Donnerstag, 20. Februar 2014

American Hustle

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

In seinem neuen Film erzählt David O. Russell von Lug, Trug, Täuschung und einer erstaunlichen FBI-Aktion. An die Qualität seiner letzten beiden Werke kann er damit zwar nicht ganz anknüpfen, doch American Hustle bleibt ein hochgradig unterhaltsames, herausragend gespieltes Ensemble-Stück.

Nimmt man einschlägige Hollywood-Produktionen jüngeren Datums als Massstab, scheint es, als hätten in den späten Siebzigerjahren ausgefallene Ideen in den staatlichen Polizeiorganen der USA Hochkonjunktur gehabt. Während Ben Afflecks satirischer Thriller Argo (2012) zeigte, wie die CIA nach der Erstürmung der amerikanischen Botschaft in Teheran 1979 eine Gruppe von Diplomaten unter dem Vorwand, es handle sich bei ihnen um eine kanadische Filmcrew, aus dem Iran schleusten, legt David O. Russell (Three Kings, I Heart Huckabees, The Fighter, Silver Linings Playbook) in American Hustle einen fiktionalisierten – "Some of this actually happened", steht auf einer Texttafel zu lesen – Bericht über die Operation "Abscam" vor, welche das New Yorker Büro des FBI 1978 lancierte. Was ursprünglich als Massnahme gegen Betrug und Hehlerei angelegt war, entwickelte sich innert kurzer Zeit zu einer kuriosen Offensive gegen Korruption, bei der namhafte Politiker dazu gebracht wurden, Bestechungsgelder von einem falschen arabischen Scheich anzunehmen.

Russells Film, die erste grosse Kino-Auseinandersetzung mit Abscam – Louis Malle verfasste unter dem Titel Moon Over Miami zwar einst ein Drehbuch zur Materie, doch der Tod des designierten Hauptdarstellers John Belushi verhinderte die Umsetzung –, ändert die Namen der Beteiligten und reichert die Geschichte mit persönlichen Konflikten und amourösen Verstrickungen an und wird so zu einem Kaleidoskop von Hochstapeleien und deren Motivationen im Stile von Ridley Scotts Matchstick Men oder der unterschätzen Coen-Brothers-Farce Burn After Reading. Im Zentrum der Posse steht der professionelle Schwindler Irving Rosenfeld (Christian Bale), der sich zusammen mit seiner Geliebten Sydney (Amy Adams) mit windigen Geschäften eine goldene Nase verdient – bis er vom FBI-Mann DiMaso (Bradley Cooper) überführt wird und sich gezwungen sieht, ihm dabei zu helfen, üblere Schurken hinter Gitter zu bringen.

Wie man es sich von seinem Regisseur gewohnt ist, langweilt American Hustle keine Sekunde. Obwohl weniger aufgedreht als The Fighter (2010) und Silver Linings Playbook (2012), ist Russells atemloser Stil auch hier unübersehbar. Die Kamera schwenkt unermüdlich hin und her, was den bisweilen fast screwballhaften Dialogen ("She was the Picasso of passive-aggressive karate") eine famose Intensität verleiht. Die Schauspieler agieren einmal mehr auf höchstem Niveau – allen voran Bale und Cooper sowie Jeremy Renner als eines von DiMasos Opfern, die wilde Jennifer Lawrence als Mrs. Rosenfeld sowie Robert De Niro in einem Cameo-Auftritt als Arabisch sprechender Mafiaboss.

Die Betrüger Irving (Christian Bale, links) und Sydney (Amy Adams) sehen sich gezwungen, für den FBI-Agenten DiMaso (Bradley Cooper) zu arbeiten.
© Ascot Elite
Darüber hinaus führt Russell hier das Motiv aus seinen beiden letzten Filmen weiter, seinen grundverschiedenen Figuren definierende verbindende Merkmale anzudichten: In The Fighter sehnt sich jeder nach einer intakten Familie; in Silver Linings Playbook kämpfen sämtliche Charaktere gegen mal kleinere, mal grössere Neurosen. In American Hustle gilt nun die Maxime, dass Betrug nicht nur die beste Überlebensstrategie, sondern nachgerade die Essenz der menschlichen Existenz ist: "People are always connin' each other. We're even connin' ourselves", sinniert Irving – einer von mehreren Erzählern – einmal. So ist auch das bewusst überstilisierte Siebziger-Kolorit mit seinen haarsträubenden Kostümen und den aufwendigen Frisuren kein Zufall – Verkleidungen, egal wie lächerlich sie auch scheinen mögen, gehören nun mal zum grossen Schwindel des Lebens. Man kann dem Film als Ganzes ankreiden, dass, anders als in den ihm letztlich überlegenen The Fighter und Silver Linings Playbook, die Emotionen weitgehend auf der Strecke bleiben. Man kann auch monieren, er löse seinen Plot auf eine Art auf, die dem komplexen Netz von Lügengebilden nicht vollauf gerecht wird. Es lässt sich mit Fug und Recht behaupten, American Hustle sei im Grunde nichts anderes als eine gewitzte Etüde seines Regisseurs. Aber was für eine – voller Verve, Charme und Schalk!

★★★★

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