Donnerstag, 3. Juli 2014

Über-Ich und Du

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat. 

Einer Psychologie-Komödie, welche den Zuschauer seinen eigenen Verstand, oder wenigstens sein Humorverständnis, anzweifeln lässt, wohnt etwas anregend Ironisches inne. Der Filmgenuss profitiert davon aber nur begrenzt – die diffuse Causa von Benjamin Heisenbergs Über-Ich und Du.

Tatsächlich wirkt dieser kuriose Streifen streckenweise wie eines jener vertrackt-perfiden psychologischen Experimente, in denen die Probanden in einem Warteraum platziert werden, mit der Information, die Studie beginne jeden Augenblick – ohne zu ahnen, dass der Versuch darin besteht zu beobachten, wie die Wartenden reagieren, wenn sie immer wieder aufs Neue vertröstet werden. Weniger kafkaesk, dafür ähnlich frustrierend, geht es in Über-Ich und Du zu und her, einem Film über den Buchhehler Nick (Georg Friedrich), der sich als Haushaltshilfe beim pensionierten Star-Psychologen Curt Ledig (André Wilms) einnistet. Regisseur Heisenberg (Schläfer, Der Räuber) verkauft seinen Film als Komödie, doch die Bezeichnung mutet vermessen an. Das Problem ist nicht etwa, dass das vorhandene Witzmaterial nicht zu amüsieren wüsste; vielmehr erweist sich das Ganze als oftmals bemühende Geduldsprobe, ein scheinbar fruchtloses Warten auf den Versuch eines Witzes. Das von Heisenberg und Josef Lechner verfasste Drehbuch wirkt, als hätten die beiden vergessen, ihre Erzählung mit Gags anzureichern.

Natürlich gibt es Elemente, die sich grosszügig als Pointen bezeichnen liessen: die offenbar ansteckende Neurose Curts, Küchen nicht betreten zu können; seine innige Beziehung zu seinen Gehstöcken; die schweigsamen Schergen einer nebulösen Buch-Mafiosa (Maria Hofstätter), welche Nick ans Leder will; die ratlose Spiesser-Familie Ledig, die Nick nicht vertrauen mag; der unerklärliche Running Gag unablässig streitender Ballonfahrer. Kein einziges dieser Versatzstücke aber scheint einer erkennbaren Form von Humor zu folgen. Der Slapstick ist schlaff und bar jeglicher Energie, Wortwitz ist nirgendwo zu finden, die Absurditäten wie auch die Charakterkomödie scheitern an einer Handlung ohne feste Bezugspunkte, deren Exposition während des Vorspanns in einer überhasteten, letztlich verwirrenden Reihe von Telefonbeantworter-Nachrichten abgewickelt wird und deren Akteure bis zuletzt bestenfalls vage umrissen bleiben.

Therapie einmal anders: Psychologe Curt Ledig (André Wilms, rechts) verordnet dem Hehler Nick (Georg Friedrich) eine asketische Kur.
© Vega Film
So schafft es der Film auch nie, eine nachvollziehbare Dramaturgie aufzubauen. Stattdessen reihen sich Szenen in, wohlwollend ausgedrückt, gemessenem Tempo aneinander, welche man wohl Rorschach-Test-artig als Geschichte interpretieren sollte. Nicks Buchhändlerin, die auch seine Liebhaberin zu sein scheint, gerät irgendwann an die Antiquariats-Mafia; Curt und Nick ziehen sich zur Therapie in die Berge zurück, wo Letzterer sich zwei Tage lang bis zum Hals in die Erde eingraben lässt, während Ersterer vergnügt in sein Diktaphon hinein analysiert; ohne ersichtlichen Grund schalten sich die Ledigs zunehmend ins Geschehen ein; und als hätte sich Frauke Finsterwalders Möchtegern-Satire Finsterworld in Heisenbergs Werk eingeschlichen, dient Curts Nazi-Vergangenheit als schlussendlich hinfälliges Plot-Element.

Wären hier nicht die engagierten Darsteller Georg Friedrich und André Wilms am Werk, würde Über-Ich und Du wohl gänzlich ins Unerträgliche absacken. Zwar mag es keinem dieser beiden erstklassigen Mimen richtig gelingen, dem Skript legitime Lacher zu entlocken, doch ihre abgeklärte Präsenz ist Balsam in einer alles in allem stümperhaft aufgezogenen Komödie. Fazit: Ignorieren.

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