Donnerstag, 23. Juni 2011

Submarine

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Filme über Teenager gibt es viele. So viele, dass die seriöseren davon sogar ein eigenes Genre bilden: den Coming-of-Age-Film. Dass die Auseinandersetzung mit diesem speziellen Lebensabschnitt immer wieder neu begeistern kann, beweist Submarine – ein eigensinniges kleines Meisterstück.

Der 15-jährige Oliver Tate (Craig Roberts) gehört nicht zu den beliebtesten Schülern in seiner Schule. Man munkelt, er sei homosexuell, Mädchen schenken ihm wenig bis gar keine Beachtung und sein Interesse an Literatur (J.D. Salinger, Friedrich Nietzsche und die "reiferen" Werke Shakespeares, zu denen Hamlet offenbar nicht gehört) bringt ihm auch keinen Respekt ein. Doch als er eines Tages – als Mitläufer – unabsichtlich dazu beiträgt, dass die übergewichtige Zoe die Schule wechselt, ändert sich sein Leben zumindest in einem Bereich: Die eigenbrötlerische Jordana (Yasmine Paige), auf die Oliver ein Auge geworfen hat, interessiert sich plötzlich für ihn. Aber auch mit Freundin ist für ihn noch nicht alles perfekt. Seine Eltern Jill (Sally Hawkins, bekannt aus Happy-Go-Lucky) und Lloyd (Noah Taylor) entfremden sich immer mehr voneinander, und zu seinem Entsetzen zieht nebenan auch noch Jills charismatischer Ex-Freund Graham (Paddy Considine) ein. Oliver ist fest entschlossen, das Familienleben der Tates zu retten. Allerdings kommt bei dieser Rettungsaktion Jordana etwas zu kurz, was ihr gar nicht gefällt.

Was an Submarine sofort auffällt, ist Regisseur Richard Ayoades (Kult-Nerd Moss aus der TV-Serie The IT Crowd) Liebe für die Filmhistorie. Immer wieder wird subtil auf bekannte Werke angespielt – etwa auf den berühmt-berüchtigten Twist von Nicolas Roegs Don't Look Now; oder sie nehmen sogar selber einen Platz in der Erzählung ein, wie im Falle von Le samouraï und La passion de Jeanne d'Arc. Nichtsdestoweniger ist die Verfilmung von Joe Dunthornes Roman desselben Namens ein lupenreines Original. Selbst der im Grunde alltägliche Plot wird durch Ayoades raffinierte Inszenierung in etwas Einmaliges verwandelt. In Submarine wird viel experimentiert, viel stilisiert, viel nur angeschnitten. So werden beispielsweise keine schwarzen Szenenübergänge benutzt, sondern nur blaue und rote; das Setting ist ein Enigma: Der Film spielt zwar im walisischen Swansea, doch ob das Jahr nun 1985 oder 2011 ist, muss jeder für sich selbst herausfinden; und wenn Oliver, der als Erzähler fungiert, einen neuen Charakter vorstellt, geht er stark ins Detail und liefert zahlreiche Hintergrundinformationen, nur um schnell wieder zur Hauptstory zurückzukehren und die aufgezählten Eigenheiten der beschriebenen Figur weitgehend unkommentiert zu lassen. Dass dabei niemals das Gefühl aufkommt, der Film sei anmassend, ist dem herrlich selbstkritischen Tonfall zu verdanken. Wenn zum Beispiel zitiert wird, dann lässt einen Submarine in seiner eigenen ironischen Art, wissen, dass es sich dabei nicht um Angeberei handelt, sondern um einen Versuch, Filmfreunde schmunzeln zu lassen.

Zwei Aussenseiter haben sich gefunden: Oliver (Craig Roberts) und Jordana (Yasmine Paige) pflegen eine exzentrische Beziehung.
Aber trotz, oder vielleicht gerade wegen, der fast schon dylanesken Verschrobenheit von Richard Ayoades Film ist er wahrhaftiger als so mancher andere Coming-of-Age-Film – vielleicht sogar noch mehr als Lone Scherfigs (zu Recht) viel gelobter An Education, der immerhin auf einer realen Geschichte beruhte. Die Geschichte stellt eine Teenager-typische Achterbahnfahrt der Gefühle dar, die man als Zuschauer mit Oliver unternimmt. Dessen Gefühle wirken bekannt; ebenso seine Handlungen, die mal clever, mal kindisch-naiv sind. Einen derartigen Charakter sympathisch bleiben zu lassen, ist nicht leicht; Kudos an den exzellenten Craig Roberts und an die gleichermassen talentierte Yasmine Paige, die eine noch exzentrischere Figur zu spielen hat. Auch visuell wussten Ayoade und sein Kameramann Erik Wilson den Geist des Teeenagerseins hervorragend umzusetzen. Die Liebesgeschichte zwischen Oliver und Jordana – auch sie genial in ihrem von schwärmerischer Romantik gebrochenen Realismus – wäre ohne die Gegenüberstellung des jugendlichen Überschwangs mit der grauen, etwas heruntergekommenen Industriestadt Swansea wohl nur halb so kraftvoll.

Submarine ist ein erfrischender und trotz seines Retro-Chics moderner Indie-Film der besonderen Art. Der Film vereint Romantik, Drama und trockenen, schwarzen, unverkennbar britischen Humor in sich und versteht es hervorragend, das Teenagersein zu beschreiben – skurril, aber stimmig. Ein besseres Langspielfilm-Regiedebüt hätte Richard Ayoade kaum abliefern können. Nicht nur ist Submarine der beste Coming-of-Age-Film seit Jahren, er ist einer der bisherigen Höhepunkte im Kinojahr 2011.

★★★★★½

2 Kommentare:

  1. Fand ich dem Trailer entsprechend, aber dadurch auch ziemlich langatmig/langweilig. 5.5 Punkte sind schon okay, aber eben - man muss wissen worauf man sich einlässt. ;)

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