Montag, 18. November 2013

Don Jon

Es führt eine direkte Linie von (500) Days of Summer (2009), dem endgültigen Leinwand-Durchbruch des ehemaligen Teenager-Fernsehstars Joseph Gordon-Levitt (The Powers That Be, Roseanne, 3rd Rock from the Sun), zu Don Jon, seinem Debüt als Langspielfilm-Autor und -Regisseur. Summer wurde von der Mehrheit der Kritiker zu Recht als ein Werk von bewundernswertem Scharfsinn tituliert, als eine intelligente Tragikomödie über die Natur von Liebesbeziehungen im 21. Jahrhundert. Gordon-Levitt wurde als Tom Hansen zum Mitbegründer des "neuen" romantischen Helden, dessen Charme auf Selbstironie und einem Hang zur Tollpatschigkeit beruht.

Vier Jahre später nimmt er nun selber auf dem Regiestuhl Platz und richtet seine Aufmerksamkeit auf eine andere Art der "modernen" Liebe. Schauplatz sind nicht mehr länger die intellektuell geprägten In-Quartiere von Los Angeles (wie in (500) Days of Summer) oder Seattle (wie in 50/50, wo Gordon-Levitt eine Tom-Hansen-Variation spielte), sondern jenes Milieu, das durch die berühmt-berüchtigte Reality-Serie Jersey Shore einem weltweiten Publikum vorgeführt wurde – die Arbeiter-Gemeinden von New Jersey, eine Welt der Undercut-Haarschnitte, der Dubstep-Musik, der flüchtigen One-Night-Stands.

In diesen Kreisen verkehrt auch Jon Martello, gespielt von Gordon-Levitt, der damit, zunächst jedenfalls, radikal mit seiner Leinwand-Persona bricht. Jon ist unter seinen Freunden bekannt als "Don Jon", als Don Juan von New Jersey, welcher Woche für Woche neue Frauen abschleppt, ohne sich danach je wieder bei diesen zu melden. Doch Sex genügt ihm nicht: "Real pussy is great, but it's not as good as porn", erklärt er via Voiceover; wahre Befriedigung verschafft ihm nur das tägliche Masturbieren zu Internet-Pornografie – wofür er bei der sonntäglichen Beichte jeweils Busse tut (die willkürliche Absolutionspolitik der katholischen Kirche wird vom Reform-Juden Gordon-Levitt genüsslich ad absurdum geführt).

In Bedrängnis gerät Jons Routine allerdings dann, als er sich Hals über Kopf in Barbara (Scarlett Johansson) verliebt, welche kein Verständnis für den Pornokonsum ihres neuen Freundes aufbringt. Dass die Beziehung unter keinem guten Stern steht, führt Gordon-Levitt auf die unrealistischen Erwartungen beider Seiten zurück. Während Jon offenherzig darüber spricht, wie sehr er sich wünscht, echter Sex wäre wie Pornografie, sind auch bei Barbara fehlgeleitete Anforderungen zu erkennen: Aufgrund ihrer Liebe zu Filmromanzen (prä-(500) Days) ist sie der Meinung, ihr Traummann müsse sein ganzes Leben ihren Bedürfnissen unterordnen.

Der nach Internet-Pornografie süchtige Jon (Joseph Gordon-Levitt) verliebt sich in in Hollywood-Romanzen vernarrte Barbara (Scarlett Johansson).
© Ascot Elite
Diese Diskrepanzen, diese durch die Medien verzerrten Wahrnehmungen sind vielleicht das Subtilste am ansonsten häufig schrillen, aufgedrehten, lauten Don Jon, der letztlich doch unverkennbar die Handschrift eines Regie-Debütanten trägt. Vieles in diesem Film ist überzeichnet, angefangen bei der klischeehaften Hollywood-Schnulze (mit Cameo-Auftritten von Channing Tatum und Anne Hathaway), welche sich Barbara und Jon im Kino ansehen – der ungezügelten Verballhornung eines schon oft zuvor parodierten Genres durch einen hoch motivierten Neuling. Doch auch an anderen Stellen überbordet Gordon-Levitts Eifer: Musik, Schnitt, Beleuchtung sind – seien sie nun als ironischer Verfremdungseffekt oder als genuines Stilmittel gemeint – stets eine Spur zu betont.

Ähnliches gilt für die rasanten Dialoge – in Inszenierung, Tonfall und Dialekt an David O. Russells Silver Linings Playbook erinnernd –, welche aber trotzdem zu den Stärken des Films gehören, obgleich auch sie zuweilen, vor allem in Anwesenheit von Tony Danzas Jon Martello Senior, auf dem schmalen Grat zwischen famoser Komödie und lächerlicher Karikatur wandeln. Eine stringente Dramaturgie vermag Gordon-Levitt indes nie zu finden; vielmehr speist sich Don Jon aus seinen diversen unbestritten inspirierten Momenten, seinem raffinierten Einsatz von Wiederholungen und den ausnahmslos dynamischen Darbietungen der Schauspieler, einschliesslich jener der spät eingeführten Julianne Moore, unter deren Einfluss Jon – und mit ihm der Film – in ruhigere, harmonischere Bahnen gelenkt wird (Gordon-Levitt tut gut daran, die ödipale Dimension der Beziehung nicht auszuloten). Zwar will hier letzten Endes, wie schon in Steve McQueens Shame, die Lösung des dem Ganzen zugrunde liegenden Porno-Problems nicht restlos überzeugen, doch Don Jon verfügt über genügend dreisten Charme, um als geglückte Regie-Premiere zu gelten.

★★★

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