Donnerstag, 13. Dezember 2012

Seven Psychopaths

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Rohe, lakonisch vorgetragene, emotional aufgeladene Gewalt ist die Spezialität des irisch-britischen Auteurs Martin McDonagh. In Seven Psychopaths, seinem zweiten Langspielfilm, treibt er seinen Stil zwar über die Schmerzgrenze, liefert aber eine doppelbödige Begründung gleich mit.

Fernab vom heimischen Irland fristet Marty (Colin Farrell) ein unbefriedigendes Dasein als ideenloser Hollywood-Drehbuchautor. Sein neues Projekt sollte schon bald fertig sein, doch bis auf den Titel "Seven Psychopaths" ist sein Notizblock leer geblieben. Als sein hyperaktiver Freund Billy (Sam Rockwell) ihm helfen will, überschlagen sich die Ereignisse: Zuerst melden sich auf eine Zeitungsannonce hin plötzlich allerlei Psychopathen bei Marty, darunter der melancholische Zach (Tom Waits); dann gerät er auch noch ins Visier des organisierten Verbrechens. Um sich ein bisschen Geld zu verdienen, haben Billy und der Pazifist Hans (Christopher Walken) nämlich angefangen, Hunde zu entführen, nur um sie wenige Tage später zurückzubringen und den Finderlohn einzustreichen. Ihr neuestes Opfer gehört aber dummerweise dem irren Gangster Charlie (Woody Harrelson), der nichts unversucht lässt, sein geliebtes Hündchen nach Hause zu holen. Immerhin beschert das blutige Durcheinander Marty mehr als genug Stoff für sein Drehbuch...

Im Bühnenstück The Lieutenant of Inishmore führt ein letztendlich sinnloser Streit um eine überfahrene Katze zu vier Toten. Im oscarprämierten Kurzfilm Six Shooter treibt ein junger Mann eine Frau, die gerade ihr Baby verloren hat, mit seinen Witzen in den Selbstmord. In der Tragikomödie In Bruges lassen unter anderen ein betendes Kind und ein kleinwüchsiger Schauspieler ihr Leben. Geht es um den Tod, kennt Martin McDonagh keine Kompromisse, auch nicht in Seven Psychopaths. Doch während in seinen anderen Werken die Gewalt zumeist einem höheren Zweck diente – politischer Satire, griechisch angehauchter Schicksalstragödie –, erscheinen die Exzesse in seinem neuen Film zunächst ungewohnt gehässig: Menschen werden abgestochen, niedergeschossen und angezündet; das Morden ist – wie es sich im Grunde auch gehört – stellenweise höchst unangenehm, doch nach einer Rechtfertigung sucht man während der ersten 45 Minuten praktisch vergeblich.

Marty (Colin Farrell, l.), Billy (Sam Rockwell, M.) und Hans (Christopher Walken) fliehen in die Wüste, um einem irren Gangster zu entgehen.
Doch auf eine mitunter unbehagliche, wenngleich hervorragend gemachte und überaus gewitzt geschriebene erste Hälfte folgt eine faszinierende zweite Hälfte, welche dem Ganzen eine Perspektive gibt. Denn nachdem sich in Hollywood die Leichen aufzutürmen beginnen, flüchten Marty, Billy und Hans in die Wüste, wo sich die wahre Natur des Films offenbart: Seven Psychopaths ist, ähnlich wie etwa Spike Jonzes Adaptation, ein vielschichtiger Meta-Kommentar über das Kino und seine Genres. Während Marty, offenkundig ein Alter Ego des Regisseurs, mit den Konventionen brechen und seine Figuren auf dem Höhepunkt einfach von dannen ziehen lassen will, fordert Billy ein klassisches Action-Ende mit spritzendem Blut und explodierenden Köpfen. Damit steigert McDonagh die anfänglich gezeigte Gewalt nicht nur ins Lächerliche; er relativiert sie, indem er praktisch zugibt, dass Seven Psychopaths eben doch nur ein Film ist.

Und in diesem Wissen lassen sich die vielen Qualitäten des Streifens auch leichter geniessen: der stimmige Americana-Soundtrack (Hank Williams, Josh T. Pearson, Deer Tick, The Felice Brothers); die urkomischen Abschweifungen der Charaktere; die bis in die Nebenrollen (Michael Stuhlbarg, Michael Pitt, Harry Dean Stanton) grossartig aufspielenden Darsteller. Wobei vor allem Christopher Walken mit seiner grössten Rolle seit Jahren in Erinnerung bleiben wird: Mit seiner exzentrischen Art, seinen Text vorzutragen bildet er das humoristische, mit seinen feinen Zwischentönen, welche in einem tiefempfundenen Schlussmonolog über Gewalt und Frieden kulminieren, das emotionale Zentrum von Seven Psychopaths, einer kuriosen, kruden, gewalttätigen Meta-Meditation, deren Gesamtwert sich wohl erst nach mehrmaligen Visionierungen erschliessen lassen wird.

★★★

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