Sonntag, 14. März 2010

The Men Who Stare at Goats

Superkräfte kämen jetzt gerade gelegen: Ex-Soldat Lyn Cassady (George Clooney, links) und Reporter Bob Wilton (Ewan McGregor) geraten im Irak mit Amateur-Geiselnehmern aneinander.

4.5 Sterne

Mit The Hurt Locker räumte bei den diesjährigen Oscars ein Film, der auf kritische Weise den Irakkrieg thematisiert, sechs Auszeichnungen ab. Sozusagen als komödiantisches Gegenstück zu Kathryn Bigelows Drama kommt nun The Men Who Stare at Goats des Schauspielers Grant Heslov (Good Night, and Good Luck, Leatherheads) zu uns in die Kinos. Es handelt sich dabei um eine freie Adaption des gleichnamigen Romans von Jon Ronson, der sich mit den paranormalen Truppen der US-Armee auseinandersetzt. Schenkt man dem Buch Glauben, dann hat ein Militäroffizieller namens Jim Channon in den 1970er Jahren die New-Age-Bewegung "studiert" und aufgrund seiner Erfahrung das "First Earth Battalion" ins Leben gerufen. Der Sinn dieses Unternehmens war die Schaffung einer alternativen Form des sprichwörtlichen Kampfes für den Frieden. Der Trailer und der Film selber betonen, dass an der erzählten Geschichte, die man auf den ersten Blick wohl als Unsinn abstempeln würde, mehr wahr sei, als man sich vorstellen kann. Doch ob das Ganze nun Wirklichkeit oder erlogen ist, spielt letzten Endes keine Rolle. The Men Who Stare at Goats ist eine Militärfarce erster Güte, die sich mühelos zu Klassikern wie MASH oder - in geringerem Masse - Stanley Kubricks Satire Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb gesellt.

Skurriler könnte die Prämisse von The Men Who Stare at Goats wohl kaum sein: George Clooney, Ewan McGregor, Jeff Bridges und Kevin Spacey spielen in einem Film mit, der auf einem Tatsachenbericht beruht, welcher sich um sogenannte Jedi-Ritter dreht, die übernatürliche Kräfte wie Telepathie, Unsichtbarkeit und Hellsehen besitzen. Das Endprodukt ist genau das, was man erwarten würde: Eine abgedrehte Komödie/Satire mit urkomischen Darstellern und einer mehr oder minder zweitrangigen Story. Aber es ist dennoch bewundernswert, wie Grant Heslov bzw. sein Drehbuchautor Peter Straughan Jon Ronsons Buch in eine recht kohärente Angelegenheit verwandelt haben. Das Hin- und Herhüpfen zwischen den aktuellen Geschehnissen und der Geschichte der "New Earth Army" gestaltet den Film abwechslungsreich und erlaubt den grossen Namen genug Screentime. Denn der grösste Wert von The Men Who Stare at Goats ist sicherlich sein starbesetzter Cast. Ewan McGregor erinnert einen anfänglich zwar stark an seine Rolle in The Ghost Writer, hat aber bald alle Sympathien auf seiner Seite, da er, wie anfangs das Publikum, von den hirnverbrannten Machenschaften der Armee völlig vor den Kopf gestossen ist. An seiner Seite glänzt George Clooney, dessen Performance Erinnerungen an die ersten beiden Teile der "Numskull-Trilogy" von Joel und Ethan Coen (O Brother, Where Art Thou?, Intolerable Cruelty) weckt. Man könnte sich wahrlich keinen besseren Schauspieler als Clooney in der Rolle des Lyn Cassady, des Supersoldaten in Existenzkrise, vorstellen. Er ist verrückt und vielleicht sogar eine Spur unheimlich, aber man hat ihn sehr schnell ins Herz geschlossen. Kudos für Clooney, der sein komödiantisches Talent auch für eine derartige Produktion hergibt. In kleineren Rollen sind ausserdem Stephen Lang - der Bösewicht aus Avatar -, Jeff Bridges und Kevin Spacey zu sehen. Letztere ergänzen das Duo McGregor/Clooney hervorragend. Bridges spielt die reale Figur des Jim Channon, der für The Men Who Stare at Goats in Bill Django umbenannt wurde, mit der gleichen liebenswürdigen Lockerheit, mit der er in The Big Lebowski bereits die Massen begeisterte. Der Kinosaal bebt vor Lachen, wenn er Blumen an Rekruten verteilt - etwa an den herrlich doof grinsenden Stephen Lang - und dabei Hippie-Slogans von sich gibt. Auf der anderen Seite des Sympathie-Spektrums steht Kevin Spacey, den man wahrscheinlich als den Hauptantagonisten des Films bezeichnen könnte. Aber man mag ihn trotz der Arroganz seiner Figur irgendwie. Dies liegt vermutlich primär an seinen idiotischen und daher unglaublich lustigen Anwandlungen; sei es seine Quietschstimme beim Telepathietraining oder sein seliger Gesichtsausdruck, wenn ihm LSD untergeschoben wird.

Peter Straughans Drehbuch mag kein Meisterwerk der Erzählung sein; trotzdem bewegt es sich trotzdem auf hohem Niveau und bringt das Kunststück fertig, aus allem einen Witz zu machen. Denn es gibt Szenen in The Men Who Stare at Goats, die gefährlich ins allzu Esoterische abzudriften drohen, im letzten Moment aber von einer Absurdität, die man so nicht hat kommen sehen, gerettet werden. Zudem erweist sich Straughan als Meister des stummen Witzes. Selten sorgte ein wortloser Blickwechsel zweier Protagonisten für Pandemonium im Kino (Stichwort: Augenfunkeltechnik). Aber auch die Dialoge sitzen und tragen ihren Teil zum allgemeinen Gelächter während des Films bei. The Men Who Stare at Goats hat überdies durchaus seine satirischen Momente, die man in einem Film, der während des Irakkriegs spielt, sehr gerne sieht. Und dabei bekommen nicht nur die amerikanischen Streitkräfte ihr Fett ab, sondern auch naive Geschäftsleute, Kriegsreporter und die Massenmedien.

Auch über die technische Ausführung von The Men Who Stare at Goats darf man sich nicht beklagen. Kameramann Robert Elswit - Oscar 2008 für There Will Be Blood - findet einen gelungenen Mittelweg zwischen klassischen Kriegsfilmbildern und einer kunstvollen Kameraführung mit fantasievollen Schwenks und Einstellungen. Tadellos ist auch Tatiana Riegels Schnitt.

Eine Frage hat die Amerikaner in Bezug auf diesen Film sehr beschäftigt: Darf man eine Komödie über den Irakkrieg drehen? Ist es nicht pietätlos, den Kriegsalltag mit Pseudo-Schiessereien zwischen zwei amerikanischen Truppen, militärischer Inkompetenz oder der Vorstellung, dass Männer dazu ausgebildet werden, Ziegen mit Blicken zu töten, darzustellen? Auch die wunderbare Schlussszene gibt die im Irak stationierten Soldaten der Lächerlichkeit preis. Vielleicht ist auch gerade dies das Schöne an Grant Heslovs Film: Der Krieg an sich spielt eigentlich keine Rolle. Es ist eine simple Komödie, die zwar einige aufrührerische Ansätze beinhaltet, alles in allem aber vordergründig zur Unterhaltung des Publikums dient. Somit kann den moralischen Bedenken nur entgegnet werden: Man darf eine Komödie über den Krieg drehen, zumindest wenn ein Talent wie Grant Heslov dafür verantwortlich zeichnet.

Die Befürchtungen, dass alle lustigen Szenen bereits im Trailer gezeigt wurden, haben sich nicht bewahrheitet. The Men Who Stare at Goats ist ein höchst unterhaltsamer Angriff auf die Lachmuskeln, der mit einer gesunden Länge (95 Minuten) sich auch niemals in die Länge zieht. Der Film ist eine Perle der absurden Komödie und ist inmitten der Möchtegern-Lustspiele, die zurzeit das US-Kino erobern, eine Wohltat für Freunde guter Unterhaltung. Gespickt mit Stars, die sich auch für Slapstickeinlagen nicht zu schade sind, tollen Sprüchen, witzigen Verschrobenheiten und der richtigen Dosis Story ist The Men Who Stare at Goats ein absolut empfehlenswerter Film und schon jetzt ein Kandidat für den lustigsten Film 2010.

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