Donnerstag, 18. April 2013

Oblivion

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Abseits der etablierten Franchisen und Serien sucht man derzeit vergeblich nach originellen Beiträgen zum Science-Fiction-Format. Oblivion ist der neueste Versuch, die Lage zu verbessern. Doch die hoch ästhetische Endzeit-Fantasie ist kaum mehr als eine geistlose Sammlung von Genre-Versatzstücken.

2077: 60 Jahre, nachdem die Erde von einer ausserirdischen Macht angegriffen wurde, hat sich das Leben auf dem blauen Planeten radikal verändert. Die strategische Zerstörung des Mondes führte zu riesigen Verwüstungen, der Atomkrieg gegen die Aggressoren, welche "Scavs" genannt werden, hat weite Teile der Erdoberfläche unbewohnbar gemacht. Zwar hat die Menschheit den Kampf gewonnen, doch die Überlebenden sahen sich gezwungen, auf den Saturnmond Titan umzusiedeln, während die verbliebenen Scavs den Erdboden unsicher machen und Sicherheitsdrohnen abschiessen. Übrig sind einzig die Techniker Jack Harper (Tom Cruise) und Victoria (Andrea Riseborough), die in einer Wohnung hoch über den Wolken leben und für die Reparatur der Drohnen zuständig sind. Eines Tages beobachtet Jack den Absturz eines alten Raumschiffs und schafft es, eine Überlebende aus dem Wrack zu bergen. Ihr Name ist Julia (Olga Kurylenko) und zu seiner Überraschung erkennt Jack in ihr die Frau, von welcher er jede Nacht träumt. Er beginnt, sich über den wahren Sinn seiner Mission Gedanken zu machen.

Die Welt, die Regisseur Joseph Kosinski (Tron: Legacy) in Oblivion, der Verfilmung seines eigenen unveröffentlichten Comicromans (Graphic Novel), aus dem Hut zaubert, ist beileibe keine einfache: Zu den ohnehin schon komplizierten Regeln und Machtverhältnissen, welche auf und über der postapokalyptischen Erde herrschen, gesellen sich ärgerliche Ungereimtheiten physikalischer wie dramaturgischer Natur: Warum Jack Harper in mehreren tausend Metern Höhe im Unterhemd die frische Luft geniessen kann, könnte man sich fragen. Ebenso, wieso seine eigentlich loyale Partnerin Victoria aus purer Eifersucht ihr eigenes Leben sowie jenes zweier anderer Menschen aufs Spiel setzt. Nur die wenigsten dieser Probleme werden mit der unvermeidlichen "überraschenden" Wendung aus der Welt erklärt.

Postapokalyptischer Abschleppdienst: Jack (Tom Cruise) repariert auf der verwüsteten Erde bruchgelandete Drohnen.
© Universal Pictures Switzerland
Eingebettet ist das Ganze in eine unnötig verschachtelte, in Sachen Figurenmotivation immer wieder von Neuem frustrierende Handlung, welche allzu oft den Anschein einer Zusammenstellung der beliebtesten Topoi aus dem reichen Science-Fiction-Kanon macht, ausgeschmückt mit Filmanspielungen, welche dem plumpen Plagiat definitiv näher sind als der ehrerbietenden Verneigung. Der Auftrag des gelangweilt wirkenden Tom Cruise ähnelt demjenigen des Roboters WALL-E im gleichnamigen Pixar-Animationsfilm, seine mit diesem Lebensinhalt verbundene Existenzkrise deckt sich mit derjenigen Sam Rockwells in Duncan Jones' Weltraum-Kammerspiel Moon. Als er dem Anführer (Morgan Freeman, der auch auf schauspielerischem Autopilot die charismatischste Persönlichkeit des Films ist) einer mysteriösen Guerilla-Gruppierung vorgeführt wird, liegen die Erinnerungen an Laurence Fishburne in The Matrix nicht weit. Steht er endlich der ausserirdischen Intelligenz gegenüber, beschwört Kosinski unverkennbar den Geist von 2001: A Space Odyssey.

Vielleicht am nächsten liegt Oblivion aber Prometheus: Wie Ridley Scotts Alien-Prequel, vermag auch er, von unbestritten spannenden Ansätzen abgesehen (das überhastete Ende trägt sogar Züge des Prometheus-Mythos), inhaltlich niemals zu überzeugen und bleibt einzig dadurch in Erinnerung, dass er seine prätentiös vorgetragene Leere ordentlich zu bebildern weiss. Zwar hat auch Kameramann Claudio Miranda (Life of Pi) schon bessere Arbeiten abgeliefert, doch seine berückenden Aufnahmen genügen, um den Rest von Oblivion verblassen zu lassen.

★★

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen