Samstag, 4. Oktober 2008

Son of Rambow

4 Sterne

Es gibt Ereignisse, deren enorme Folgen man gar nicht abschätzen kann. Das Konzert der Sex Pistols am 4. Juni 1976 war so ein Ereignis. Die Ermordung von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 ein anderes. Oder eben die Premiere von First Blood am 22. Oktober 1982. Viele Menschen - darunter auch eine Menge Jugendliche - sahen die Gewaltorgie und fingen an, sich für das Kino zu begeistern. Zu ihnen gehörte auch Garth Jennings (Jahrgang 1972), der als 11-Jähriger in den Genuss des ersten Rambo-Streifens kam. Nun drehte er einen Film, dessen Hauptfiguren ähnliche Gefühle für den Klassiker hegen wie er - pure Begeisterung.

Garth Jennings kennt man vielleicht von seiner ersten Regiearbeit - The Hitchhiker's Guide to the Galaxy - und bei Son of Rambow spinnert der Brite nahtlos weiter. Der renomierte Videoclipregisseur (Clips für Radiohead, Beck, Blur, R.E.M., Fatboy Slim und Badly Drawn Boy) reiht in seinem zweiten Kinofilm - besonders im ersten Teil - verrückte Szene an verrückte Szene und spielt auch mit Stilelementen wie gezeichnete Einschübe ins richtige Leben. Das von ihm verfasste Drehbuch ernthält auch einige gute bis sehr gute Dialoge und witzige Einfälle, krankt aber an der Unsicherheit, wie mit der ernsten Komponente von Son of Rambow umgegangen werden soll. So sind die Löcher in der Handlung immer dann am grössten, wenn von Komik zu Tragik gewechselt wird. Enstsprechend wird es einem im letzten Drittel des Films etwas zuviel. Dort überwiegt nämlich das Drama, doch trotzdem bleibt der Humor enthalten.
Son of Rambow erinnert in gewisser Weise an die Hollywood-Produktion Be Kind Rewind, denn auch hier wird das Selbermachen besungen. Es wird gezeigt, wozu die Fanatsie der Menschen - insbesondere von Kindern - fähig ist. Gleichzeitig wird Garth Jennings' Film den 80er-Jahren mehr als gerecht. Es wird ein akkurates Profil der Gesellschaftsverhältnisse im ländlichen England erstellt - die ersten Auswirkungen der Thatcher-Regierung und die Stellung der Religion sind Themen, die sehr sorgsam behandelt werden.
Und mittendrin befinden sich zwei Jungs, die, bewaffnet mit einer Videokamera, den Film First Blood nicht bloss nachstellen, sondern eine Fortsetzung davon drehen wollen. Der Sohn von Rambo soll darin mithilfe von Colonel Trautman den eingekerkerten Rambo befreien. Die beiden aufgestellten Bürschchen werden von den talentierten Schauspielern Bill Milner und Will Poulter dargestellt. Sie wirken glaubwürdig und nerven den Zuschauer zu keiner Zeit, was heutzutage für Jugendschauspieler bereits ein Talentausweis ist. Die restlichen Akteure sind zwar grösstenteils unbekannt - Jessica Stevenson könnte man aus Shaun of the Dead kennen, wo sie in einer sehr kleinen Rolle zu sehen war - glänzen aber dennoch in ihren teils doch sehr anspruchsvollen Rollen.
Das Hauptaugenmerk ist in Son of Rambow ganz klar auf die Freude an Amateurfilmen gerichtet. Bill Milner und Will Poulter - quasi die einzigen festen Grössen im Film, die restlichen Figuren tauchen nur sporadisch auf - vermitteln dem Zuschauer diese Message mit sehr viel Charme. Auch lassen sich immer mal wieder capraeske Ansätze entdecken. Die Kraft von Freundschaft und Liebe, die Leichtgläubigkeit als Tugend oder die Verehrung des Alltäglichen und Einfachen sind Elemente, die man schon in Klassikern wie Mr. Smith Goes to Washington oder You Can't Take It With You gesehen hat. Mit derartigen Einschüben offenbart Garth Jennings mit viel Bescheidenheit ein grosses Filmwissen, das man besonders bei jüngeren Regisseuren sehr gerne sieht.

Leute, die in den 80er-Jahren aufgewachsen sind oder diese Dekade schon im Erwachsenenalter miterlebten, werden an Son of Rambow sicherlich ihre Freude haben. Man wird nostalgisch, wenn man sieht, welche Werte und Alltagsfreuden vor 25 Jahren noch galten. Vom filmischen Standpunkt aus muss allerdings gesagt werden, dass aus Son of Rambow mehr hätte herausgeholt werden können. Das Drehbuch ist etwas zu unstet und die Handlung vollführt hie und da ein paar Bocksprünge, doch trotzdem hat Garth Jennings eine charmante und bescheidene Tragikomödie gedreht, die uns allen zeigt, dass die gut gemeinten Low-Budget-Produktionen halt immer noch die besten sind.

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