6 Sterne
Was haben Brügge und Martin McDonagh  gemeinsam? Kaum jemand kennt sie. Und das darf nicht so bleiben! Brügge  ist eine wunderschöne belgische Stadt mit 100'000 Einwohnern, Martin McDonagh ein oscarprämierter Regisseur (Oscar 2006 in der Kategorie "Best Short Film, Live Action" für Six Shooter). Mit In Bruges  ist dem Iren hoffentlich endgültig der Durchbruch gelungen, denn sein  erster Langspielfilm ist ein meisterhafter Film, der geschickt mit den  Gefühlen des Zuschauers spielt. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass In Bruges ein Film ist, dem alles gelingt, was Quentin Tarantino nie gelungen ist. Er ist cool, witzig, aber dennoch gehaltvoll.
Gewalt, Humor, Dramatik und Absurdität sind Begriffe, die in In Bruges  zu einem einzelnen, noch nie dagewesenen Genre verschmelzen.  Dialogwitz, Theaterelemente, Shakespear'sche Twists und rohe  Gewaltszenen reihen sich hier aneinander und ergeben schlussendlich  einen nahezu perfekten Film. Es ist sinnlos, hier objektiv zu bleiben. In Bruges ist der Inbegriff eines gelungenen Films. Die Schauspielleistungen sind berauschend - Ralph Fiennes und Brendan Gleeson zeigen einmalige Leistungen, die man allerdings in der Zwischenzeit von ihnen gewohnt sein dürfte. Schlichtweg überragend ist Colin Farrell,  den man noch nie besser gesehen hat und den man wohl nie mehr besser  sehen wird. Er lebt Ray und ist in jeder noch so dramatischen Szene  überzeugend und Herr der Lage. Jeder einzelne Schauspieler verkörpert  seine Rolle perfekt. Jede Figur ist hervorragend ausgearbeitet und  unglaublich kompliziert - es wäre ohne weiteres möglich, über jede Figur  einen eigenen Film zu drehen. Der Film dreht sich zwar vor allem um Gleeson und Farrell, doch trotzdem geht bei diesem Duo die geniale Performance von Ralph Fiennes nicht unter, der den chloreischen Harry mit viel Herzblut spielt.
Und  wenn die Schauspieler hervorragend spielen, kann man sich als Zuschauer  auch an dem brillant geschriebenen Drehbuch erfreuen, wo beinahe in  Machine-Gun-Dialogue-Manier sehr lustige, aber teilweise auch sehr derbe  Witze gerissen werden. Überhaupt ist In Bruges  allzu feinfühligen Leuten nicht zu empfehlen, da doch sehr viel Blut  fliesst und dies auch explizit zu sehen ist. Allerdings muss zur  Verteidigung des Films gesagt werden, dass jeder Tote einen Sinn hat.  Hier werden nicht der Unterhaltung zuliebe wahllos Leute abgeschlachtet,  sondern jeder einzelne Schuss trägt seinen Teil zur überwältigenden  Symbolkraft von In Bruges bei. Präsentiert Martin McDonagh  Brügge zunächst noch als malerisches Touristenstädtchens, kippt der  Eindruck des Ortes in der zweiten Hälfte des Films, wo das Düstere und  Bedrohliche, das Mittelalterliche hervorgestrichen wird.
Wer in  Filmgeschichte einigermassen bewandert ist, wird sich mit Schaudern an  Filme erinnern, die in der Hälfte von Komödie zu Drama übergelaufen sind  (Good Morning, Vietnam ist ein Musterbeispiel). In Bruges  ist in dieser Beziehung die willkommene Ausnahme von der Regel. Es  lässt sich zwar genau feststellen, wo das Dramatische Überhand nimmt,  doch kein Akt des Films ist nur komisch oder nur tragisch. Es herrscht  immer eine genaue Balance zwischen den beiden Tönen.
Abschliessend  zu loben ist auch der Soundtrack. Die Orchesterstücke, die sanften  Lieder und die paar moderneren Songs verbinden sich perfekt mit den  Bildern - besonders beeindruckend ist das Bild des leeren, morgendlichen  Brügges, begleitet von Andreas Schmidt, der ein Klavierlied von Schubert zum Besten gibt.
In Bruges  ist ein Meisterwerk, wie man es selten gesehen hat. Der Film besticht  durch brillantes Schauspiel, knackige und spassige Dialoge und ein  Finale, welches man so schnell nicht vergisst. Martin McDonagh  hat eindeutig den Film des Jahres gemacht. Man kann es drehen und  wenden, wie man will, Komödie und Drama wurden selten so gelungen  vermischt.
 
 
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