Sonntag, 8. März 2009

Watchmen

Wieder in Aktion: Dem Verbot zum Trotz machen sich Nite Owl II (Mitte, Patrick Wilson) und Silk Spectre II (Malin Akerman) auf, ihren Kollegen Rorschach aus dem Gefängnis zu befreien.

4 Sterne

Graphic Novels sind eine typisch amerikanische Subkultur. Lustigerweise ist aber gerade einer der grössten Meister dieses Literatur-Genres Brite. Alan Moore, Autor eines der erfolgreichsten Comics der Geschichte, der zwölfteiligen Serie Watchmen, die es im Time Magazine als einzige Bildergeschichte in die besten 100 amerikanischen Romane seit 1923 geschafft hat, ist ein Exzentriker sondergleichen und steht mit Hollywood seit der Verfilmung von League of Extraordinary Gentlemen auf Kriegsfuss. Ob er wohl an Watchmen mehr Freude hat? Der Film wird zwar den Fans der Serie gerecht, stellt aber gleichermassen auch Leute zufrieden, die sich mit der Thematik nur marginal auskennen. Filmische Mängel sind aber dennoch vorhanden.

Wenn man sich etwas mit der Vita und dem Wesen Alan Moores beschäftigt, stellt man eine verblüffende Ähnlichkeit mit Cormac McCarthy fest. Das Gesamtwerk beider zeichnet sich durch kompromisslose Gewalt und abgrundtiefe Dunkelheit aus. Liest oder sieht man aber ein Interview mit ihnen, fragt man sich sofort, wie jemand, der so friedfertig und freundlich Antwort gibt, für derartige Gewaltverklärungen verantwortlich sein kann. Besonders Moores Comics V for Vendetta und Watchmen zeichnen sich durch exzessive, gewollt verstörende Brutalität aus. Für die Verfilmung von Watchmen wurde wohl gerade deshalb ein Kenner der grafischen Gewalt engagiert. Zack Snyder, von Haus aus Regisseur von Werbefilmen, hat erst dreimal auf dem Regiestuhl Platz genommen und dabei die nicht eben unblutigen Werke Dawn of the Dead und die Filmadaption von Frank Millers 300 geschaffen. Und Snyder setzt nun bei Watchmen dort an, wo er bei 300 aufgehört hat. Es fliesst viel Blut, Arme und Finger werden in Zeitlupe gebrochen, Schwangere werden erschossen, Unbeteiligte verletzt und letzten Endes darf sich der Film wohl rühmen, der Streifen mit der höchsten Opferzahl in der Filmgeschichte zu sein. Wie viele Menschenleben das Ganze fordert und weshalb, soll hier nicht verraten werden. Zwar verkommt das optisch versierte Gemetzel mit der Zeit etwas zum Selbstzweck; trotzdem erreicht die reine Blutrünstigkeit ihr Ziel. Snyder hat aber nicht vergessen, dass Moores Comics sich auch durch einen anderen Charakterzug auszeichnen: moralische Fragen. Man würde eine dermassen tiefgreifende Frage in einem Film von Zack Snyder nicht erwarten, doch sie wird trotzdem gestellt. Darf man Leute töten, um den Weltfrieden zu gewährleisten? Ein Problem, welches in Comic und Film direkt an den Konsumenten weitergegeben wird. Diese Frage verleiht dem Genre des Superheldenfilms eine bisher unbekannte Tiefe. Doch die originalgetreue Wiedergabe wird den Autoren David Hayter und Alex Tse während des Films mehrmals zum Verhängnis. Obwohl das Ende abgeändert wurde, ist Watchmen noch immer eine sehr starre Umsetzung der Vorlage. Entsprechend arm an Höhepunkten ist der Film. Seitenhiebe auf die heutige Zeit wie die Feststellung "A cowboy in the White House? Forget it!", die sich zwar auf Ronald Reagan bezieht, sind viel zu selten. Stattdessen folgten Hayter und Tse brav dem Original. Zunächst werden die verschiedenen Figuren eingeführt, wobei der mit der Vorlage nicht vertraute Kinogänger, wenn er gut aufpasst, keine Mühe haben wird, die verschiedenen Superhelden und Ex-Helden auseinanderzuhalten. Leider aber ist der Film in dieser Phase zu inkohärent. So hat man es nach etwas mehr als einer Stunde langsam gesehen mit den Rückblenden und Hintergrundgeschichten. Auch die teilweise sehr klischierten Dialoge à la "Ich verstehe alles, nur nicht die menschliche Natur" hemmen die Begeisterung. Und über die Karikaturen der Politiker kann man ebenso geteilter Meinung sein. Während man sich über einen sehr gut wiedergegebenen Pat Buchanan oder einen Henry Kissinger freut, fasst man sich bei Richard Nixon doch an den Kopf und fragt sich, ob da die Nasengrösse und die Gebärden nicht zu stark überzeichnet wurden. Zudem zieht sich Watchmen an einigen Stellen grausam in die Länge. Dies bedeutet aber nicht, dass der Film je wirklich langweilig wird. Wie man es von einer Comicverfilmung erwarten darf, vor allem wenn es sich um die Version eines Moore-Buchs handelt, ist Watchmen eine visuelle Perle. Das beginnt mit dem sich ständig verändernden Muster auf Rorschachs Maske und hört mit den detailverliebten Zeitlupenaufnahmen, die einen zwar immer wieder an asiatische Kung-Fu-Filme denken lassen, auf. Kameramann Larry Fong weiss die hervorragend chreografierten Kämpfe bildgewaltig in Szene zu setzen und begeistert Mal für Mal mit ausgeklügelten Kamerapositionen und eleganten Kamerafahrten. Gemeinsam mit dem sehr untypischen Soundtrack, der von Bob Dylan über Leonard Cohen bis hin zu Jimi Hendrix und Nat King Cole alles bedient, was das Klassiker-Herz begehrt, sorgen die teils bombastischen, teils rohen Bilder für ein audiovisuelles Feuerwerk, das einen problemlos in seinen Bann ziehen kann.

Wer im Cast von Watchmen nach grossen Namen sucht, wird kaum fündig. Die grössten Berühmtheiten sind sicher Malin Akerman, von der man eigentlich nichts anderes erwarten würde, als dass sie hübsch aussieht, die aber trotzdem eine überzeugende Leistung abliefert, und der oscarnominierte Jackie Earle Haley (Little Children) als Rorschach bzw. Walter Kovacs - eine Figur mit Kultpotential. Haley spielt schlicht und ergreifend brillant. Seine knurrende Stimme und sein hartes Äusseres - eine seltsame Mischung aus Clint Eastwood und Josef Hader - verleihen Rorschach das nötige kantige Profil. Zu ihm und Akerman gesellen sich Billy Crudup, der seiner Figur grösstenteils nur die Stimme leiht, Patrick Wilson, ebenfalls ein Schauspieler aus Little Children, und Jeffrey Dean Morgan, der in den Erinnerungen der verschiedenen Watchmen richtig gemein sein darf. Schauspielerisch bewegt sich Watchmen in den bekannten Superheldenkonventionen. Ein paar wenige Darsteller stechen hervor, der Rest spielt solide, ohne besonders aufzufallen.

Zack Snyder hat mit Watchmen keineswegs Filmgeschichte geschrieben. Dennoch gefällt seine Adaption von Alan Moores Graphic Novel durch gekonnt stilisierte Gewalt, einen sehr guten Soundtrack und einen genialen Jackie Earle Haley. Doch was ist Watchmen überhaupt? Es handelt sich in erster Linie um ein zwölfbändiges Comic-Epos, welches in einen 163-minütigen Film gepresst wurde. Bei einer derartigen Voraussetzung ist ein nicht perfekter Film vorprogrammiert. Trotzdem: Die Fans werden ihre Freude daran haben und sich an den Prügeleien und den technischen Finessen nicht sattsehen können. Letztere sind auch der Hauptgrund, weshalb man sich als Normalsterblicher - ergo: Nichtkenner der Materie - Watchmen ansehen sollte.

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