Donnerstag, 27. August 2015

Southpaw

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Ein Boxer verliert auf dem Zenit seiner Karriere die Kontrolle über sein Leben, geht durch die Hölle und versucht sich an einem Comeback. Wie das ausgeht, kann sich jeder Hollywood-erprobte Zuschauer denken. Doch Southpaw macht dem formelhaften Sportdrama-Subgenre dennoch alle Ehre.

Für einen Film, welcher dermassen von grossen, überschäumenden Emotionen beherrscht wird, hat Southpaw einen seltsam nüchternen Titel. Das Wort – auf Deutsch recht unpoetisch mit "Rechtsauslage" übersetzt – beschreibt eine der beiden Grundpositionen, welche Kämpfer im Boxsport einnehmen können; ist man Linkshänder, stellt man sich in rechtslastiger "Southpaw"-Lage vor seinen Gegner, um im entscheidenden Moment mit einem linken Haken einen wirksamen Treffer landen zu können. Dass der neue Film von Antoine Fuqua einen solch technischen Titel trägt, ist bezeichnend, hat sich Fuqua in der Vergangenheit doch einen Namen als handwerklich geschickter, schnörkelloser Genre-Regisseur vom Schlag eines Robert Aldrich oder Don Siegel gemacht, als dezenteres, weniger schrilles Pendant zum Action-Zampano Michael Bay. Fuqua, obschon weit entfernt davon, zu Hollywoods Besten zu gehören, ist verantwortlich für eine Handvoll solider Filme mit anregend geradliniger Inszenierung und beachtlicher Schauspielführung (Training Day, The Equalizer); anders als Bay oder Ronald Emmerich hat er sich in seinem Schaffen noch nicht dem Blockbuster-Zynismus ergeben.

So wirkt auch das Wiederaufgreifen des Kampfsport-Comebacks in Southpaw, wie man es etwa aus Raging Bull, Ali, Cinderella Man oder The Wrestler kennt, nicht wie ein billiger Griff in die Plot-Mottenkiste Hollywoods, sondern wie eine aufrichtige Bestätigung. Es stimmt zwar: Gesehen hat man im Grunde schon alles. Man ist nicht überrascht, als Halbschwergewichts-Weltmeister Billy Hope (Jake Gyllenhaal), nachdem seine Frau Maureen (Rachel McAdams) von einem Mitglied der Entourage eines Gegners versehentlich erschossen wird, noch einmal ganz unten anfangen muss. Im Laufe einer akuten Depression verliert er Lizenz, Manager, Haus und sogar das Sorgerecht für seine Tochter Leila (Oona Laurence mit einer unsteten Darbietung). Erst durch die Begegnung mit dem ehemaligen Profi Tick Wills (Forest Whitaker – die Definition einer grossartigen "supporting" Performance), der mittlerweile ein Boxstudio für Kinder und Jugendliche in einem Problemviertel New Yorks leitet, erhält sein Leben wieder Struktur.

"Raging Bull": Boxer Billy Hope (Jake Gyllenhaal, links) muss sein Leben ausserhalb des Rings in den Griff bekommen.
© Ascot Elite Entertainment Group
Sonderlich spannend klingt das alles definitiv nicht, zumal Kurt Sutters Drehbuch mit seinen unrealistisch perfekt getimten, bisweilen fast ein wenig an den Haaren herbeigezogen wirkenden Ereignissen und Wendungen niemals Zweifel darüber aufkommen lässt, dass man sich in einer formeltreuen Mainstream-Produktion befindet. Hier jedoch machen sich Fuquas unbestrittene Regie-Fähigkeiten bemerkbar. Von der wohl milieukonformen Sexualisierung fast aller weiblichen Figuren – die ostentativ tiefen Ausschnitte evozieren Bays Pain & Gain – und dem stellenweise bizarren Gebrauch von Zeitlupe, leistet er sich nur wenige Ausrutscher. Wird Southpaw emotional von einem einmal mehr hervorragend aufspielenden Jake Gyllenhaal getragen, verwandelt Fuqua den leidlich bekannten Kurs der Handlung mit der Unmittelbarkeit und der intensiven Körperlichkeit seiner Inszenierung, mit dem Sinn für die zügellose Dramatik der Affiche, die in einem mitreissenden Endkampf kulminiert, in pure Genre-Unterhaltung. Mit der richtigen Umsetzung machen eben auch die klischeehaftesten Geschichten noch Spass. Sonst wären sie ja keine Klischees.

★★★

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