Donnerstag, 12. Februar 2015

Jupiter Ascending

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Ein Platz in der Filmhistorie ist Andy und Lana Wachowski dank ihres bahnbrechenden Cyberpunk-Meilensteins The Matrix sicher. Seit dessen Erscheinen 1999 hat das Geschwisterpaar jedoch kaum mehr zwingende Gründe geliefert, sich ihrer zu erinnern. Aktuellstes Beispiel: Jupiter Ascending.

Nebendarsteller Douglas Booth lag mit seiner vermutlich ehrerbietig gemeinten Aussage, die neueste Regiearbeit der Wachowskis sei eine Mischung aus The Matrix und Star Wars, gar nicht weit daneben. Statt der ich-bewussten Maschinen, welche im (unvorteilhaft gealterten) ersten Teil der Matrix-Trilogie die Erde als eine Art Farm zur Sicherung der eigenen Energie unterhalten, ist es hier das Alien-Adelsgeschlecht Abrasax (Booth sowie Eddie Redmayne und Tuppence Middleton), das seine extreme Langlebigkeit dem "Ernten" bewohnter Planeten verdankt – eine Ähnlichkeit, welche näher am Selbstplagiat als an Motiv-Kontinuität liegt. Die Parallelen zu George Lucas' Weltraum-Oper sind indes nicht etwa in detailreichen ausserirdischen Welten oder spektakulären Effekten zu finden, sondern beschränken sich auf Anleihen der bemühendsten Elemente der ohnehin überwiegend missratenen Star Wars-Prequels. Kreiste Episode I: The Phantom Menace dramaturgisch um nebulöse intergalaktische Handelsabkommen, spielen sich in Jupiter Ascending fürchterlich überhastet erklärte Erbfolge-Querelen und undurchsichtige Machenschaften mit kosmischer Rendite ab.

Als menschliche Protagonistin in diesem haarsträubenden Stück Mumpitz agiert Jupiter Jones (die manieriert spielende Mila Kunis), eine russische Einwandererin, die in Chicago ein eher unbefriedigendes Leben führt – bevor sie eines Tages vom ausserirdischen Ex-Polizisten und Kopfgeldjäger Caine (Channing Tatum in einem unerklärlichen Rückschritt nach Foxcatcher) vor einer Horde böser Aliens gerettet wird. Eine wilde Verfolgungsjagd durch die Stadt führt sie zu Caines einstigem Vorgesetzten Stinger (Sean Bean, welcher oftmals seine Linien aus Game of Thrones zu reziklieren scheint), der Jupiter eröffnet, dass sie die wichtigste Variable im Kampf zwischen den Abrasax-Geschwistern ist. Die Welt, in die sie die beiden genmutierten Retorten-Soldaten einführen, ist proppenvoll von halbherzig etablierten Mythologien, kaum je gezeigten fremden Planeten und Raumstationen sowie hirnrissigen, gleichermassen unscharf skizzierten Entstehungsgeschichten. Das Ganze könnte über einen gewissen altbackenen Charme verfügen – vergleichbar Andrew Stantons unterbewertetem John Carter –, würde die Wachowski-Farce, mit Ausnahme einiger schrecklicher Witzversuche, nicht darauf beharren, mit heiligem Ernst die zynische Kalkulation des Kapitalismus anprangern zu wollen.

Weltraum-Seifenoper: Die Erdenbewohnerin Jupiter (Mila Kunis) erfährt dank dem Soldaten Caine (Channing Tatum) von ihrer Rolle in einem intergalaktischen Konflikt.
© 2014 Warner Bros. Ent.
So aber tappen Andy und Lana (vormals Larry) Wachowski in die gleiche Falle wie in ihrer nur geringfügig besseren Romanverfilmung Cloud Atlas (2012), welche in sechs zeitlich weit auseinander liegenden, thematisch aber eng miteinander verschlungenen Geschichten mit Hilfe bedeutungsschwangerer Dialoge und lächerlich kostümierter Schauspieler so etwas wie eine philosophische Botschaft zu vermitteln versuchte. Zwischen Ambition und Endresultat klafft ein unüberwindbarer Graben; die hohen, wie in The Matrix in einer comichaften Handlung verborgenen Ansprüche zeugen angesichts des schwachsinnigen Rests eher von Selbstüberschätzung denn von satirischem Biss. (Siehe die deplatzierte, an Brazil angelehnte Bürokratie-Persiflage, welche einzig und allein dazu dient, Gaststar Terry Gilliam eine Plattform zu bieten.)

Doch auch als blosses Science-Fiction-Spektakel versagt Jupiter Ascending praktisch auf der ganzen Linie. Muss die frustrierend passive Jupiter nicht gerade in einer desorientierenden, nicht enden wollenden Knall- und Explosions-Orgie aus einer misslichen Lage befreit werden, werden grauenvoll klischierte, absolut nichts sagende Gespräche geführt, welche auch von einem irrwitizig chargierenden Eddie Redmayne – nahe an Jeremy Irons' berüchtigter Darbietung in Dungeons & Dragons – nicht gerettet werden können. 2015 mag noch keine zwei Monate alt sein, doch schon jetzt dürfte Jupiter Ascending als Favorit auf den Titel des schlechtesten Films des Jahres feststehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen