Donnerstag, 11. Oktober 2012

Looper

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.


Seit dem viel beachteten Inception scheint sich das Action-Genre ein wenig festgefahren zu haben. Doch nun bringt Indie-Regisseur Rian Johnson Verbesserung. Looper mag Christopher Nolans Film nicht ganz das Wasser reichen; dafür ist er sympathischer, zugänglicher, blutiger und tiefgründiger.

Kansas, 2044: Joe (Joseph Gordon-Levitt – mit Nasen-Prothese, um seinem älteren Ich ähnlicher zu sehen) ist ein junger Mann mit ansehnlichem Einkommen, was in einer Welt voller Landstreicher und Strauchdiebe keine Selbstverständlichkeit ist. Der Grund: Joe arbeitet als "Looper" für die Mafia. 30 Jahre später sind Zeitreisen nämlich erfunden, aber verboten. Dennoch nutzt die "ehrenwerte Gesellschaft" die Technologie, um Menschen loszuwerden. Die Opfer werden gefesselt, geknebelt und verhüllt ins Jahr 2044 zurückgeschickt, wo die Looper sie mit Retro-Schrotflinten umgehend exekutieren. Ein Teil der Abmachung ist, dass man in diesem Berufszweig eines Tages sich selber ermorden wird; danach kann man sich zur Ruhe setzen und darauf warten, am anderen Ende des Gewehrlaufs zu enden. Doch als Joes zukünftiges Selbst (Bruce Willis, der nach Moonrise Kingdom schon zum zweiten Mal in diesem Jahr sein wahres Schauspieltalent unter Beweis stellt) auftaucht, entwischt ihm dieses. Der alte Joe sucht nach drei Kindern, von denen eines in 30 Jahren zu einem grausamen Mafiaboss werden wird. Auf der Flucht vor seinem Arbeitgeber Abe (ein grossartiger Jeff Daniels) sucht der junge Joe Schutz auf der Farm von Sara (Emily Blunt). Dumm nur, dass ihr Sohn (Pierce Gagnon) auf der Todesliste des alten Joe steht.

2005 beschenkte Rian Johnson das Publikum mit Brick, einem hochintelligenten Thriller, in welchem er den Film Noir neu interpretierte und das Geschehen in eine High School des 21. Jahrhunderts versetzte – mitsamt den dazugehörigen Rollenmustern. Nun legt der 39-Jährige seinen ersten Actionfilm vor, erst seine dritte Regiearbeit, und er untermauert, was sein Debüt erahnen liess: Er gehört mit seiner Fertigkeit, Coolness mit Substanz und Subversion mit Innovation zu verschmelzen, zu den spannendsten Talenten im zeitgenössischen amerikanischen Independent-Kino. Auch Looper blickt in der Geschichte zurück, um gleichzeitig mit Originalität und einem anregenden Konzept zu begeistern. Johnson orientiert sich an Dystopien aus den Achtziger- und Neunzigerjahren – Brazil, 12 Monkeys, Total Recall, Demolition Man – sowie an einigen Klassikern wie etwa Once Upon a Time in the West oder den Erzählungen Philip K. Dicks, spinnt daraus aber eine ganz eigene, durch und durch faszinierende Vision.

Kampf mit sich selbst: Der alte Joe (Bruce Willis) nimmt den jungen Joe (Joseph Gordon-Levitt) in die Mangel.
Die Zukunft, die er entwirft, ist nicht überfuturistisch gestaltet, sondern überzeugt durch überraschende Realitätsnähe und beissende Gesellschaftssatire – hier ein heruntergekommener Sonnenkollektor, dort ein an Children of Men erinnernder Stadt-Slum im waffenvernarrten Herzen Amerikas. Auch umgeht Johnson die Tücken des Zeitreisens; er geht das berühmt-berüchtigte Paradoxon frontal an und liefert sogar eine im Universum des Films stimmige Auflösung. Insgesamt bleiben zwar einige Storyelemente auf der Strecke; doch Looper kompensiert dies mit trockenem Humor, gewagten Einfällen, drastischen Bildern, einer hervorragend konstruierten Atmosphäre und einer Handlung, welche ganz auf ihren Charakteren ruht. Besonders bleibt hierbei die Szene in Erinnerung, in welcher sich Bruce Willis und Joseph Gordon-Levitt in einem Diner gegenüber sitzen. Und wenn am Ende der Abspann über die Leinwand rollt, ohne finalen Knall, ohne bombastische Musik, bleibt das Gefühl: Hollywood, so wird Action gemacht.

★★★★

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen