Dienstag, 31. März 2009

Die Geschichte vom Brandner Kaspar

Zwei gewitzte Kerle unter sich: Der Boanlkramer (Michael "Bully" Herbig, rechts) versucht, den Brandner Kaspar (Franz-Xaver Kroetz) dazu zu überreden, mit ihm ins Jenseits zu kommen.

4.5 Sterne

Der deutsche Film hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Erfolge wie Der Baader-Meinhof Komplex oder Das Leben der Anderen kommen zwar hin und wieder in die Kinos, doch besonders an der Komödienfront sieht sich der Kinozuschauer dem ewig gleichen Krampf gegenübergestellt. Ähnlich wie in der Schweiz bleibt das Niveau der Lustspiele konstant niedrig. Dass eine willkommene Ausnahme ausgerechnet aus Bayern kommt, ist irgendwie passend. Joseph Vilsmaier inszenierte eine Neuauflage des alten bayrischen Volksmärchens Die Geschichte vom Brandner Kaspar, in welchem ein störrischer Bayer dem Tod ein Schnippchen schlägt und sich 20 weitere Lebensjahre ergaunert. Vilsmaiers Film ist bereits die dritte Adaption des Stoffs - nach einem Kinofilm von 1949 und einer TV-Version von 1975 - und wird der Vorlage in vielerlei Hinsicht gerecht.

Die Geschichte vom Brandner Kaspar ist ein Musterbeispiel für eine kleine Low-Budget-Produktion. Umso überraschender scheint es, dass der deutsche Komödienstar Michael "Bully" Herbig darin einen Part übernahm. Die Produzenten werden sich gedacht haben, dass sein Name auf dem Filmplakat vielleicht noch den einen oder anderen Menschen mehr ins Kino locken könnte. Grosses Interesse wird dem Film aber voraussichtlich auch nicht zuteil werden. Dabei wäre Vilsmaiers Streifen zurzeit wohl einer der wenigen Gründe, den Gang ins Kino anzutreten.

Warum sollte man sich Die Geschichte vom Brandner Kaspar zu Gemüte führen? Immerhin kommt er aus einem Bundesland, in welchem bis vor kurzem die CSU bei den Wahlen jeweils mit einem Resultat von 50%+x rechnen konnte. Nun, Bayern beherbergt nun einmal die lustigsten Leute Deutschlands, daran gibt es nichts zu deuteln. Das ist schon einmal ein erster Grund. Ein weiterer Grund ist, dass Die Geschichte vom Brandner Kaspar ein Film ist, den man sich ganz gemütlich ansehen kann. Man wurde intellektuell zwar auch schon mehr gefordert, aber dennoch ist Die Geschichte vom Brandner Kaspar nicht niveaulos oder etwa dumm. Es finden sich immer wieder kleine Anspielungen auf Vorgänge im 19. Jahrhundert und in unserer heutigen Zeit. Der Film zieht sich nicht in die Länge, besteht nicht nur aus Effekten - im Gegenteil! - und vermag im Grossen und Ganzen gut zu unterhalten. Selbstverständlich ist Klaus Richters Drehbuch kein Meisterstück der Schreibkunst. Vor allem während der Exposition sind ein paar kleinere Schwächen bemerkbar. Doch daran dürfte man als Zuschauer wohl kaum einen Gedanken verschwenden, denn auf der anderen Seite ist das Drehbuch sehr pfiffig und macht sich bayrische Eigenheiten gekonnt zunutze. Das diesbezügliche Highlight ist sicherlich der Vorhof zum Himmel, in welchem es einen vergesslichen Petrus, einen fröhlichen, Bier trinkenden, Weisswurst essenden Erzengel Michael und keine Preussen gibt. Und natürlich ist dort Boarisch Standardsprache. Solch angenehm absurde Szenen häufen sich besonders im zweiten Teil des Films. Dort sind auch die meisten eingängigen Sprüche zu finden, so etwa Michaels Bemerkung "Des 6. Gebot is doch a Empfehlung und ka Dogma!".

Auch die Schauspieler verdienen sich ein grosses Lob. Das bayrische Urgestein Franz-Xaver Kroetz passt perfekt in die Rolle des Brandner Kaspar, der mit seiner verschrobenen Art sämtliche Sympathien auf seiner Seite hat. Doch auch Michael Herbig liess sich für den Film nicht lumpen. Er spielt den Tod, genannt Boanlkramer, mit viel Inbrunst und übertreibt dermassen, dass man sich an Zero Mostels hervorragende Performance in A Funny Thing Happened on the Way to the Forum erinnert fühlt. Herbig hat einige gute Sprüche auf Lager - seine Beichte bei Michael ist einer der komödiantischen Höhepunkte des Films - und spielt den Tod so, dass man sich fragt, warum er überhaupt so gefürchtet wird. Die Geschichte vom Brandner Kaspar lebt vom Zusammenspiel der beiden Hauptakteure, die gemeinsam einige exzellente Szenen zu spielen haben. Ansonsten ist der Film mit den üblichen deutschen Nebendarstellern ausstaffiert. So dürfte man Lisa Potthoff und Detlev Buck schon hie und da einmal gesehen haben. Da aber der Film in erster Linie auf den Zweikampf Brandner Kaspar-Boanlkramer ausgerichtet ist, kommen die Nebenfiguren nur spärlich zum Zuge und haben im Prinzip nur die Funktion, die Geschichte voranzutreiben. Dies wurde allerdings mehr als nur akzeptabel eingefädelt.

Allzu viele Mängel gibt es nicht zu beklagen. Der Film kämpft lediglich mit einem eklatanten Problem, welches kleinere Produktionen gerne ereilt - die Technik. Obwohl Kameramann Jörg Widmer bereits bei Grossproduktionen wie V for Vendetta, King Arthur oder Le scaphandre et le papillon mitgearbeitet hat - nicht als Kameramann allerdings - bekundet er hier sichtlich Mühe, kinoreife Bilder zu produzieren. Zwar wurde der Grossteil des Films normal gefilmt, doch in einigen Szenen kommt unverhofft eine Art Dogma-Stimmung auf, die sich vor allem durch eine nicht besonders optimale Bildqualität offenbart. Zudem sind immer mal wieder Anachronismus-Fehler zu entdecken, die ihrerseits aber auch einen Teil des Charmes des Films ausmachen.

In Bayern ist die Sage vom Brandner Kaspar und dem Boanlkramer wohlbekannt, dem Rest der Welt ist sie wahrscheinlich weniger geläufig. Zwar ist Die Geschichte vom Brandner Kaspar die Adaption einer Theaterversion des Sagenstoffs, was bedeutet, dass etwas an der Chronologie herumgepfuscht werden musste, um einen echten Film zu erhalten. Wer ihn sich aber ansieht, wird die Grundstruktur und die Hauptaussagen des Volksmärchens mühelos nachvollziehen können.

Joseph Vilsmaiers neuer Film ist eine ziemlich schnörkellose, gut unterhaltende, sehr bayrische Filmfassung eines Stoffs, der auf den ersten Blick nicht sonderlich filmisch wirkt. Bei Die Geschichte vom Brandner Kaspar von einem deutschen Film zu sprechen, wäre eine Beleidigung für die Produzenten. Dem Zuschauer werden bayrischen Lebensweis- und -eigenheiten verkauft, die zwar sehr klischiert, aber mit viel Herzblut und Charme angerichtet wurden. Getragen wird der Film fast ausschliesslich von seinen beiden Hauptdarstellern, die es allein schon wert sind, den Film zu sehen. Die etwas billigen Spezialeffekte und das gänzliche Fehlen von Computereffekten sind es ebenfalls.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen