Sonntag, 31. März 2013

Oz the Great and Powerful

Das Prinzip Fan Fiction ist längst nicht mehr nur dem eingeweihten Enthusiasten vorbehalten. Mittlerweile haben auch Filmstudios das Potenzial entdeckt, das unerforschte Gelände grosser Werke aus Literatur und Kino auszuleuchten. Das aktuellste Beispiel heisst Oz: The Great and Powerful und zeigt in berückenden Bildern, wie es die Titelfigur von Victor Flemings Technicolor-Klassiker The Wizard of Oz überhaupt ins Land der magischen Kreaturen verschlagen hat.

Kansas, 1905: Viele Jahre vor Dorothys Reise durch den Tornado und "über den Regenbogen" zieht der trickreiche Zauberer und Frauenheld Oscar Diggs (James Franco) unter dem Namen "Oz the Great and Powerful" mit einem Wanderzirkus von Ort zu Ort. Als er aber eines Tages der Freundin des Zirkus-Muskelprotzes Avancen macht, ist es mit seinem geruhsamen Leben vorbei. Zwar kann er dem Streit per Heissluftballon entkommen, steuert damit aber direkt in einen Sturm hinein. Dieser trägt ihn in ein seltsames fremdes Land, wo ihm sogleich die hübsche Hexe Theodora (Mila Kunis) begegnet, die ihn im Land von Oz begrüsst und in ihm den prophezeiten Magier zu erkennen glaubt, der ihre Welt von der bösen Hexe Glinda (Michelle Williams) befreien soll. Trotz des Misstrauens von Theodoras Schwester Evanora (Rachel Weisz) kann Oscar die Illusion mit seinen Taschenspielertricks aufrecht erhalten und macht sich mit dem fliegenden Affen Finley (Stimme: Zach Braff) auf, Glinda zu töten. Immerhin winkt ein riesiger Schatz als Belohnung.

Der Moment, in dem Dorothy Gale (Judy Garland) in The Wizard of Oz ihr im Munchkinland bruchgelandetes Haus verlässt, gehört zu den Schlüsselsequenzen des klassischen Hollywood: Garland öffnet die Tür und bewegt sich, wie das Kino selbst, weg vom Monochrom, hinein in eine Welt voller satter, leuchtender Farben. Auch Oz: The Great and Powerful weiss um die Tragweite der Szene, wobei Regisseur Sam Raimi die Verwandlung dank moderner Technik in ganz neuen Dimensionen darstellen kann: Das Schwarzweiss-Bild wird von Farbe durchflutet, das alte Academy-Format weicht dem Breitbild, Stereo-Ton setzt ein. Es ist eine elaborierte, technisch einwandfrei vollzogene Verneigung des Prequels vor dem Original, die aber leider allzu deutlich darauf hinweist, dass Oz kein eigenständiges Werk ist. Raimi versucht, die Faszination von Flemings Kostüm-Musical mit den gleichen Mitteln zu reproduzieren, büsst so aber gleichzeitig seinen Individualismus ein; sein Film bleibt eine weitgehend seelenlose Aneinanderreihung von Zitaten, Querverweisen und schwelgerischen Computerbildern.

Wie alles begann: Sam Raimi lädt ein zur CGI-Reise nach Oz.
© Disney
Letztere, obgleich ein Fest fürs Auge, vermögen indes auch nicht über den fadenscheinigen Inhalt hinwegzutäuschen. Zwar orientiert sich auch die Handlung an The Wizard of Oz – der Neuankömmling wandert mit seinen zauberhaften Gefährten durch Oz, immer auf der Hut vor der bösen Hexe –, doch die Autoren David Lindsay-Abaire (Rabbit Hole) und Mitchell Kapner (The Whole Nine Yards) scheinen eher damit beschäftigt, vorsichtig Brücken zum Original zu schlagen – aus rechtlichen Gründen basiert Oz offiziell lediglich auf L. Frank Baums Büchern – als überzeugende Figuren zu entwerfen. Tragisch, Mila Kunis, ansonsten einer verlässlichen Grösse in mittelmässigen Filmen, zusehen zu müssen, wie sie schmachtend und seufzend dem vermeintlichen Magier Oscar verfällt, in ihrer Eifersucht anschliessend zur blindwütigen Furie mutiert und schliesslich in PG-13-gerechter Manier bis aufs Korsett entkleidet wird. Diesem unangenehm archaischen Frauenbild steht ein Figurenkreis gegenüber, der sich überwiegend damit begnügt, das Geschehen auf der Leinwand durch Begleitkommentar zu ergänzen.

Die Ehrenrettung des überwiegend belanglosen, schnell vergessenen Films erfolgt spät. Nach rund 110 Minuten dramatischen und emotionalen Leerlaufs, hie und da unterbrochen durch uninspirierte Schreckmomente, schöpft Raimi die Möglichkeiten, die ihm 3-D und CGI bieten, endlich aus: Oz zeichnet sich durch einen stimmigen, solide inszenierten Action-Höhepunkt aus, der ahnen lässt, was mit mehr Fantasie hätte sein können. Ob der Film dadurch aus dem Schatten des Originals getreten wäre, ist allerdings eine andere Frage.

★★

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