Sonntag, 20. Januar 2019

Kritik in Kürze: "Bohemian Rhapsody", "Capernaum", "Zwingli"

Bohemian Rhapsody – ★★

Ein Film zum Vergessen mischt wider Erwarten im Oscarrennen mit – also sieht man sich als Kritiker dazu verpflichtet, doch noch ein paar Worte darüber zu verlieren. Doch das ist das Problem mit Bryan Singers (und Dexter Fletchers) Queen- und Freddie-Mercury-Porträt Bohemian Rhapsody: Viel gibt es darüber nicht zu sagen.

Das Musik-Biopic – von Singer begonnen und, nach dessen Entlassung aufgrund unbefriedigenden Arbeitsverhaltens, von Fletcher beendet – ist filmisches Malen nach Zahlen, das dem Kino der Gegenwart mindestens 15 Jahre hinterher hinkt. Wie der ähnlich aus der Zeit gefallene, insgesamt aber dennoch gelungenere Get on Up (2014) scheitert Bohemian Rhapsody am Versuch die Formel von Ray (2004) und Walk the Line (2005) wiederzubeleben: Er arbeitet sich mit der emotionalen Tiefe und der erzählerischen Komplexität eines Wikipedia-Artikels durch die Biografie eines Musikers.

Unter Mitsprache der überlebenden Queen-Mitglieder, die den Film mitproduziert haben, hakt Anthony McCartens dröges Drehbuch geflissentlich wichtige Stationen im Leben seines Helden Freddie Mercury (Rami Malek) und dessen Band ab – akribisch darauf bedacht, alle berühmten Beteiligten ins bestmögliche Licht zu rücken.

Verloren gehen dabei Kohärenz – Szenen folgen mehr oder minder willkürlich aufeinander –, Nuancen – die fehlende Differenziertheit lässt das Ganze mitunter versehentlich homophob wirken – und Achtung vor der Historie: McCarten schreckt weder vor frei erfundenen Band-Krisen noch vor billiger Instrumentalisierung von Mercurys AIDS-Erkrankung zurück. Da kann auch die atmosphärische Krücke – der dick aufgetragene Queen-Soundtrack – nicht mehr helfen.



Capernaum – ★★★★

In ihrem dritten Langspielfilm kontrastiert die libanesische Regisseurin und Schauspielerin Nadine Labaki (Caramel, Where Do We Go Now?) die religiöse Bedeutung des "Heiligen Landes" mit seiner politischen und sozialen Realität. Capernaum, benannt nach der biblischen Stadt Kafarnaum im Norden des heutigen Israels, spielt in den Slums von Beirut und handelt vom zwölfjährigen Zain (Zain Al Rafeea) und seinem Kampf ums Überleben.

Obwohl Labaki und ihre vier Co-Autoren bisweilen der Versuchung erlegen, das Elend der Beiruter Armut allzu manipulativ – etwa durch den Gebrauch von fetischisierenden Zeitlupen – in Szene zu setzen, ist es kaum möglich, dem Film Kraft und Relevanz abzusprechen. Getragen vom grossartigen Laiendarsteller Zain Al Rafeea, der die Verhältnisse in den Armenvierteln der libanesischen Hauptstadt als Kind einer syrischen Flüchtlingsfamilie bestens kennt, ist Capernaum ein eindrückliches und zutiefst menschliches Drama über Empathie, Fürsorge und die schreckliche Vorstellung, dass diese Tugenden vielleicht nicht genügen, um die Misere überwinden zu können.

Entsprechend masst sich der Film auch nicht an, seinem Publikum falsche Hoffnungen zu machen. So bewundernd Zain auch inszeniert wird – er wünscht sich dennoch, niemals geboren worden zu sein. Nicht nur ist Capernaum somit ein überraschend offenes Plädoyer für die breite Verfügbarkeit von Abtreibungen, sondern auch eine ernüchternde Bestandsaufnahme: Seit den biblischen Zeiten, auf die der Titel anspielt, hat die Menschheit Probleme geschaffen, die sie selber womöglich nicht mehr lösen kann.



Zwingli – ★★

Pünktlich zum 500. Jubiläum des Eintreffens Huldrych Zwinglis (1484–1531) in Zürich haben die staatliche Filmförderung sowie zahlreiche private Sponsoren stolze sechs Millionen Franken locker gemacht, um dem grossen Reformator eine der teuersten Schweizer Kinoproduktionen aller Zeiten zu widmen. Herausgekommen ist das, was angesichts dieses Hintergrundes erwartet werden konnte: ein gewissenhaft gemachter, aber letztlich blutleerer Prestigefilm.

Regisseur Stefan Haupt (Der Kreis) und Drehbuchautorin Simone Schmid bemühen sich in Zwingli redlich, ihrem Titelhelden (Max Simonischek) Leben einzuhauchen. Inmitten einer aufwändig aussehenden, wenn auch repetitiven Ausstattung wird das Publikum mit Nachdruck auf "Ueli" Zwinglis Bescheidenheit hingewiesen. Es lernt Freunde wie den spannenden, leider viel zu kurz kommenden Leo Jud (Anatole Taubman) kennen; es sieht dabei zu, wie sich die Witwe Anna Reinhart (Sara Sophia Meyer) in den modern denkenden Leutpriester verliebt.

Doch so viel sie auch zeigen mögen, so wenig gehen Haupt und Schmid auf das Gezeigte ein. Es spielen sich Ereignisse von historischer Bedeutung ab – der Fastenbruch, der Bildersturm, die Bibelübersetzung –, doch jede Szene gleicht der andern: Geschichte wird abgearbeitet statt inszeniert – und dies erst noch mittels stellenweise fragwürdiger Dialogzeilen. (Indessen werden Zwinglis Treffen mit Martin Luther sowie sein dramatischer Tod in der Schlacht bei Kappel nur mündlich überliefert.)

Dieses Fehlen eines ansprechenden Erzählrhythmus ist fatal für den Film: Zum einen wird Zwinglis Evolution zum reformierten Dogmatiker so zur abrupten, emotional kaum nachvollziehbaren Radikalisierung. Zum anderen fühlt man sich ob der uninspirierten 126-minütigen Aneinanderreihung von historischen Anekdoten irgendwann einmal an eine nicht enden wollende Schulstunde erinnert.

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