Donnerstag, 21. Januar 2016

The Peanuts Movie

"Dear Friends. I have been fortunate to draw Charlie Brown and his friends for almost 50 years. It has been the fulfillment of my childhood ambition. Unfortunately, I am no longer able to maintain the schedule demanded by a daily comic strip, therefore I am announcing my retirement. I have been grateful over the years for the loyalty of our editors and the wonderful support and love expressed to me by fans of the comic strip. Charlie Brown, Snoopy, Linus, Lucy…how can I ever forget them…."

So lautete die Botschaft, die Peanuts-Schöpfer Charles M. Schulz in seinem letzten originalen Tages-Strip, erschienen am 3. Januar 2000, an seine Leser richtete. Fünf Wochen später starb er an Krebs, im Alter von 77 Jahren. Eine Ikone der amerikanischen Nachkriegs-Popkultur verabschiedete sich – zurück blieben fast 18'000 Comics, vier Filme und 38 TV-Specials, allesamt entstanden unter der kreativen Aufsicht des 2008 verstorbenen Animators Bill Melendez.

Unmöglich also, diesem wohl einzigartigen Phänomen unvoreingenommen entgegenzutreten – sowohl als Zuschauer als auch als Produzent. Dessen waren sich die Schulz-Nachfahren Craig und Bryan, die zusammen mit Cornelius Uliano das Drehbuch verfassten, sowie Regisseur Steve Martino (Horton Hears a Who!, Ice Age: Continental Drift) augenscheinlich bewusst: The Peanuts Movie – der erste Peanuts-Langspielfilm seit Bon Voyage, Charlie Brown (and Don't Come Back!!) aus dem Jahr 1980 – ist in erster Linie grosszügig budgetierte Denkmalpflege.

Das ist nichts Neues im filmischen Peanuts-Universum, wo die Missgeschicke von Charlie Brown gerne als nostalgische, einfach zu vermarktende Hommage an eine unbeschwerte Kindheit inszeniert werden. Dass dies eigentlich am Kern des Comics vorbei zielt, ging im Laufe der Boom-Jahre, welche die Franchise spätestens ab den späten Sechzigerjahren erlebte, ein wenig vergessen. Schulz, wie etwa eine Astrid Lindgren, wurde in gewisser Hinsicht zum Opfer des eigenen Erfolgs: So wie sich Lindgren plötzlich in der Rolle der schwedischen "Grossmutter der Nation" wiederfand, wurde Schulz von seinem ihm treu ergebenen Publikum – in den besten Absichten – zum ungekrönten Meister der unschuldigen Americana erhoben.

Charlie Brown (Stimme: Noah Schnapp) will das kleine rothaarige Mädchen beeindrucken, braucht von seinem Hund Snoopy aber jede Menge Hilfe.
© 2014 Twentieth Century Fox Film Corporation
Keine Frage, dieser Aspekt ist präsent in seinem Werk, weshalb es auch nichts als legitim ist, ihn in filmischer Form hervorzuheben. Melendez' Arbeit hat zu Recht Klassiker-Status erlangt; und auch Martinos Film dürfte mit seiner einfachen Geschichte, in welcher der glücklose Charlie Brown (Stimme: Noah Schnapp) mit Hilfe seines treuen Hundes Snoopy wieder einmal um die Gunst des "kleinen rothaarigen Mädchens" (Francesca Angelucci Capaldi) kämpft, und seiner charmant simplen CGI-Animation das Herz jedes eingefleischten Peanuts-Fans erwärmen.

Doch Schulz war auch immer mehr als das, wofür er vom Mainstream verehrt wurde. Seine Kinder-Figuren waren nicht – oder zumindest nicht immer – dazu da, der unschuldigen Romantik der Kindheit zu huldigen. Vielmehr dienten sie nicht selten als Zerrspiegel, in dem erwachsene Zeitungleser sich selbst, ihre Alltagsfrustrationen, ihr Hadern mit den Fährnissen des Lebens wieder erkannten. Gerade in den frühen Jahren des Strips war Charlie Brown ein durch und durch tragischer Antiheld, der oft grundlos dem Hohn seiner sogenannten Freunde ausgesetzt war. Sein erster Auftritt, im Peanuts-Debütstrip vom 2. Oktober 1950, endete mit der Pointe "Good ol' Charlie Brown… How I hate him!". Unter den lustigen Anekdoten über Drachen fressende Bäume, weggezogene Footballs, ewig fallierende Baseball-Mannschaften und einen Hund, der beliebter ist als Charlie selbst, verbargen sich stets düstere Motive wie menschliche Grausamkeit, Fatalismus, Depression und Lebensüberdruss. Wer Peanuts liest, sollte nicht vergessen, dass Schulz einen Fanbrief einmal mit der Zeichnung einer seiner Figuren beantwortete, in deren Kopf eine Axt steckte.

Diese Dimension von Schulz' Schaffen ist letztlich das Primat des gedruckten Comics geblieben, während Melendez, wohl auch unter dem Eindruck des öffentlichen Rufs des Quellenmaterials, vor allem die harmonischere Seite der Peanuts virtuos in Szene setzte. Martino bewegt sich eindeutig in dieser Tradition: The Peanuts Movie ist bunt und unterhaltsam; die häufig tiefenlos gezeichneten Schauplätze von Schulz und Melendez wurden vom Kreativteam in eine idyllische Vorstadt-Nachbarschaft verwandelt.

Wenn Charlie Brown alleine zurecht kommt, schlüpft Snoopy in die Rolle eines Fliegerasses aus dem Ersten Weltkrieg.
© 2014 Twentieth Century Fox Film Corporation
In episodischen, kurzweiligen 88 Minuten – eine Standard-Laufzeit, die vor allem dank einer Reihe allzu ausgedehnter Szenen, in denen Snoopys Weltkriegs-Alter-Ego Jagd auf den Roten Baron macht, erreicht wird – berufen sich Martino, Uliano, Schulz und Schulz auf den bestehenden Peanuts-Kanon und konfrontieren Charlie Brown und Snoopy mit Slapstick-Komik und Situationen, welche der Franchisen-Tradition durchaus gerecht werden. Charlie versucht sich bei einer Schul-Talentshow als Magier; um das kleine rothaarige Mädchen zu beeindrucken, lernt er tanzen; eine Prüfung hat einen für ihn höchst überraschenden Ausgang – derweil Snoopy auf spektakuläre Weise seinen Eistanz aus dem legendären A Charlie Brown Christmas (1965) neu auflegt.

The Peanuts Movie ist es gelungen, den Charme von Schulz' Kreation neu aufleben zu lassen. Gerade die optimistische Moral – dass es sich lohnt, ein guter Mensch wie Charlie Brown zu sein – entspricht ganz dem grundsätzlich humanistischen Geist der Peanuts. Und auch wenn der Film niemals die existenzielle Tiefe erreicht, die Schulz dieser Philosophie abgewinnen konnte – die ernüchternd realistische Erkenntnis, dass in aller Regel Undank eben doch der Welten Lohn ist –, so trägt er immerhin seinen Teil zur Erhaltung der Peanuts als aussergewöhnliches Kulturgut bei.

★★★

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