Montag, 14. Januar 2019

Cómprame un revólver

Im Mexiko der nicht allzu weit entfernten Zukunft hat die Regierung den Kampf gegen die brutalen Drogenkartelle verloren. Die Macht liegt in den Händen lokaler Gruppierungen und Banden. Die Menschen, insbesondere die Frauen, sind in Scharen geflohen, sodass das Land inzwischen fast nur noch von Männern bewohnt wird.

In diesem Umfeld wächst Huck (Matilde Hernández Guinea) auf, die Tochter eines drogenabhängigen Baseball-Platzwartes (Rogelio Sosa), dessen Leben davon abhängt, sein Spielfeld für die Besuche eines hiesigen Kartell-Trupps instand zu halten. Doch sie ist nicht allein in dieser von Gewalt dominierten Welt: Neben ihrem Vater sind auch ihre drei besten Freunde an ihrer Seite – Meister der Tarnung, die davon träumen, sich mit einem selbstgebastelten Katapult an den Gangs zu rächen.

Es schwirren viele anregende Ideen in Julio Hernández Cordóns Cómprame un revólver herum. In bemerkenswerten Bildern vermengt das märchenhaft-dystopische Drama Politik- und Gesellschaftskritik mit Coming-of-Age-Elementen und diversen Anlehnungen an Kultwerke wie Star Wars, Mad Max und Mark Twains Huckleberry Finn.

Was fehlt, ist ein roter Faden, eine Richtung, ein Konzept. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, dass Hernández Cordón hier mit dem ungezügelten Elan des jungen Debütanten ans Werk geht, dem mehr an Einprägsamkeit als an Stringenz gelegen ist. Doch der US-Amerikaner mexikanisch-guatemaltekischer Abstammung ist 43 Jahre alt, legte seinen ersten Langspielfilm (Gasolina) 2008 vor und drehte seither, einschliesslich Revólver, weitere sechs Filme.

So besticht sein neuestes Werk mehr mit Einfallsreichtum als durch erfülltes Potenzial. Momente wie der Drohnen-Kameraflug über ein Gelände voller papierner "Leichen", Figuren wie der enigmatische Bandenführer und tragische Details wie die Tatsache, dass Huck von ihrem liebenden Vater angekettet werden muss, um nicht entführt zu werden, hinterlassen einen starken Eindruck, wollen sich aber nicht so recht zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen.

Huck (Matilde Hernández Guinea) lebt in einem von Kartellen regierten Mexiko.
© Outside the Box
Vielmehr wirkt Revólver, trotz seines zeitlich straffen Erzählrahmens, wie eine Abfolge mehr oder weniger eigenständiger Szenarien, welche im Laufe des Schreibprozesses zu einer aneinander anknüpfenden Kette von Plot-Elementen umgearbeitet wurden. Das macht das Ganze zwar angenehm unvorhersehbar, ist in letzter Konsequenz aber auch ein wenig enttäuschend: Gerade der letzte Akt ist die Geschichte spannender, aber allzu schnell wieder verworfener Ansätze; dem Ende fehlt es wegen der losen Zusammensetzung des Vorangegangenen – und des bisweilen verwirrend erratischen Schnitts – an narrativer und emotionaler Kraft.

Hernández Cordóns Versuch, sich der Kartell-Problematik auf unkonventionelle Art und Weise zu nähern – fernab von Narcos (2015–2017), Sicario (2015) und Cartel Land (2015) –, verdient Anerkennung, ebenso die einnehmende Darbietung von Matilde Hernández Guinea. Dabei bleibt es aber auch, weil Cómprame un revólver zwar zahlreiche vielversprechende Türen aufstösst, sich aber durch keine hindurch zu wagen scheint.

★★★

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