Donnerstag, 6. Februar 2014

Enough Said

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Es sind die Themen des mittleren Alters – Scheidung, Kinder, die das Nest verlassen, die Neubewertung der eigenen Lebensziele, neue Liebe – welche Regisseurin Nicole Holofcener in Enough Said umtreiben. Ihr Film hat Charme und mitunter auch Witz, ist aber insgesamt nicht weiter bemerkenswert.

Wäre Holofceners vierter Film nicht mit einem dermassen guten Cast ausgestattet – Julia Louis-Dreyfus, Toni Collette, Catherine Keener und natürlich der im Sommer 2013 überraschend verstorbene James Gandolfini in seiner zweitletzten Rolle –, böte sich dem Zuschauer wohl ein wenig begeisterndes Bild. Ja, selbst mit dieser hochkarätigen Besetzung sind die Risse und Unzulänglichkeiten in Holofceners (überraschenderweise mehrfach preisgekröntem) Drehbuch nicht zu übersehen. In einem besseren Sitcom-Plot lässt sie die geschiedene Masseuse Eva (Louis-Dreyfus) auf den sympathischen, ebenfalls geschiedenen Albert (Gandolfini) treffen, dessen Ex-Frau (Keener, die bislang in allen von Holofceners Filmprojekten zu sehen war), eine Klientin von Eva, nur Verachtung für ihn übrig hat, wodurch Eva zu hinterfragen beginnt, ob sie sich wirklich auf eine Beziehung mit ihm einlassen soll.

Als zusammenhängendes Ganzes vermag Enough Said nicht so recht zu überzeugen, weniger noch als so mancher Eintrag ins Mumblecore-Genre, dessen Hang zur Dialog-Improvisation, zu unangenehmen Gesprächspausen sowie zum erzählerischen Minimalismus auch hier merklich mitschwingt. (Angesichts der nicht selten desorientierenden Montage scheinen auch dessen notorisch niedrige Produktionswerte einen Einfluss gehabt zu haben.) Viele von Holofceners Dialogen, mit ihren (zunächst) zärtlich-lakonischen Neckereien im Stile von Lynn Sheltons Your Sister's Sister und dem beinahe resignierten Seufzen über den erwachsenen Alltag wie in Jennifer Westfeldts Friends with Kids, sind durchsetzt von amüsanten, bisweilen auch bissigen Einzeilern ("I find that I don't like younger people"), welche, von einigen Fehltritten ins Profane ("She's got no cellulite!") abgesehen, der unliebsamen Thematik der Midlife-Crisis sowohl mit Humor als auch mit einer Prise Wehmut begegnen.

Eva (Julia Louis-Dreyfus) lernt den sympathischen Albert (James Gandolfini) kennen, dessen Ex-Frau ihn als abstossendes Ekel bezeichnet.
© cineworx
Doch das Problem, das sich stellt, ist das der Figurenzeichnung. Während sich selbst schwächere Mumblecore-Produktionen oftmals durch hervorragend realisierte Figuren auszeichnen – ganz nach Mike Leighs Philosophie, dass ein Auteur seine Kreationen zusammen mit seinen Darstellern entwickeln sollte –, dominieren in Enough Said die eher flachen Charakterisierungen; die Eigenarten der Figuren wirken kaum je natürlich. Holofcener bürdet ihrer Protagonistin hölzerne Selbstgespräche und vage Schrullen auf, welche eher zu Julia Louis-Dreyfus' Rolle in der satirischen Fernsehserie Veep denn zu ihrer Eva passen würden. James Gandolfini muss sich indes damit begnügen, dass sich das Drehbuch nie definitiv entscheiden kann, ob es ihn feiern oder seine Angewohnheiten verurteilen soll; Toni Collette damit, dass ihre Figur, Evas beste Freundin, keine weiteren Facetten als die der impulsiv-neurotischen Australierin erhalten zu haben; derweil Catherine Keener stets eine eindimensionale Nörglerin bleibt. Aber genau hier zeigt sich letztendlich, wie sehr Holofcener von ihrem vorzüglichen Cast profitiert: Dank ausnahmslos gelungener, würdevoller, im Rahmen der (Skript-)Möglichkeiten nuancierter Darbietungen – Glanzlicht: "Soprano" Gandolfini – vermögen mittelmässige Witze plötzlich zu unterhalten, zweifelhafte Wendungen zu überzeugen, Dialog-Plattitüden zu berühren. So wird Enough Said zwar nicht zu einem begeisternden Film, wohl aber zu einer bekömmlichen Ansammlung von reizvollen Momenten.

★★★

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