Donnerstag, 24. Januar 2013

Django Unchained

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.


Nachdem er in seinem letzten Film den Zweiten Weltkrieg uminterpretiert hat, kombiniert Kult-Regisseur Quentin Tarantino in Django Unchained nun den Spaghetti-Western mit dem schwarzen Exploitationfilm der Siebzigerjahre. Was resultiert, ist zwar unterhaltsam, aber auch trivial.

Texas, 1858: Der deutsche Emigrant Dr. King Schultz (Christoph Waltz) ist gelernter Zahnarzt, hat sich aber schon vor Jahren einem weitaus lukrativeren Geschäft verschrieben. Als Kopfgeldjäger zieht er durch das Land, spürt gesuchte Verbrecher auf, tötet sie und liefert sie beim zuständigen Sheriff-Posten ab. Auf der Suche nach drei gerissenen Brüdern braucht er die Hilfe des Sklaven Django (Jamie Foxx), da nur dieser das Trio identifizieren kann. Also befreit er ihn kurzerhand aus den Fängen zweier Sklavenhändler und macht ihn zu seinem Partner. Bald schon erkennt Schultz das enorme Talent seines Schützlings im Umgang mit Schusswafen, woraufhin er ihm einen Handel anbietet: Begleitet Django ihn einen Winter lang, dann hilft er ihm im Frühling dabei, seine Frau Broomhilda (Kerry Washington) von der Plantage des exzentrischen Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) zu retten. Gesagt, getan: Unter einem Vorwand schleusen sich die beiden auf Candies Plantage ein, doch der Haussklave Stephen (Samuel L. Jackson) traut der Sache nicht.

Das Kerngeschäft des Quentin Tarantino ist nicht das Erzählen von guten Geschichten, sondern das Erfinden und Inszenieren von einzelnen Situationen und Szenen, die dem Publikum herzhaftes Gelächter und anerkennende Pfiffe entlocken. Erinnert man sich en détail an die Handlungen von Reservoir Dogs, Pulp Fiction oder auch Inglourious Basterds, dem wohl besten Film Tarantinos? Wahrscheinlich nicht. Hängen geblieben sind wohl eher der finale "Mexican Standoff", Samuel L. Jacksons bibelfester Killer oder die Exekution Adolf Hitlers. Dass Tarantino dieses Geschäft beherrscht, ist unbestritten, doch leider generiert er damit nicht sonderlich befriedigendes Kino. Der Grossteil seiner Filmografie ist geprägt von Zitaten und Hommagen; gerne imitiert er seine cineastischen Vorbilder. Das kann funktionieren, ja hervorragend unterhalten – knapp die Hälfte seiner Filme verdienen das Verdikt "Gut" –, doch Substanz, Innovation und positive menschliche Emotion bleiben meist aussen vor. Django Unchained bildet dabei (fast) keine Ausnahme.

Erfolgreiche Kopfgeldjäger: Django (Jamie Foxx, links) und Dr. King Schultz (Christoph Waltz) ziehen durch den Wilden Westen.
Zwar ist Tarantinos neues Genre-Epos der erste Film in seinem Werk, in dem so etwas wie Gefühl zu finden ist. King und Django, Christoph Waltz und Jamie Foxx, geben ein prächtiges Duo ab, das nicht nur zum Mitfiebern einlädt, sondern in gewissen Szenen sogar das Herz berührt, etwa wenn Schultz seinem kindlich interessierten Partner am Lagerfeuer die Legende der Nibelungen erzählt. Es sind Momente wie dieser, die erahnen lassen, wozu Tarantino mit seinem Schreibtalent fähig wäre, wenn er sich nicht so leicht vom simplen Knalleffekt ablenken liesse. Natürlich ist es ungerecht, einem Regisseur seinen Stil partout zum Vorwurf zu machen, doch Django Unchained tauscht seinen menschlichen Kern allzu bereitwillig gegen sensationslustige Schiessereien und letztlich leere, aber dafür nicht minder ausgedehnte – der Tod von Tarantinos langjähriger Schnittmeisterin Sally Menke macht sich schmerzlich bemerkbar –, Dialoge ein, welche in seiner Karriere über die Jahre mehr und mehr zum Selbstzweck verkommen sind.

Zweifellos ist die Farce lohnenswerter Kintopp: Wenn Django in der Tradition von The Legend of Nigger Charley oder Django – Franco Nero, der originale Darsteller der Figur, hat einen unnötigen, aber angenehm augenzwinkernden Gastauftritt – gegen seine Feinde zu Felde zieht, fällt es schwer, nicht mitgerissen zu werden. Doch dem Film fehlt es am Gespür für den Western, um wirklich zu begeistern, an der letzten Konsequenz, um restlos zu überzeugen – Ur-Django-Regisseur Sergio Corbucci wirkt im Vergleich wie ein Meister des Subtexts. Django Unchained ist, wie die meisten Tarantino-Streifen, eine Ansammlung von einprägsamen Szenen und filmischen Verneigungen, die sich nie zu einem substanziellen Ganzen zusammenfügen wollen.

★★★

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