Donnerstag, 14. November 2013

Mary, Queen of Scots

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Schon seit Jahren kriselt das Schweizer Kino; Innovationen sind rar. Mit der Filmbiografie Mary, Queen of Scots bemüht sich der Luzerner Thomas Imbach immerhin um ein bisschen Abwechslung. Von Erfolg gekrönt ist dieser Versuch jedoch auch nicht.

"Die Geschichte der Mary ist im modernen Kino noch nicht angekommen", sagte Imbach unlängst in einem Interview. Anstatt sich der tragischen Vita von Maria Stuart (1542–1587) zu widmen, einer "für archaische, aus der Mode gekommene Werte stehende" Figur, würden zeitgenössische Filmemacher, so der Regisseur, deren Cousine und Thron-Rivalin Elizabeth I. (1533–1603) vorziehen. Falsch liegt er damit nicht – Shekhar Kapurs Elizabeth-Zweiteiler erfreut sich eines höheren Bekanntheitsgrades als etwa John Fords Mary of Scotland (1936) oder Charles Jarrotts Mary, Queen of Scots (1971) –, doch man läuft Gefahr, bei dieser Diskussion symbolische und historische Bedeutung zu verwechseln: Elizabeth ist durch ihren Status als eine der mächtigsten Frauen der Weltgeschichte zur Ikone geworden; derweil Marys anhaltende Reputation primär auf ihr von Enttäuschungen und Tragödien geprägtes Leben zurückzuführen ist.

Entsprechend konzentriert sich Imbach in Mary, Queen of Scots weniger auf die wichtigsten Momente während der Regentschaft Marys (gespielt von der hölzernen Camille Rutherford) und die englische Politik des 16. Jahrhunderts (was eine Herausforderung für die mit der Materie nicht vertrauten Kinogänger darstellt) als auf die Psychologie der Titelfigur. Als Eckdaten genügen ihm ihr bis 1560 währendes Exil in Frankreich, ihre Rückkehr in ihr heimisches Schottland, wo sie über ein von Glaubenskriegen zwischen Katholiken und Protestanten zerrissenes Volk regiert, sowie ihre drei zum Scheitern verurteilten Ehen. Fasziniert ist die katholische Monarchin Zeit ihres Lebens von der englischen Königin Elizabeth, deren Titel sie begehrt und mit deren Position sie sich identifiziert.

"Les adieux à la reine": Maria Stuart (Camille Rutherford) kehrt nach Jahren im französischen Exil nach Schottland zurück.
© Pathé Films AG
Imbach, der auch für das – lose auf Stefan Zweigs Maria Stuart basierende – Drehbuch zeichnet, behandelt das Thema mit künstlerischem Eifer: Seine karge Bildästhetik – nebelverhangene Hügel, winterliche Felder, leere Schlosshöfe – und seine oftmals knappen Dialoge evozieren den Stil eines Andrei Tarkovsky, die dominante Kerzen-Beleuchtung Stanley Kubricks Kostümdrama Barry Lyndon, der bisweilen aufkeimende Cinéma-verité-Chic den Tarkovsky-Bewunderer Lars von Trier. Viele von Rainer Klausmanns Einstellungen sind wunderschöne Gemälde, doch bleiben sie stets just das: Tableaux. Mit Ausnahme der linkisch gefilmten Dialogszenen komponiert Imbach ohne Fehl und Tadel, versäumt es aber, diese Bilder weiterzuentwickeln, sie anregend zu inszenieren.

So kommt es, dass Mary, Queen of Scots eine enttäuschend statische Angelegenheit ist, formal wie auch erzählerisch. Imbachs Regie nimmt seinem Skript – und der Thematik – die Kraft; Marys Leidensweg bleibt ein emotional weitestgehend entrücktes Konstrukt, dessen suggestives Potential irgendwo in dieser zweistündigen Aneinanderreihung steifer Szenen verloren geht. Über den Abspann wird eine Coverversion von Bob Dylans grandiosem hyperliterarischen Song "Changing of the Guards" gespielt, in der Hoffnung, der vorangegangene Film sei ein Werk von ähnlich wuchtiger, archaischer Poesie. Die Hoffnung bestätigt sich nicht.

★★

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