Sonntag, 17. März 2013

This Is 40

Der Stern des Judd Apatow ging auf, als die amerikanischen Komödie drohte, in ihrem Zweiklassensystem zu verharren, als der Markt von trivialen Nettigkeiten und geschmacklosen Machwerken bestimmt wurde. So schien denn auch die Unverfrorenheit eines Films wie The 40-Year-Old Virgin einer kleinen Revolution gleichzukommen. Sieben Jahre und drei Regiearbeiten später ist von Apatows Heilsverkündung nicht mehr viel übrig. In This Is 40 zerbricht sie endgültig.

Die Ehe von Pete (Paul Rudd) und Debbie (Leslie Mann, Apatows Ehefrau) ist schon lange zur Routine geworden. Romantik ist ein Luxus, der Valentinstagen und Wochenendausflügen vorbehalten ist; die streitenden Kinder Charlotte und Sadie (Iris und Maude Apatow – Schauspieltalent: Fehlanzeige) werden sich selber überlassen; er bemüht sich, authentische Künstler für sein Plattenlabel zu gewinnen, während sie ihren Modeladen nach bestem Wissen und Gewissen führt. Als für die beiden jedoch innerhalb einer Woche der 40. Geburtstag ansteht, bricht das Chaos aus: Debbie will sich ihr Alter nicht eingestehen, besteht auf 38 Kerzen auf dem Kuchen und zwingt den ganzen Haushalt dazu, sich gesünder zu ernähren und weniger Zeit vor den elektronischen Geräten (allesamt von Apple) zu verbringen. Derweil kämpft Pete gegen den finanziellen Bankrott.

Vieles in This Is 40 ist reine Formalität: die Namen, die Schauplätze, die Tatsache, dass es der Film tunlichst vermeidet, den Nachnamen der Familie preiszugeben, mit der sich der Zuschauer 133 Minuten lang identifizieren soll. Denn Pete ist nichts anderes als ein Stellvertreter für Judd Apatow, Frau und Kinder werden von den Leuten gespielt, mit denen der Regisseur sein Leben teilt, das prunkvolle Vorstadthaus der Sippe ist einen Steinwurf von Apatows realer Residenz entfernt. Wäre der Film ehrlich mit sich selbst und seinem Publikum, würde der Name "Apatow" weit mehr als nur den Grossteil seines Abspanns schmücken.

Stattdessen tarnt sich der Streifen als raffinierte, lebensnahe Komödie über das Phänomen der Midlife Crisis – so wie The 40-Year-Old Virgin Sex und Gruppendruck unter die Lupe nahm, Knocked Up Schwangerschaft, Funny People Beruf und Tod. Doch der neueste – und hoffentlich letzte – Eintrag in Apatows Quadrilogie des begüterten weissen Mittelschichtlebens ist der traurige Höhepunkt einer Filmreihe, die mit jedem Film, scheinbar analog zu jeder weiteren Million an den Kinokassen, aufgeblähter und selbstgerechter wurde.

Midlife Crisis zum Ersten: Debbie (Leslie Mann) will, dass sich ihre Familie gesünder ernährt.
© Universal Pictures
Die Komödie Marke Apatow, eine seltsame Mischung aus Mumblecore, Frat-Comedy und popkulturellen Anspielungen und Namensnennungen, fällt in This Is 40 buchstäblich in sich zusammen. Ja, sie hört in ihrem penetranten Möchtegern-Postmodernismus sogar auf, Komödie zu sein. An die Stelle von Pointen und gewitzten Dialogen treten angesagte Komiker wie Melissa McCarthy, Jason Segel und Chris O'Dowd, die in ihren improvisierten Monologen ohnehin zweifelhafte Gags ins Unerträgliche strecken. Banale Alltäglichkeiten wie der Anblick Petes in voller Radfahrermontur werden zum Humorelement erhoben. Die Geschmacklosigkeiten, vor einigen Jahren noch frisch und unverbraucht, sind mittlerweile zu drögen Kindereien verkommen.

Als noch schlimmer stellt sich jedoch die Familie Apatow B heraus: Nicht genug damit, dass die einzelnen Figuren unsauber charakterisierte, überkarikierte Neurotiker sind, denen jegliche menschliche Dimension zu fehlen scheint; Debbie und Pete gehören ihrerseits zu den unausstehlichsten Protagonisten seit Ashton Kutcher und Cameron Diaz in What Happens in Vegas.... Die seufzende, japsende, mit görenhaft-nasaler Stimme "Oh my God" schreiende Leslie Mann ist nicht viel mehr als ein verzogener Teenager im – von Apatow hart an der Grenze zum Sexismus in Szene gesetzten – Körper einer Vierzigjährigen. Ihrer nicht enden wollenden Nörgelei allein ist es zu verdanken, dass Pete zumindest anfänglich wie ein passabler Charakter wirkt – bis er, auf dem Rücken liegend, versucht, Fotos von seinen Hämorrhoiden zu schiessen.

Midlife Crisis zum Zweiten: Trotz Debbies Spardiktat finanziert Pete (Paul Rudd, links) weiterhin seinen Vater (Albert Brooks).
© Universal Pictures
Knapp 100 Minuten lang hält der schnoddrig geschnittene Film diesen Fokus aus. Dieser verlagert sich mit der Ankunft des klimaktischen Geburtstagsfestes auf die unzähligen Nebenfiguren, welche Apatow einzig dem Zweck zu dienen scheinen, der Welt seinen Bekanntenkreis vorzuführen: Ein unnötiger Cameo jagt den nächsten, von der praktisch unsichtbaren Lena Dunham zur verzweifelten Megan Fox, die sich nun vollends der Selbstparodie ergeben zu haben scheint. Einzig den Vätern von Pete und Debbie, gespielt von Albert Brooks und John Lithgow, gelingt es, dem Schlamassel mit einigermassen intakter Würde zu entkommen. Zwar finden die beleidigenden Humorversuche in dieser starbesetzten letzten halben Stunde endlich ein Ende, werden aber bloss durch die blanke Langeweile künstlich verlängerter Handlungsstränge ersetzt.

Apatow verdankt seine Popularität einem glücklichen Zufall. Zu einer Zeit, in der Hollywoods Komödien gegen eine Krise zu kämpfen hatten, erschien sein Stil mutig und neu. Inzwischen aber ist dieser in eben jene Form degeneriert, deren Platz er einst hätte einnehmen sollen. This Is 40 schlägt in jeder Hinsicht über die Stränge. Es ist ein verabscheuungswürdiger Film, der die Handschrift eines Regisseurs trägt, dessen Selbstbewusstsein mittlerweile in Megalomanie übergegangen ist, der der Auffassung ist, dass sein Publikum alles akzeptiert, was er ihm vorsetzt. Bleibt zu hoffen, dass er sich irrt.

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