Sonntag, 25. Januar 2009

Gran Torino

Walt Kowalski (Clint Eastwood, rechts) will, dass aus Thao (Bee Vang) etwas wird, deshalb erklärt er ihm alles,
was er wissen muss, um auf dem Bau zu arbeiten.

6 Sterne

Der amerikanische Filmgigant Clint Eastwood hat durchblicken lassen, dass er in seinem neuesten Film, Gran Torino, zum letzten Mal vor der Kamera stand. Zwar sollte einen das traurig stimmen, doch irgdendwie wäre dieser Schritt verständlich. Denn ausser einem Darstelleroscar hat der bald 79-Jährige so gut wie alles erreicht, was man im Filmbusiness erreichen kann. Und sollte das Gerücht Wahrheit werden, dann wäre Eastwoods Performance als Walt Kowalski ein würdiger Abschluss.

Als Gran Torino angekündigt wurde, machte schnell ein haarsträubendes Gerücht die Runde: Gran Torino wird Dirty Harry 6. Leute, die sich mit Clint Eastwood auch nur ansatzweise auskennen, wissen, dass der Mann in der Zwischenzeit zu klug und zu erfahren ist, um sich auf so etwas einzulassen. Die Meldung wurde auch bald schon dementiert und machte der Beschreibung "ruhiges Drama" Platz. Ob Gran Torino wirklich so ruhig ist, darüber liesse sich streiten. Gewisse Charakterzüge von "Dirty" Harry Callahan stecken nämlich durchaus in Walt Kowalski. Er ist mitunter herrlich zynisch und hat seine Waffe immer griffbereit. Doch gleichzeitig erkennt man in ihm auch den ruhigen, philosophischen Revolverhelden aus diversen Western und - fast noch offensichtlicher - William Munny aus Unforgiven, dessen Überzeugung "It's a hell of a thing killing a man." auch in Kowalski tief verwurzelt ist. Kurz gesagt: Clint Eastwood spielt sich in Gran Torino quer durch seine Schauspielkarriere hindurch. Und dennoch wirkt diese Art von Schauspiel nicht gesucht. Eastwood spielt meisterhaft und hält sein tiefes Grummeln die ganzen 116 Minuten über durch. Und obwohl ihm für diese Leistung eigentlich ein Oscar verliehen werden müsste, wurde er schon bei den Nominationen schnöde übergangen. Stattdessen wurde Eastwoods anderer neuer Film - Changeling - einige Male nominiert, weil dieser eher ein Acadmey-konformes Thema anspricht, was aber hier keinesfalls diskreditiert werden sollte. Ein weiterer Grund, warum Eastwood als Schauspieler bei der Acadmey nicht ankommt, ist, dass er für einen Darstelleroscar einfach zu wenig macht. Er ist nun einmal ein gestandener Filmschauspieler und ein Minimalist, der zwar vor der Kamera meisterhaft agiert und in seiner Einfachheit schlichtweg brillant ist, eine Academy aber damit nie überzeugen wird.

Gran Torino ist eine schulbuchmässige Charakterstudie, die zwar von Clint Eastwood getragen wird, aber auch andere, talentierte Darsteller zu bieten hat. Bee Vang, ein Neuling im Schauspielfach, überrascht mit einer guten Darstellung des jungen Thao. Er kann dem Zuschauer die zunehmend freundschaftliche Beziehung zwischen ihm und Walt überzeugend verkaufen. Ebenso reif und überzeugend agieren Doua Moua und Ahney Ver. An der amerikanischen Schauspielfront stechen besonders Christopher Carley und John Carroll Lynch hervor. Letzterer bestreitet zwar nur eine sehr kleine Rolle, spielt diese aber mit dem nötigen Grad an Humor, der in Gran Torino (überraschenderweise?) auch vorhanden ist. Dies führt unweigerlich zum Drehbuch, verfasst von Nick Schenk und Dave Johannson, welches durch eine hervorragende Geradlinigkeit besticht. Die Geschichte wird linear erzählt und enthält so ziemlich alle Elemente, die ein gutes Drama ausmachen, inklusive Humor. Szenen, in welchen Walt Thao beibringen will, ein Mann zu sein, verbinden sich mühelos mit Konfrontationen zwischen Walts Nachbarn und der gewalttätigen Gang. Und wie auch in Dirty Harry gibt es hier einige prägnante One-Liner zu hören, die jeweils perfekt zur Situation passen. Die beiden Autoren beweisen überdies ein grosses Talent, eine Story so zu konstruieren, dass das Thema zwar aktuell ist, aber auf einer persönlichen und intimen Ebene funktioniert. So ist Gran Torino ein Film über kleine Leute in der Vorstadt, die sich mit ihrem heruntergekommenen Viertel auseinandersetzen.

Immer wiederkehrendes Stilmittel ist das titelgebende Auto "Gran Torino", ein Ford, der zum Stein des Anstosses gemacht wird und dessen Präsenz bis zur letzten Szene gerechtfertigt ist. Abgerundet wird diese gelungene Verklärung durch den Song "Gran Torino", der die Credits untermalt und sogar noch eine Strophe beinhaltet, die von Clint Eastwood selbst gesungen wird. Warum der Song nicht für den Oscar nominiert wurde, ist unverständlich. Doch die demonstrative Nichtberücksichtigung von Gran Torino bei den Oscars, sagt sehr viel über die Academy aus. Welcher Eastwood-Film wurde dreimal nominiert? Changeling, der ein liberales und "politisch korrektes" Thema behandelt. In Gran Torino hingegen steht ein Rassist im Mittelpunkt, der zwar im Laufe des Films seine Vorurteile verliert, anfangs aber doch einige inkorrekte Sprüche fallen lässt. Zudem wird hier über die Verslummung der amerikanischen Vorstadt sinniert und gleichzeitig beklagt, dass die typischen Werte, die man mit der Vorstadt verbindet, vor die Hunde gehen. Für ein derartiges Thema kann sich die Academy überhaupt nicht erwärmen. Dass dies den Film aber nicht schlechter macht, versteht sich. Er ist brillant gespielt, man spürt die sichere Hand des Regisseurs und hinter der Kamera steht ein visuelles Genie - Tom Stern, der für seine Arbeit in Changeling mit einer Oscarnomination bedacht wurde.

Gran Torino ist ein meisterhaftes Stück Film, welches einige Leute zwar durch seine Haltung gegenüber den Gangs in den USA etwas irritieren wird, echten Filmkennern aber genussvolle zwei Stunden bereiten kann. Dies liegt hauptsächlich an der Performance von Clint Eastwood, der seinen Platz im Pantheon der Schauspieler und Regisseure einmal mehr bestätigt, an der hervorragend konstruierten Atmosphäre, die den Film umgibt, und am genialen Twist-Ende, welches sämtliche Klischees über den Haufen wirft. Um es mit Peter Travers zu sagen: "The no-frills, no-bull Gran Torino made my day."

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