte der Lächerlichkeit preis und geisseln sie als naturwissenschaftlich sowie historisch unhaltbar. Diese Rezensenten verstehen den Sinn, wenn man ihn denn als solchen bezeichnen darf, von Dan Browns Büchern nicht. Natürlich wirken die Bücher hie und da lächerlich oder an den Haaren herbeigezogen, aber welcher Teenager ist während der Lektüre von The Da Vinci Code nicht zum Computer oder zu einem Buch über Kunstgeschichte geeilt und hat sich "Das letzte Abendmahl" einmal genauer angesehen? Wer hat sich nach Deception Point nicht über Riesenasseln informiert? Der Normalsterbliche interessiert sich plötzlich für die Renaissance und "La purga", eine Entwicklung, die vor hundert Jahren bereits schon einmal Einzug hielt. Karl May schrieb damals seine Westernerzählungen, welche, nebenbei bemerkt, lücken- und fehlerhafter als Dan Browns Bücher sind, und jedermann begann sich mit Indianern und Cowboys zu befassen. Und solange man zumindest ein bisschen etwas dabei lernt, ist ja nichts Schlechtes daran. Und damit hat der hier Schreibende erklärt, weshalb die Geschichte von Angels & Demons für ihn keinen Kritikpunkt darstellt.

Mit der Filmversion von Dan Browns bisher bestem Buch verhält es sich gleich wie mit den effektiven Büchern: Die Kritiker verachten den Streifen, das Publikum mag ihn. Ron Howard hat nach etwas langatmigen The Da Vinci Code einen Sprung in die richtige Richtung gemacht. So ist Angels & Demons ein guter Actionfilm geworden, der mit einigen Geschichtsfakten auftrumpfen kann. Es gibt rasante Verfolgungsjagden, versteckte Gänge, wohl dosiertes Blut und eine wunderschöne (!) Explosion zu bestaunen. Wer sich den Film mit Minimalerwartungen ansieht, wird nicht enttäuscht werden. Fazit: Nicht nur National Treasure hat die Reduktion der Ernsthaftigkeit im zweiten Teil gut getan.