Mittwoch, 31. Dezember 2008

Kinojahr 2008: Top 10

1. In Bruges
2. WALL·E
3. No Country for Old Men
4. I'm Not There
5. The Dark Knight
6. Burn After Reading
7. Juno
8. Before the Devil Knows You're Dead
9. Tropic Thunder
10. Bienvenue chez les Ch'tis

Samstag, 27. Dezember 2008

Religulous

5 Sterne

Es ist schwierig genug, Religion öffentlich zu kritisieren. Noch schwieriger ist es aber, Religion öffentlich lächerlich zu machen, denn dann können sich die Theisten nicht einmal mehr auf eine Diskussion einlassen. Wenn über Religionen gelacht wird, dann spüren ihre Anhänger, dass ihr Glauben sozusagen als Irrglauben entlarvt wird und das macht sie wütend. Welche Konsequenzen diese religiöse Wut haben kann, wurde uns im Jahre 2005 verdeutlicht, als in der muslimischen Welt wütende Proteste entbrannten, weil ein dänischer Karikaturist Karikaturen des Propheten Mohammed veröffentlichte. Dass Religulous auch mit derartigen Folgen zu rechnen hat, ist unwahrscheinlich. Dennoch stellt sich einem die Frage während des ganzen Films.

Der Regisseur der Doku Religulous ist kein Unbekannter: Larry Charles inszenierte 2003 den trashigen Musikfilm Masked and Anonymous und 2006 die brachiale Pseudodoku Borat: Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan. Vor allem der zweitgenannte Film schlug hohe Wellen und sorgte unter anderem dafür, dass mehrere kasachische Regierungsvertreter sich in der Presse gegen Sacha Baron Cohen in derbster Weise äusserten. Dafür wird bei Religulous die Presse gar nicht erst bemüht - die Tiraden gegen den Interviewer Bill Maher erfolgen bereits im Film. Doch dieser gibt die Beschimpfungen jeweils ungerührt zurück. Das Konzept des Films ist einfach: Zunächst bereist der Stand-Up-Comedian Maher die USA und führt Gespräche mit allerlei Leuten. So spricht er mit dem Senator von Arkansas, einem Jesus-Darsteller, Lastwagenfahrern und christlichen Wissenschaftlern. Er selbst ist überzeugter Atheist, der seine Gesprächspartner jeweils arg ins Schleudern bringt und sie mit provokanten, aber gut durchdachten Fragen aufs Glatteis führt. Doch seine Reise ist nicht auf Amerika beschränkt! Maher verschlägt es auch in den Vatikan, nach Jerusalem und an den Ort, wo angeblich die Apokalypse beginnen sollte - und dabei handelt es sich nicht um das CERN in Genf. Wer sich fragt, wie Bill Maher an seine Interviewpartner, die sich mehrmals ziemlich veräppelt vorkommen, rankam, dem sei gesagt, dass die Crew von Religulous hervorragend getarnt war. Unter dem Vorwand, eine Dokumentation mit dem Titel A Spiritual Journey zu drehen, kam Maher an die Leute heran - und überfiel sie dann sogleich mit kritischen und teilweise etwas gar herablassenden Fragen. Doch das allein macht den Film nicht aus. Religulous ist voll von ironischen Untertiteln - etwa wenn das Handy des Imams läutet (!) und unten eingeblendet wird: "Death 2 Bill Maher! LOL" oder erklärend steht "He has got no doctor's degree." - fetziger Musik und filmischen Einspielungen - entweder um das Geschehen zu kommentieren oder anhand eines Beispiels zu zeigen, wie lächerlich sich der Befragte gerade gemacht hat. Doch er benutzt auch Dinge wie Zitate amerikanischer Gründerväter, um zu beweisen, dass Amerika nicht auf dem Grundsatz des Glaubens gegründet wurde. Durch diese Stilmittel wird Religulous zur vollendeten Komödie, der es aber trotzdem auf Tatsachenforschung ankommt. Es lässt sich ohne Übertreibung sagen, dass der Film zu den lustigsten des Jahres gehört, wohl nur noch übertroffen von Burn After Reading und Tropic Thunder.

Dokumentationen lassen sich nicht besonders einfach kritisieren, vor allem eine wie Religulous. Selten liess sich so genau sagen, wem ein Film gefallen wird und wem nicht. Larry Charles' neuster Streich wird Atheisten und Zynikern gefallen. Er wird die Leute unterhalten, die gerne sehen, wie Leute blossgestellt werden, die gerne sehen, wie ein Franziskaner sagt, die Kirche beleidige alles, was Jesus wollte. Gläubige und Zartbesaitete wird er vor den Kopf stossen und beleidigen. Das macht aber nichts, denn der Film ist nicht für sie gemacht. Religulous wurde gedreht, damit sich Atheisten erheben, um die Religion zu stürzen - eine sehr radikale Aussage, vielleicht sogar zu radikal ("Religion must die, so mankind can live!"). In erster Linie soll aber auf den hohen Unterhaltungswert des Films hingewiesen werden. Es wird zwar 100 Minuten lang fast nur geredet, aber immer dann, wenn man sich denkt, man habe es jetzt gesehen, kommt wieder ein neuer Aspekt der Religionskritik hervor und man ist wieder voll bei der Sache.

Wird Religulous die Leute auf die Strasse treiben? Die Antwort lautet: Nein. Dafür gibt es zwei Gründe: Bill Maher ist bei Theisten aller Art bereits verhasst, viel verscherzt hat er sich mit dem Film also nicht. Der zweite Grund ist, dass das Ansinnen des Films vollkommen klar ist. Die Tiraden gegen die Religion kommen überhaupt nicht unerwartet.

Es lohnt sich nicht, noch länger über Religulous zu referieren. Jedem, der nach dieser Kritik nun denkt, der Film wäre etwas für ihn, dem sei er empfohlen. Alle anderen sollen sich nur bewusst sein, dass Religion nicht zum ersten Mal ausgelacht wird. Da es sich bei diesem Schreiberling um einen Atheisten handelt, dürfte sein Verdikt klar sein: Religulous gehört zu den besten Dokumentarfilmen seit Jahren!

Sonntag, 26. Oktober 2008

In the Heat of the Night

5 Sterne

Das Problem am Medium Film ist, dass es kaum möglich ist, ein Werk zu schaffen, welches dem Zahn der Zeit entgeht. Man kann auf zeitlose Metaphern wie It's a Wonderful Life, Rashōmon oder Det sjunde inseglet (dt.: Das siebente Siegel von Ingmar Bergmann) verweisen, doch wenn man ehrlich ist, trifft man in der gut 90-jährigen Filmgeschichte nicht auf eine überwältigende Anzahl Filme dieser Art. Dennoch ist es vom heutigen Standpunkt aus interessant zu sehen, was Filmschaffende vor mehreren Jahrzehnten umtrieb. Ein spannendes Beispiel ist Norman Jewisons Rassenproblematikfilm In the Heat of the Night. Gedreht wurde er 1967 - ein Jahr vor dem Tod von Martin Luther King Jr. und somit dem nominellen Ende der geistigen Rassenternnung in den USA - und zeigt die Situation im Deep South sehr anschaulich auf. Zwar scheint der Film heute nicht mehr sonderlich aktuell zu sein - ganz genau lässt sich das allerdings nicht feststellen - doch er ist auch nach heutigen Standards spannend und eindringlich.

Die wohl berühmteste Szene aus In the Heat of the Night spiegelt hervorragend die Situation im Süden der USA während den 60er-Jahren wider: Der professionelle, schwarze Cop aus dem Norden, Virgil Tibbs, wird vom kleinstädtischen Inspektor Gillespie spöttisch gefragt, wie man ihn denn da oben in Philadelphia nenne, wenn nicht "Boy", woraufhin der sonst ruhige und besonnene Virgil mit donnernder Stimme entgegnet "They call me MISTER Tibbs!". Das Bild geht wunderbar auf: Während fast in den ganzen USA Schwarze in hohen Positionen arbeiten, pochen die Südstaatler auf der Ehre der Dixies und verweigern den Afroamerikanern das Existenzrecht. Auf diesem Problem baut auch der Roman von John Ball, auf welchem In the Heat of the Night basiert, auf. Die Story ist auf den ersten Blick zwar relativ einfach - Ein schwarzer Polizist wird im Süden festgenommen und wieder freigelassen und muss den hiesigen Behörden beim Aufklären eines Falls helfen, wobei er immer wieder mit rassistischen Affronts zu kämpfen hat. - zeigt aber ein interessantes und vielschichtiges Sittenbild der Südstaaten auf. Denn es wurde nicht nur Rassismus und Toleranz thematisiert, sondern es wurde neben der Geselllschaftskritik auch ein brillanter Spannungsbogen kreiert, der den Leser richtiggehend fesselt. Diese hochkarätige Vorlage wurde von Norman Jewison bzw. seinem Drehbuchautoren Stirling Silliphant sehr gewissenhaft umgesetzt. Zwar wurde auf dem ernsten Grundton des Buches verweilt, doch vor allem in den Dialogen zwischen Virgil Tibbs und Bill Gillespie schwingt auch eine gesunde Prise Lakonik mit. Vorgetragen wird diese von Sidney Poitier und Rod Steiger - zum Zeitpunkt des Erscheinens des Films bereits arrivierte Filmstars. Poitier gibt mit Virgil Tibbs eine für ihn sehr typische Rolle. Sein Durchbruch gelang ihm 1958 in Stanley Kramers Film The Defiant Ones - auch ein Film über Rassismus - und war der erste Schwarze, der eine Liebesszene mit einer Weissen spielte (Guess Who's Coming to Dinner) und dafür akzeptiert wurde. Seine typische Rolle ist die des gebildeten Afroamerikaners, welche der hochtalentierte Schauspieler - er nennt zwei Oscars sein Eigen - auch in In the Heat of the Night exzessiv spielen darf. Neben ihm - beinahe zur Nebenfigur degradiert - agiert Rod Steiger, der den Polizeichef Gillespie in bester Method-Actor-Manier gibt. Doch auch wenn einem Method-Actors suspekt sein sollten, beeindruckt Steiger mit einer Performance, die den Zuschauer immer zweifeln lässt, ob man jetzt mit Gillespie sympathisieren sollte oder nicht. Leider wirken die Stimmungsschwankungen von Steigers Figur nicht immer ganz glaubwürdig, doch an dessen Spiel liegt dies eher nicht. Der Fehler ist hier wohl beim Drehbuch zu suchen, welches hie und da doch einen etwas unverständlichen Bocksprung vollführt. Diese Mängel werden aber durch drastischere Szenen, die gut gemeinte und professionell vorgetragene Message und die Dialoge des Profis Tibbs mit den Laien von der kleinstädtischen Polizei von Mississippi ausgebügelt. Alles in allem geht der Oscar für das beste adpatierte Drehbuch in Ordnung, wenn man vor allem auf gekonnte Dialoge achtet.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob In the Heat of the Night heute noch jemanden vom Hocker reissen kann. Es ist klar, dass die Rassismusfrage in der Zwischenzeit zumindest in den USA zu einem schönen Teil gelöst ist. Der Film von Norman Jewison hat aber unverkennbar Spuren hinterlassen. Alan Parkers Mississppi Burning, der Rassisums in den 80er-Jahren "aufdeckt" ist ohne Zweifel an In the Heat of the Night angelehnt. Und auch jetzt - 41 Jahre nach In the Heat of the Night, 20 Jahre nach Mississippi Burning - interessiert das Thema Rassismus noch immer. Einerseits weil man seine Vorurteile gegenüber dem amerikanischen Süden gerne bestätigt sieht, andererseits weil man ein klares Muster von Gut und Böse seviert bekommt. Dies hört sich jetzt möglicherweise etwas trivial an, ist aber auf keinen Fall beleidigend gemeint. Es soll nur unterstrichen werden, dass In the Heat of the Night auf geniale Weise publikumskonform gedreht wurde. Natürlich schockierte die Aussage des Films. Natürlich kam er in den Südstaaten nicht gut an. Aber der Hauptpunkt ist, dass er die Massen mit mehr als einem schlichten Aufruf nach der Gleichberechtigung der Rassen ins Kino lockte - mit moderater Action, einigen lockeren Szenen und einem nervenaufreibenden Spannungsbogen. Wenn es je einem Film gelungen ist, eine ernste politische Thematik wirksam zu verkaufen, dann In the Heat of the Night.

Der Film staubte bei den Oscars 1968 fünf Auszeichnungen (bei sieben Nominationen) ab - inklusive "Bester Film" und "Bester Hauptdarsteller" (Rod Steiger). Diese Ehrungen sind keinesfalls übertrieben. In the Heat of the Night ist ein hochinteressanter und spannender Thriller, der mit guten Darstellern und einem gut geschriebenen Drehbuch besticht. Die Darstellung von Gewalt von Weissen an Schwarzen ruft auch heute noch wütende Gefühle hervor und damit wäre wohl das Ziel erreicht.

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Wrestling Ernest Hemingway

4.5 Sterne

In der Filmgeschichte gibt es eine nicht ganz kurze Epoche, die viele Filmfreaks erschauern lässt: die Komödienzeit der 80er- und 90er-Jahre. Die Filme dieser Zeit sind uns grösstenteils deshalb bekannt, weil sie immer mal wieder im Abendprogramm von RTL und VOX zu sehen sind. Zwar ist fast keiner der Filme so richtig schlecht - es finden sich sogar einige Perlen darunter (Groundhog Day, Trading Places, Planes, Trains and Automobiles) - doch anfreunden will man sich mit ihnen nicht so recht - dies mag unter anderem auch an den etwas antiquierten Synchronisationen liegen. Ein eher unauffälliger Film aus dieser Sparte - Wrestling Ernest Hemingway aus dem Jahre 1993 - passt perfekt in diese Reihe. Er ist nicht allzu ehrgeizig, aber dennoch einfühlsam und auf eine angenehme Weise absurd.

Nimmt man Wrestling Ernest Hemingway etwas genauer unter die Lupe, wird man sich zuerst wohl unweigerlich fragen, ob es sich beim Cast um einen Irrtum handelt. Man erblickt sofort Namen wie Robert Duvall, Richard Harris, Shirley MacLaine und Sandra Bullock, welche man allesamt nicht in einem derartigen Film erwarten würde. Sollten sich die inzwischen schön etablierten Vorurteile gegenüber 80er- und 90er-Jahre-Komödien etwa als falsch erweisen? Oder stellt Wrestling Ernest Hemingway - allein schon der Titel ist einen Schmunzler wert - die berühmte Ausnahme der Regel dar? Weder noch. Doch der Reihe nach: Die Darsteller sind ein Hingucker, ganz ohne Frage. Wrestling Ernest Hemingway bietet Schauspielleistungen auf höchstem Nieveau. Die beiden Hauptakteure - Richard Harris und Robert Duvall - spielen absolut glaubwürdig und verleihen ihren schrulligen Figuren den nötigen Charme und viel Charakter. Besonders Duvall besticht durch das glaubwürdige Spielen des naiven Walter, der sich in die für ihn viel zu junge Elaine (Sandra Bullock kurz vor ihrem Durchbruch mit Speed) verliebt. Doch auch Richard Harris ist ein Hochgenuss, besonders wenn er wieder angibt, wie viele Frauen er in seinem Leben bereits gehabt hat, oder zum hundertsten Mal wiederholt, wie toll seine Mütze ist.

Leider schürt der deutsche Titel des Films - Walter & Frank - Ein schräges Paar - die falsche Erwartung: Man erwartet einen Buddy-Dialogfilm à la The Odd Couple. Dabei ist Wrestling Ernest Hemingway ein bedächtiger Film, der auch nicht davor zurückschreckt tragische Seiten des Lebens aufzuzeigen - besonders das Leben älterer Herren, die sich langsam mit der Endlichkeit des Daseins auseinanderzusetzen haben. So werden etwa Themen wie Entfremdung und Schrulligkeit angesprochen, ohne jedoch auf die Tränendrüse zu drücken. Im Gegenteil: Auch ernstere Passagen sind mit gutem, zuweilen gar abstrusem Humor gespickt, welche einem selbst in der traurigsten Szene noch ein Lächeln bescheren können.

Drehbuchautor Steve Conrad hat seine Aufgabe, eine solide Tragikomödie zu schreiben sehr gut erfüllt, obwohl gesagt werden muss, dass einige Witzchen, die eher in die Kategorie "flau" fallen, zu stark strapaziert wurden, was bei 123 Minuten Laufzeit auch einen kleinen Überdruss zur Folge haben kann. Doch andererseits heben herrliche Dialoge zwischen Richard Harris und Robert Duvall oder Shirley MacLaine den Film in flacheren Momenten wieder auf ein höheres Niveau zurück. Wunderschön wurde überdies die Naivität von Walter beschrieben, der in seinen extremsten Momenten ein bisschen an Raymond Babbit aus Rain Man erinnert.

Wrestling Ernest Hemingway spielt im Rentnerparadies Florida, welches zwar von Routinier Lajos Koltai schön in Szene gesetzt wurde, aber in keinster Weise etwas Neues zu bieten hat. Es werden überwiegend sonnige und entspannte Bilder gezeigt, die sehr konventionell gemacht wurden, aber immerhin die Augen des Zuschauers zu erfreuen vermögen. Auf der anderen Seite passen die Bilder hervorragend zur kubanischen Musikuntermalung, welche einen den ganzen Film hindurch berieselt.

Man kann sich über die 80er- und 90er-Jahre-Komödien sagen, was man will, aber ihr Charme und ihr nostalgischer Wert ist nur schwer zu übetrumpfen. So ist auch Wrestling Ernest Hemingway ein vergnügliches Lehrstück über das Altern. Will man einmal zwei Stunden entspanntes (Heim-)Kino geniessen, dann empfiehlt sich Randa Haines' Film wirklich. Und nicht vergessen: Sollte es keine Specksandwiches auf der Speisekarte im Lieblingsrestaurant haben, dann kann man sich einfach die nötigen Zutaten bestellen und sich selbst eins machen.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Burn After Reading

5.5 Sterne

Die Gebrüder Joel und Ethan Coen - für viele die besten Regisseure unserer Zeit - fühlen sich nicht so richtig wohl, wenn ihre Arbeit von der Allgemeinheit gelobt wird und sie mit Oscars belohnt werden. So drehten sie jeweils gleich im Anschluss an solche eher ernsten Projekte - Blood Simple, Fargo oder Barton Fink, der allerdings auch die etwas spinnerte Coen-Handschrift trägt - lustige, leichte und quasi bedeutungslose Filme - Raising Arizona, The Big Lebowski und O Brother, Where Art Thou?. Meistens waren diese Filme unter den Kritikern verpönt und genossen kein hohes Ansehen. Erst im Nachhinein wurde zum Beispiel die Genialität eines Dude (Jeff Bridges in The Big Lebowski) entdeckt. Auch Burn After Reading wird die Fanmasse von No Country For Old Men enttäuschen. Coen-Aficionados hingegen werden ihre helle Freude haben.

Wenn man sich auf Wikipedia über Joel und Ethan Coen schlau macht, entdeckt man das Kapitel "Stylistic Devices". Gewalt sei ein wiederkehrendes Stilmittel bei den beiden Brüdern, heisst es da. Auch Missverständnisse, Geld, verschiedene Darstellungen von Amerika und eine spezielle Form des Dialogs finden in diesem Kapitel Erwähnung. Alle diese Elemente findet man auch in Burn After Reading.

Die Brüder sagten bereits in mehreren Interviews, dass die Idee zu Burn After Reading eigentlich nur entstand, weil sie ein Drehbuch schreiben wollten, in welchem George Clooney, Brad Pitt, Frances McDormand, John Malkovich und Tilda Swinton vorkommen. Dieses Skript schien ihnen so gefallen zu haben, dass aus der Denkübung ein echter Film entstand, den sie gleich im Anschluss an No Country For Old Men drehten. Die Schauspieler werden auch der Hauptgrund sein, warum Otto Normalkinogänger Interesse am neuesten Werk der Coens bekunden wird. Die Darsteller spielen ganz im Sinne des Films: Niemand weiss, was er oder sie tun soll. Dies fängt beim heimlichen Helden von Burn After Reading - John Malkovich - an. Er spielt den CIA-Veteranen Osbourne Cox, der gerne mal einen über den Durst trinkt und das loseste Mundwerk in ganz Langley Falls besitzt. Sein Fluchen wird im Werk der Coen-Brüder wohl nur noch von Jeff und Walter in The Big Lebowski übertroffen und er ist sogar noch wütender und brutaler als Ralph Fiennes in Martin McDonaghs In Bruges. Unsympathisch? Natürlich! Aber damit ist er in Burn After Reading nicht allein. Katie Cox, gespielt von Oscar-Gewinnerin Tilda Swinton, ist eine eiskalte Zicke und wohl noch die intelligenteste Figur des Films, was allerdings nicht viel heisst. Swinton spielt hervorragend und gefällt hier sogar besser als in Michael Clayton. Ihr Gegenpart aus dem Anwaltsfilm mimt hier ihren Liebhaber: George Clooney schlüpfte in die Rolle des paranoiden Sexsüchtigen Harry Pfarrer und vollendet damit seine "Idioten-Trilogie" - nach O Brother, Where Art Thou? und Intolerable Cruelty. Er trifft leider nur einmal auf seinen guten Freund Brad Pitt, der wohl die nächste Kultfigur im Coen-Universum wird. Chad Feldheimer ist ein ausgemachter Schwachkopf, der Wörter, welche ihm nicht einfallen wollen mit "Shit" ersetzt, und dem es an Selbstvertrauen nicht mangelt. Und zu guter Letzt sollte man auch noch Frances McDormand, Ehefrau von Joel Coen, nicht vergessen. Ihre Figur ist zwar unscheinbar, aber genauso intrigant und unsympathisch wie der Grossteil der anderen Akteure. Sie bringt zudem eine sehr zynische Komponente - den amerikanischen Jugendwahn - sehr gekonnt rüber. In kleineren Rollen sind überdies noch J.K. Simmons und Richard Jenkins zu sehen, die beide einige Lacher zu verbuchen haben.

Worüber man sich bei Joel und Ethan Coen selten beschweren kann, ist das Drehbuch. Auch hier haben sie ein Meisterwerk sondergleichen geschrieben. Die ganze Erpressungsgeschichte ist in gesundem Masse überzeichnet und mit sehr viel Ironie gewürzt. Burn After Reading ist ein aufgeplusterter Agentenfilm, der alles andere als ernst gemeint ist und immer mehr in Verstrickungen und Verschwörungen abdriftet. Dennoch wird auf der Leinwand nicht herumgeblödelt, sondern es wird eine überaus spannende Geschichte erzählt, welche zwar etwas Denkarbeit erfordert, sich aber als nicht übertrieben kompliziert erweist, was ein problemloses Mitkommen ermöglicht. Einmal mehr begeistern auch die meisterhaft geschriebenen Dialoge der Coens. Jeder dämliche Spruch passt perfekt zur jeweiligen Figur, jedes "Fuck" ist brillant gesetzt und fügt sich herrlich in den Erzählfluss ein.

Leider holpert der Film während der Exposition einige Minuten lang etwas, doch das ist schnell vergessen - allein schon der Score von Carter Burwell, der geschickt mit Kontrapunktierungen arbeitet, ist ein Meisterstück sondergleichen. Vielfach werden Szenen mit einer bombastischen Orchestrierung unterlegt, sodass der Zuschauer sich der Sinnlosigkeit des Moments nicht einmal voll bewusst ist - ein gelungener Seitenhieb auf überkandidelte Agentenstreifen wie beispielsweise die Bourne-Trilogie.

Auch die Kameraführung erinnert an einen Spionagefilm, vor allem die Eingangssequenz, in welcher aus dem All in das CIA-Hauptquartier hineingezoomt wird. Dem Kameramann Emmanuel Lubetzki - bekannt aus Filmen wie Ali, Hearts in Atlantis oder Children of Men - soll an dieser Stelle in aller Form gratuliert werden.

Auch wenn man dabei sehr vereinfacht, könnte man sagen, dass Joel und Ethan Coen das Pixar der Realspielfilme sind. Kaum jemals liefern die beiden Regiegenies einen Flop ab und selbst schwächere Produktionen können in einzelnen Punkten begeistern. Burn After Reading wird vielen Zuschauern nicht gefallen, weil sich diese bereits an einen ernsten Umgangston à la No Country For Old Men gewöhnt haben. Burn After Reading ist alles andere als ernst - eher im Gegenteil. Der Film ist hervorragend gemacht, aber dennoch dämlich und verrückt. Davor kann man wirklich nur den Hut ziehen.

Hellboy II: The Golden Army

4 Sterne

Mike Mignolas Comic Hellboy - erschienen bei den Dark Horse Comics, wo auch Frank Millers 300 verlegt wurde - geht im Kino in die zweite Runde. Nach dem sehr unterhaltsamen ersten Teil, dessen Story aber ziemlich abgedroschen und schwach wirkte, folgt nun der zweite Teil - erneut unter der Regie von Guillermo del Toro. Hier wurde der Inhalt völlig umgekrempelt. Das Resultat ist ein knalliger, ironischer und überkandidelter Humbug.

Wer Pan's Labyrinth gesehen hat, wird sich in Guillermo del Toros neuestem Streich häufig an den mehfachen Oscargewinner erinnern. Es wurden viele Stilelemente wiederverwendet und auch technisch erinnert Hellboy II: The Golden Army an die schaurige Fabel von 2006. Für die Academy ist die Comicverfilmung aber höchstwahrscheinlich uninteressant. Zwar überzeugt die meisterhafte Kameraarbeit von Guillermo Navarro, der für Pan's Labyrinth bereits eine Goldstatuette erhielt, und auch die Special Effects sind sehr solide gemacht, doch Comicverflimungen haben bei den Oscars sowieso immer einen schweren Stand. Ausserdem geht der neue Hellboy sang- und klanglos gegen die Marvel- und DC-Adaptionen Iron Man und The Dark Knight unter, welche die technischen Oscars nächstes Jahr wohl unter sich ausmachen dürften.

Trotzdem darf man mit Hellboy II: The Golden Army zufrieden sein. Denn der Film unterstreicht einen anhaltenden Trend in Hollywood, der als höchst positiv zu werten ist: Auch bei sogenannten "hirnlosen" Filmen, zu denen man den Grossteil der Comicverfilmungen wohl zweifelsfrei zählen darf, wird nun auf ansprechende Schauspielleistungen Wert gelegt. Robert Downey Jr. begeisterte die Massen als Tony Stark in Iron Man, Will Smith konnte in Hancock überzeugen und selbst Tobey Maguire gibt sich in den Spiderman-Filmen redlich Mühe, eine gute Leistung zu bringen. Auch der zweite Teil von Hellboy - beim ersten Teil waren die Meinungen zu den Schauspielern eher zwiespältig - schafft es, gute Darsteller zu bieten. Sogar der ansonsten etwas steife Ron Perlman verleiht der Hauptfigur viel Sympathie und kann seinen Catchphrase "Oh, crap!" auch beim zehnten Mal noch witzig vortragen. Hinzu kommt Hellboys hünenhaftes Aussehens, welches in perfekter Harmonie zu Ron Perlmans Stimme steht, und fertig ist der ideale Protagonist. Begleitet wird dieser vom Fischmenschen Abe - gespielt von Doug Jones, der auch gleich noch die Rollen von zwei weiteren Fabelwesen übernahm - der sich zum ersten Mal in seinem Leben verliebt, was die Story stellenweise etwas gar holprig macht, seiner Freundin Liz (Selma Blair), mit welcher er sich einige Male handfest streitet, und Johann Krauss, der von Family-Guy-Schöpfer Seth MacFarlane gesprochen wird und die perfekte Karikatur eines Deutschen abgibt. Wer sich im ersten Teil über Selma Blair aufgeregt hat, dürfte hier mit ihr etwas zufriedener sein, da sie ihre Kräfte nun endlich im Griff hat und einige flotte Sprüche abschiesst, anstatt nur herumzujammern. Als Antagonist hält dieses Mal Luke Goss alias Prinz Nuada den Kopf hin. Er hat viel Ähnlichkeit mit Jeremy Irons in The Time Machine und ist böse genug, um als akzeptabler Bösewicht durchzugehen. Vollendet wird der Cast durch John Hurt, der eine kleinere Szene in einer Rückblende zu spielen hat - seine Figur ist tot - und Jeffrey Tambor als hohes Tier im Geheimdienst B.P.R.D. (Bureau for Paranormal Research and Defense).

Schauspielerisch gefällt Hellboy II: The Golden Army sehr, doch leider gibt es auch einige Wehrmutstropfen zu beklagen. So scheint Guillermo del Toro aus Hellboy die falschen Lehren gezogen haben. Ihm scheint zwar aufgefallen zu sein, dass für den ultimativen Erfolg eine interessantere Story vonnöten gewsen wäre, doch er kam nicht auf die Idee, dass man die Geschichte nicht bis ins Lächerliche überzeichnen sollte. Die Story erinnert anfangs zu stark an The Lord of the Rings, was nicht jedem zusagen wird. Obowohl man durchaus Gefallen am spinnerten Drehbuch - geschrieben von Guillermo del Toro - finden könnte, wird einem die Stilisierung der Parteien Gut und Böse bald einmal zu viel. Auch der Endkampf im asiatischen Stil ist zu überkandidelt und erinnert zu stark an Kill Bill oder Crouching Tiger, Hidden Dragon. Eine weitere Schwäche des Films ist die Betonung der Liebesgeschichten. Bereits in Hellboy nervte man sich über die Liebsgeschichte zwischen Liz und Hellboy, nun stören einen die Turteltäubchen Abe und Prinzessin Nuala (Anna Walton) - die Zwillingsschwester von Nuada - die auf peinlichste Weise miteinander flirten. So muss man am Ende einsehen, dass die Figur Abe Sapien nicht dafür gemacht ist, sich zu binden. Er ist auf eine angenehme Art naseweis, er ist intelligent und hat auch seine komischen Einlagen, verliebt will man ihn aber wirklich nicht sehen.

Bei Hellboy II: The Golden Army handelt es sich um eine weitere, bedeutungslose Comicverfilmung, die aber mit einer brillanten Kameraführung, guten Schauspielern, beeindruckenden Special Effects und vielen coolen und witzigen Sprüchen zu glänzen vermag. Sucht man erzählerische Tiefe oder glaubwürdige Twists, ist man bei diesem Film an der falschen Adresse. Hellboy II: The Golden Army ist ein unterhaltsamer Actionstreifen, der sich überhaupt nicht ernst nimmt und mehrmals mit herrlicher Selbstironie auftrumpfen kann. Ausserdem lernt man, dass das Tor zwischen unserer Welt und derjenigen der Fabelwesen mitten in New York liegt. Öfter mal was Neues.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

WALL·E

6 Sterne

Die Spannung war gross. DreamWorks hat im Sommer Kung Fu Panda lanciert, welcher zwar ziemlich dürftig war, in der Beliebtheitsskala aber weiterhin ganz oben steht. Solche Popularität war bzw. ist dieses Jahr lediglich Mamma Mia! und Bienvenue chez les Ch'tis vergönnt. Ob WALL·E da mithalten kann, ist fraglich, denn der neueste Pixar-Streich wirft so ziemlich sämtliche bekannten Animationsfilm-Konventionen über den Haufen.

Kaum war der erste Teaser zu WALL·E erschienen, fragten sich die Leute kopfkratzend, ob Pixar den Verstand verloren hätte. Um die Reaktion zu begreifen, muss etwas weiter ausgeholt werden. 1994 - 15 Jahre nach der ursprünglichen Gründung von Pixar - fanden sich die führenden Köpfe des Studios zu einem Mittagessen ein, welches in die Geschichte eingehen sollte. Andrew Stanton, Regisseur von Finding Nemo und WALL·E, Peter Docter, John Lasseter und einige mehr waren dabei, als über verschiedenste Projekte gesprochen wurde. Die Grundsteine für Toy Story, A Bug's Life, Monsters, Inc. und Finding Nemo wurden gelegt. Doch es wurde auch über einen kleinen Roboter gesprochen. Ein Roboter namens WALL·E räumt die von den Menschen verlassene Erde auf, weil ihn jemand abzustellen vergass. Seit diesem Mittagessen sind fast noch einmal 15 Jahre vergangen. Und nun sind die Verantwortlichen endlich dazu gekommen, auch die letzte Idee dieses Tages zu realisieren. Doch WALL·E unterscheidet sich grundlegend von den anderen Pixar-Filmen. Das war der Grund, weshalb sich die Leute gefragt haben, ob Pixar genug Geld hätte, um ein solches Risiko einzugehen. Eine Figur, die quasi nicht spricht? Wo bleibt der für Pixar so typische Wortwitz? Die Hauptfigur ist ein Roboter?! Aber der hat ja überhaupt keinen Charme!

Diese Befürchtungen - das sei schon einmal gesagt - waren unbegründet. WALL·E ist ein Meisterstück, wie man es vom Studio mit der Lampe inzwischen gewohnt ist. Dennoch erleidet der Zuschauer im Kino einen gewissen Schock, denn sein Bild von Disney wird mehr oder weniger zerstört. Einige amerikanische Kritiker nannten WALL·E den zynischsten und kritischsten Disney-Film aller Zeiten. Die Erde ist zugemüllt, die Menschen haben sich feige verzogen und sind in der Zwischenzeit - 700 Jahre, um der Wahrheit die Ehre zu geben - jämmerliche, unbewegliche Fettklopse geworden. Es waren zwar auch Stimmen zu hören, welche beklagten, dass die Öko-Botschaft zu stark betont wurde. Das mag sein, doch wenn bereits in einem Animationsfilm darauf hingewiesen werden muss, dass wir das Auslastungsvermögen unseres Planeten unnötig strapazieren, dann muss es schon sehr schlimm um unsere Umwelt stehen. Und mittendrin in diesem Gebirge aus Müll - die traurigen Überreste einer gedankenlosen Konsumgesellschaft - schuftet ein kleiner Roboter, der bei der Flucht der Menschen nicht abgeschaltet wurde. Er verarbeitet Müll zu Quadern, die er pflichtbewusst aufstapelt - ein mechanischer Sisyphos sozusagen. In seiner Arbeit gibt es ein Ziel, welches er niemals erreichen kann. Doch trotzdem arbeitet der kleine Kerl unermüdlich und wächst auf diese Weise dem Zuschauer sofort ans Herz. Mit der Zeit hat WALL·E nämlich gelernt, Gefühle zu verspüren - man erinnert sich an Marvin aus The Hitchhiker's Guide to the Galaxy, den Prototypen für GPP (Genuine People Personality). Der Arbeitsroboter hat sogar gelernt, wie man sich verliebt, da er sich jeden Abend auf seinem iPod Hello, Dolly in einer Endlosschleife ansieht. Überhaupt sind die ersten 40 Minuten des Films, in denen sich die Figurenzahl auf drei beschränkt (WALL·E, EVE, Kakerlake), eine cineastische Offenbarung und suchen seinesgleichen. Es wird fast nicht geredet und die Kameraeinstellungen - Visual Consultant war immerhin Roger Deakins - sind geradezu atemberaubend.

Die Figuren in WALL·E haben einen ganz speziellen Charme. Nicht nur die Titelfigur, sondern auch EVE, M·O und der Raumschiffkapitän sind gelungene Protagonisten. Zwar überzeugt auch dieses Mal der Bösewicht nicht besonders, doch der Autopilot AUTO war vermutlich nur als Hommage an HAL aus 2001: A Space Odyssey - auf den Film wird mehrere Male angespielt - gedacht. Das Herzstück des Films ist die Liebesgeschichte zwischen WALL·E und EVE, die hervorragend funktioniert. Man freut sich und leidet mit den beiden Androiden mit und darf immer mal wieder herzlich über die tollpatschigen Annäherungsversuche des kleinen Müllroboters lachen. Hier wurde eine Romanze realisiert, die sich vor den Klassikern - beispielsweise Frank Capras Filmen - nicht verstecken muss. Im Gegenteil, WALL·E fügt sich in Sachen Human Interest nahtlos in die Reihe von grossen Klassikern ein - gleich neben Mr. Smith Goes to Washington und It Happened One Night. Man kann sogar so weit gehen und sagen, dass in WALL·E mehr menschliche Wärme und mehr Gefühl verborgen liegt als in 90% aller Hollywood-Unterhaltungsfilme mit richtigen Menschen. Und das ist wirklich nicht übertrieben!

Einen ganz besonderen Reiz haben bei Pixar ja auch immer die Animationen. Und wieder einmal wurden sämtliche bisherigen Konventionen durchbrochen. WALL·E & Co. scheinen fotorealistischer als alles Bisherige zu sein. Hier wurde seit dem auch schon genial animierten Ratatouille wieder ein grosser Schritt gemacht.

Es lässt sich darüber streiten, ob WALL·E besser als andere Pixar-Filme ist - wie beispielsweise Ratatouille, Toy Story oder Monsters, Inc.. Dennoch hat der Film mit dem Roboter etwas, was bei den anderen Filmen fehlte: sehr viel glaubwürdige Romantik und einen Hauptdarsteller, den man - obwohl es sich um eine Maschine handelt - am liebsten als Haustierchen hätte. Pixar hat mit WALL·E erneut Massstäbe gesetzt und nun wäre es wünschenswert, wenn sich die Verantwortlichen wieder zu einem Mittagessen zusammensetzten, um die nächsten 15 Jahre zu planen.

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Get Smart

4.5 Sterne

Darauf hat die Welt gewartet! Eine Verfilmung der Comedy-Serie Get Smart, die aus der Feder von Mel Brooks stammt. Man ersetzt den alten Maxwell Smart Don Adams durch einen aktuellen, beliebten Komiker - Steve Carell - und voilà! Fertig ist eine Agentenparodie, die sich sehen lassen kann! Skeptikern sei gesagt: Sieht man den Film mit der falschen Einstellung, dann wird nichts aus dem Filmvergnügen!

Ursprünglich wollte sich der Rezensent ja The Dark Knight noch einmal zu Gemüte führen, haben doch die Leinwände in Malta eine ziemlich beachtliche Grösse. Doch dummerweise hatte der Batman einen Defekt, so musste der Autor kurzerhand auf Get Smart umsteigen. Hat es sich gelohnt? Und wie!

Der Spassfaktor von Get Smart trägt im Prinzip nur einen Namen: Steve Carell. Der Mann zeigt einmal mehr, dass er Will Ferrell den Titel "Lustigstes Mitglied des Frat-Packs" zurecht abgenommen hat. Nicht nur hat der unscheinbare Carell das Talent, herrlich blöd und hirnrissig zu spielen, sondern er kann auch mitunter in eher ernsteren Komödien sein ganzes Talent ausspielen. Dies hat er bereits in Little Miss Sunshine und Dan in Real Life zur Genüge bewiesen. Doch in seinem neuesten Film muss er natürlich auf sein Blödeltalent zurückgreifen. Er spielt den trotteligen Maxwell Smart mit viel Elan, Ironie und bringt immer mal wieder einen saukomischen, weil extrem trockenen Spruch, der die Fähigkeit hat, den Zuschauer beinahe aus dem Sitz zu reissen. Dwayne Johnson, Anne Hathaway und Alan Arkin, die dennoch allesamt genügend Lacher auf ihrer Seite haben, sind da lediglich Beigemüse. Erwähnenswert sind vielleicht noch Bill Murray, der für ein paar Sekunden zu bestaunen ist, James Caan als Präsident - der sehr offensichtliche "Präsident im Kindergarten"-Gag wird wieder einmal benutzt - und Terence Stamp als Bösewicht.

Der Reiz von Get Smart liegt weder in allzu viel Wortwitz - obwohl es davon auch einige Kostproben gibt - noch in einer spannenden Story, sondern in seinem Slapstick und vielen absurden Situationen. Im Kinosaal ist die Hölle los, wenn Maxwell Smart den Antagonisten Siegfried fragt, ob er es glauben würde, wenn er sagte, dass vor dem Hauptquartier Chuck Norris mit einer BB-Gun stünde. An abstrusen Situationen fehlt es Get Smart beileibe nicht. Einziger Wehrmutstropfen, was den Humor angeht, sind die teils etwas primitiv und kindisch geratenen Fattie-Szenen, die einfach zu stark klischiert wurden.

Leider schaffte es Regisseur Peter Segal, der bereits die gelungenen Komödien Naked Gun 33 1/3 und Anger Management drehte, nicht, nervenden Konventionen aus dem Weg zu gehen. Die obligate Liebesgeschichte bremst den Schwung des Films mehr als einmal und bietet auch nicht viel Stoff für Witze.

Doch nichtsdestotrotz erfreut Get Smart den Komödienfan, der schon lange angefangen hat, Nonsens-Parodien wie Hot Shots oder Naked Gun zu vermissen. Natürlich war auch bei diesen 80er- und 90er-Jahre-Streifen viel Müll dabei, aber immerhin erhoben sich zu dieser Zeit grosse Klassiker, deren Erbe heutzutage kaum ein Film anzutreten vermag. So gesehen ist Get Smart geradezu eine Erlösung, denn hier wird der pure Klamauk im klassischen Sinne vorgeführt. Der Film lässt auch den nicht ganz so tollen Johnny English vergessen, was einem viel Hoffnung für die amerikanische Komödienindustrie gibt.

Get Smart kann es nicht mit den ganz grossen Klamaukkomödien aufnehmen. Trotzdem wird man, wenn man diese Art des Lustspiels mag, voll und ganz auf seine Rechnung kommen. Es wird geschossen, gefahren und gewitzelt, was das Zeug hält. Da braucht es auch keine Riesenleinwand, die bei The Dark Knight von Vorteil gewesen wäre. Und was will man mehr?

Dienstag, 7. Oktober 2008

Pineapple Express

3.5 Sterne

Die Kinos werden zurzeit mit Judd-Apatow-Filmen regelrecht zugemüllt. Nun steht wieder ein Projekt des Comedy-Übervaters an, bei welchem er produzierte und mitschrieb. Pineapple Express ist ein Film in der Tradition von Superbad - er befasst sich mit einem aktuellen Thema und beleuchtet es von einer ungewöhnlicher Seite. Das gelingt zwar ganz gut, scheitert aber teilweise an der eigentlichen Grundidee.

Der Name Pineapple Express rührt von einem Windsystem her, das an der kalifornischen Küste jeweils für viel Regen und hohe Wellen sorgt. Damit hat der Film Pineapple Express aber mitnichten etwas zu tun. Es geht ums Kiffen, mehr nicht. Die Hauptfigur ist ein Loser, der sich den ganzen Tag Joints reinzieht - sogar während der Arbeit. Er wischt die Einwände anderer Personen, er zerstöre mit dem Stoff seinen Körper und damit sein Leben, einfach weg und steckt sich grinsend die nächste Tüte an. Der Film von David Gordon Green verherrlicht das Schwelgen im süsslichen Qualm keineswegs, vielmehr wird aufgezeigt, wozu bekiffte Menschen fähig sein könnten - wenn man sie nur lassen würde. Wenn man so einen Bekifften eines Abends einfach mal in eine etwas abstruse Situation rutschen lassen würde, dann könnte daraus - so lässt sich aus dem Film schliessen - noch etwas ganz Lustiges werden. Denn lustig ist Pineapple Express allemal. Ohne Adam Sandler im Team, der wohl hauptverantwortlich für das schwache Drehbuch von You Don't Mess with the Zohan war, scheint sich Judd Apatow mit seinen Schreibkameraden Evan Goldberg (Autor von Superbad) und Seth Rogen vollständig entfalten zu können. Viele Pointen und Sprüche sind brillant gesetzt ("This is what our grandchildren will smoke one day!") und man darf über so manche absurde und lächerliche Szene herzhaft lachen. So kommt man beispielsweise kaum nach, wie oft Danny McBride während des Films erschossen wird. Leider braucht der Film seine Zeit, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Bis zur 80. Minute ist Pineapple Express mit unwürdigen und allzu dämlichen Sprüchen gespickt, welche manche Szenen doch sehr langsam vorbeigehen lassen. Genial hingegen ist die vielgescholtene Schlussszene, die aus einem ungefähr fünfminütigen Gespräch zwischen den drei Protagonisten besteht, was am Ende bloss darauf hinausläuft, dass die drei Schwerstverwundeten ihr Frühstück beenden und ins Krankenhaus fahren. So ein Brüller zum Schluss entschädigt zumindest schon einmal halbwegs für die unzähligen flachen Kifferwitze, die wohl mit einem leichten Schwips (oder unter dem Einfluss von Hanf) noch ganz amüsant wären.

Ein Lob gebührt Judd Apatow für seine Schauspielerwahl. Einmal mehr hat er auf Seth Rogen gesetzt, der ja bereits in Knocked Up zu glänzen wusste und seine Kollegin Katherine Heigl an die Wand witzelte. Seine Figur ist schon fast bemitleidenswert, wie dümmlich sie sich in den einfachsten Situationen anstellt. Übertroffen wird diese Dämlichkeit nur noch von Rogens Schauspielkollegen James Franco - der Dealer Saul - der es locker fertigbringt, mit einem in der Windschutzscheibe feststeckenden Fuss ein Auto zu lenken. Szenen, in welchen die beiden Schwachköpfe bekifft durch die Gegend hüpfen, gehören zum Besten, was in Pineapple Express geboten wird. Auch Danny McBride darf hie und da gehörig zulangen und ist bei näherer Betrachtung genauso jämmerlich wie die beiden Hauptfiguren. Erwähnenswert sind auch die beiden Antagonisten Rosie Perez, welche herrlich unsympathisch spielt, und Gary Cole, der den typischen Playboy-Gangster im Badeanzug mimt. Zudem finden sich in Pineapple Express einige mehr oder weniger bekannte Gaststars - so etwa James Remar oder Bill Hader, um einmal zwei zu nennen.

Was verbirgt sich hinter dem Film? Bei genauerer Betrachtung muss leider gesagt werden, dass Pineapple Express noch leerer und noch hohler als alle bisherigen Apatow-Projekte ist. Es lässt sich nicht einmal eine Art Moral daraus ableiten, da man bei diesem Versuch unweigerlich bei so etwas wie "Wenn du kiffst, wird alles besser!" landen würde. So muss man Pineapple Express einfach als 111-minütiges Spassvehikel ansehen. Dazu ist der Film aber bestens geeignet.

Samstag, 4. Oktober 2008

Son of Rambow

4 Sterne

Es gibt Ereignisse, deren enorme Folgen man gar nicht abschätzen kann. Das Konzert der Sex Pistols am 4. Juni 1976 war so ein Ereignis. Die Ermordung von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 ein anderes. Oder eben die Premiere von First Blood am 22. Oktober 1982. Viele Menschen - darunter auch eine Menge Jugendliche - sahen die Gewaltorgie und fingen an, sich für das Kino zu begeistern. Zu ihnen gehörte auch Garth Jennings (Jahrgang 1972), der als 11-Jähriger in den Genuss des ersten Rambo-Streifens kam. Nun drehte er einen Film, dessen Hauptfiguren ähnliche Gefühle für den Klassiker hegen wie er - pure Begeisterung.

Garth Jennings kennt man vielleicht von seiner ersten Regiearbeit - The Hitchhiker's Guide to the Galaxy - und bei Son of Rambow spinnert der Brite nahtlos weiter. Der renomierte Videoclipregisseur (Clips für Radiohead, Beck, Blur, R.E.M., Fatboy Slim und Badly Drawn Boy) reiht in seinem zweiten Kinofilm - besonders im ersten Teil - verrückte Szene an verrückte Szene und spielt auch mit Stilelementen wie gezeichnete Einschübe ins richtige Leben. Das von ihm verfasste Drehbuch ernthält auch einige gute bis sehr gute Dialoge und witzige Einfälle, krankt aber an der Unsicherheit, wie mit der ernsten Komponente von Son of Rambow umgegangen werden soll. So sind die Löcher in der Handlung immer dann am grössten, wenn von Komik zu Tragik gewechselt wird. Enstsprechend wird es einem im letzten Drittel des Films etwas zuviel. Dort überwiegt nämlich das Drama, doch trotzdem bleibt der Humor enthalten.
Son of Rambow erinnert in gewisser Weise an die Hollywood-Produktion Be Kind Rewind, denn auch hier wird das Selbermachen besungen. Es wird gezeigt, wozu die Fanatsie der Menschen - insbesondere von Kindern - fähig ist. Gleichzeitig wird Garth Jennings' Film den 80er-Jahren mehr als gerecht. Es wird ein akkurates Profil der Gesellschaftsverhältnisse im ländlichen England erstellt - die ersten Auswirkungen der Thatcher-Regierung und die Stellung der Religion sind Themen, die sehr sorgsam behandelt werden.
Und mittendrin befinden sich zwei Jungs, die, bewaffnet mit einer Videokamera, den Film First Blood nicht bloss nachstellen, sondern eine Fortsetzung davon drehen wollen. Der Sohn von Rambo soll darin mithilfe von Colonel Trautman den eingekerkerten Rambo befreien. Die beiden aufgestellten Bürschchen werden von den talentierten Schauspielern Bill Milner und Will Poulter dargestellt. Sie wirken glaubwürdig und nerven den Zuschauer zu keiner Zeit, was heutzutage für Jugendschauspieler bereits ein Talentausweis ist. Die restlichen Akteure sind zwar grösstenteils unbekannt - Jessica Stevenson könnte man aus Shaun of the Dead kennen, wo sie in einer sehr kleinen Rolle zu sehen war - glänzen aber dennoch in ihren teils doch sehr anspruchsvollen Rollen.
Das Hauptaugenmerk ist in Son of Rambow ganz klar auf die Freude an Amateurfilmen gerichtet. Bill Milner und Will Poulter - quasi die einzigen festen Grössen im Film, die restlichen Figuren tauchen nur sporadisch auf - vermitteln dem Zuschauer diese Message mit sehr viel Charme. Auch lassen sich immer mal wieder capraeske Ansätze entdecken. Die Kraft von Freundschaft und Liebe, die Leichtgläubigkeit als Tugend oder die Verehrung des Alltäglichen und Einfachen sind Elemente, die man schon in Klassikern wie Mr. Smith Goes to Washington oder You Can't Take It With You gesehen hat. Mit derartigen Einschüben offenbart Garth Jennings mit viel Bescheidenheit ein grosses Filmwissen, das man besonders bei jüngeren Regisseuren sehr gerne sieht.

Leute, die in den 80er-Jahren aufgewachsen sind oder diese Dekade schon im Erwachsenenalter miterlebten, werden an Son of Rambow sicherlich ihre Freude haben. Man wird nostalgisch, wenn man sieht, welche Werte und Alltagsfreuden vor 25 Jahren noch galten. Vom filmischen Standpunkt aus muss allerdings gesagt werden, dass aus Son of Rambow mehr hätte herausgeholt werden können. Das Drehbuch ist etwas zu unstet und die Handlung vollführt hie und da ein paar Bocksprünge, doch trotzdem hat Garth Jennings eine charmante und bescheidene Tragikomödie gedreht, die uns allen zeigt, dass die gut gemeinten Low-Budget-Produktionen halt immer noch die besten sind.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Tropic Thunder

5 Sterne

Bei kaum einem Komödianten spalten sich die Meinungen so sehr wie bei Ben Stiller. Da er in vielen Filmen gleich mehrere Funktionen übernimmt - Schauspieler, Regisseur, Autor, Produzent - sehen viele in ihm den schlechteren Judd Apatow. Jetzt fährt der Mann, der sich gerne mal exzessiv verkleidet, seinen vierten Kinofilm, den ersten seit acht Jahren. Mit Tropic Thunder soll das Publikum zurückgewonnen werden, welches sich nach Zoolander von Stiller abwandte. Ob er sie wirklich zurückgewinnen konnte, ist fraglich. Doch sicher hat er sich mit seinem neusten Film neue Freunde und neue Feinde gemacht. Die Diskussion wird weitergehen.

Der Filmkritiker Peter Travers schrieb in seiner Rezension, Tropic Thunder sei "Apocalypse Now in der Version von Borat". Damit liegt er überhaupt nicht daneben. Ben Stillers Film ist brachial, blutig und sogar eine Spur episch. Tropic Thunder ist eine Genre-Parodie, die man doch so schmerzlich vermisst hat. Stattdessen musste man sich Einheitsbrei wie Date Movie, Epic Movie, Meet the Spartans oder bald schon Disaster Movie - der Trailer verursacht Brechreiz - begnügen, was auf Dauer natürlich sehr frustrierend war. Auch war man es Leid immer nur das Nulltalent Carmen Electra im Bikini herumhüpfen zu sehen. Den Leuten, die sich nun angesprochen fühlen, sei Tropic Thunder sehr empfohlen - aus verschiedenen Gründen. Der Film ist lustig. Es werden nicht plump ganze Filmszenen kopiert, es wird das Genre Kriegsfilm persifliert und hie und da einzelne Anspielungen hineinmontiert. Ausserdem nimmt Ben Stiller hier das Filmbusiness ähnlich aufs Korn wie in Zoolander die Modewelt. Die Schauspieler im Film sind verweichlichte bis drogenabhängige Jammerlappen. Die Schauspieler, welche die Schauspieler spielen - kein Grund, verwirrt zu sein, es ist einfacher als es sich anhört - gehen fröhlich ans Werk und stellen ihre Figuren jeweils schön durchgeknallt dar. Die Liste der Stars, die in Tropic Thunder mitspielen ist länger als diejenige bei The Dark Knight - und keine wird vernachlässigt. Hauptdarsteller Ben Stiller, der neben der Regie auch noch als Produzent und Autor tätig war, spielt die Karikatur des abgehalfterten Actionhelden, der inzwischen nur noch Sequels dreht. Man erinnert sich spontan an Sylvester Stallone, dessen Rocky-Filme kein Ende mehr nehmen wollen. Komödiantisches Highlight der Hauptdarsteller ist sicher Robert Downey Jr., der einen Method-Actor zum Besten gibt und als schwarzer Ghetto-Bro den echten Brooklyner im Team - der hervorragende Brandon T. Jackson als Alpa Chino - in den Wahnsinn treibt. Zum Hauptdarstellertrio gesellt sich Jack Black, der zwar ein paar lustige Zoten zu bieten hat, gegen seine Kollegen aber klar den Kürzeren zieht. Ob es das jetzt war, wird sich manch einer fragen. Drei Stars, ist das alles?! Nein! Der grosse schauspielerische Reiz von Tropic Thunder liegt in seinen Nebendarstellern, die praktisch alle Hochkaräter sind. Jedoch wirkt keine Nebenfigur dazugeflickt oder etwa unnötig. Unter den Gaststars befinden sich Matthew McConaughey, Nick Nolte als lügender Veteran, Danny McBride als völlig verrückter Pyrotechniker - sein erster Film war Driving Miss Daisy und am Set von Freaky Friday blendete er fast Jamie Lee Curtis - Steve Coogan, Bill Hader, Tyra Banks, Christine Taylor, die Frau von Ben Stiller, Jon Voight, Jason Bateman, Jennifer Love Hewitt, Tobey Maguire und Mickey Rooney. Ein Gaststar steht allerdings über allen vorhergenannten. Jedem Kritiker muss es wehtun, das Lob zu schreiben, aber es muss sein. Tom Cruise, Scientology-Mitglied und arroganter Schauspieler, zieht die Show des Jahres ab. Selbst Filmfreaks dürften ihn nicht auf Anhieb erkennen, so gut wurde er verunstaltet - Bierbauch und Glatze natürlich inbegriffen. Er hackt immer schön auf Bill Hader herum und lässt sich mehrmals zu einem Tänzchen überreden. Selten so gelacht!

Eine weitere grosse Stärke von Tropic Thunder ist das knackige und - im wahrsten Sinne des Wortes - explosive Drehbuch, geschrieben von Ben Stiller, Etan Cohen und Justin Theroux. Ein genialer Spruch reiht sich an den nächsten und das Autorentrio lässt die Akteure mehrmals über die Mechanismen in Hollywood philosophieren. So berät Robert Downey Jr. etwa Ben Stiller, wie man die Academy beeindruckt - am Beispiel von Behinderten. Er zählt auf, wer bei der Academy Eindruck schinden konnte - Forrest Gump, Being There, Rain Man - und kommt zum Schluss, dass man nicht "fully retarded" sein kann, um einen Oscar zu gewinnen. Als Beweis wird Sean Penns Performance in i am sam herangezogen.

Nicht nur ist Ben Stillers Film eine gelungene Komödie, sondern auch ein waschechter Actionstreifen. Da fliegen Helikopter und Hauptquartiere über die Leinwand, dass es eine wahre Freude ist - untermalt von einem fetzigen Soundtrack. Auch in der Kategorie "Blood and Gore" kommt der Film ziemlich derb rüber. So wird einmal kurzerhand mit Steve Coogans abgetrenntem Kopf Fussball gespielt ("Look! I'm Dave Beckham!"). Dies wird einem zwar stellenweise etwas zuviel, vermindert den Spass am Film aber keineswegs. Leider verflacht das Ganze im Mittelteil etwas, dafür jedoch wird einem ein furioses, übertriebenes und für einmal wirklich politisch unkorrektes Finale geboten.

Tropic Thunder ist nichts für Zartbesaitete. Es wird geschossen, geflucht und getötet, was das Zeug hält. Die Schauspielleistungen stimmen, die Action kommt nicht zu kurz und zu Beginn gibt es drei Trailer und eine Werbung, die zeigen, was man von den verschiedenen Schauspielern denn so erwarten kann. Spätestens beim Trailer über zwei schwule Mönche hat man sich dem Gelächter ergeben.

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Babylon A.D.

3 Sterne

Mathieu Kassovitz
hat sich mit seinem ebenso schockierenden wie anschaulichen Pseudodokumentarfilm La Haine im deutsch- und englischsprachigen Raum einen gewissen Namen gemacht. Es folgten einige eher mittelmässige Produktionen - wie beispielsweise Gothika - und nun hat ihn Hollywood wieder engagiert. Dass das nicht gut kommen kann, war quasi vorprogrammiert. Dennoch hat er - so scheint es - zumindest ein Mindestmass an Unabhängigkeit bewahren können.

Wenn man Berichte vom Set von Babylon A.D. liest und hört, dann tut einem der arme Kassovitz richtig Leid. Ihm wurde Vin Diesel aufgezwungen, mit dem er prompt Streit bekam, die Produzenten liessen ihm kaum freie Hand und er wurde auch sonst bei seiner Arbeit behindert - wie soll man da in Ruhe ein als unverfilmbar geltendes Buch auf die Leinwand bringen? Kein Wunder, dass der Regisseur kurz nach der Premiere verlautbaren liess, er wolle mit Babylon A.D. nichts zu tun haben. Es wäre nicht sein Film, hiess es. Wenn man den Film sieht, kann man das schlecht abstreiten. Es kommen zu viele altbackene Actionszenen und Verfolgungsjagden vor, die Story - übernommen von Maurice G. Dantecs Buch - wirkt unnötig aufgebauscht und die Gesellschaftskritik geht beinahe unter. Trotzdem schimmert hie und da doch auch der Stil von Mathieu Kassovitz durch, etwa wenn ein Zug durch ein neues Tschernobyl fährt oder wenn langsam in eine postapokalyptische Welt hineingezoomt wird. Auch der etwas vertrackte Humor des Franzosen kommt stellenweise gut zum Tragen.

Selbst die Schauspieler können einigermassen überzeugen. Vin Diesel spielt ganz in der Tradition von Filmen wie xXx oder The Chronicles of Riddick. Toorop, seine Figur, wirkt nicht zu stark überzeichnet und unterhält den Zuschauer mit einigen gut gesetzten, sarkastischen Sprüchen. Eher schwächer sind die Nebendarstellerinnen Mélanie Thierry und ganz besonders Michelle Yeoh, welche die Entwicklungen ihrer Figuren etwas unglaubwürdiger spielen. Allerdings halten sich ihre Schwächen im Rahmen, sodass Babylon A.D. nicht schon an den Darstellern scheitert. Schauspielerisches Highlight des Films ist Gérard Depardieu, der einen russischen Mafiosi spielt und eine ungeheure Show abziehen darf.

An den Schauspielern liegt es definitiv nicht, dass Babylon A.D. einen etwas faden Geschmack hinterlässt. Was schon eher stört ist die Story, die für einen gewöhnlichen Actionstreifen einfach zu übertrieben dramatisch wirkt. Eine Sekte, die die Zivilisation mithilfe von Supermenschen wieder auf den richtigen Pfad führen will, ist zwar haarsträubend, passt aber trotzdem nicht zu einem Actionfilm. Dem Drehbuch kann man allerdings keinen Vorwurf machen, denn das ist solide geschrieben und legt den Protagonisten keine abgelutschten Floskeln in den Mund. Eric Besnard und Mathieu Kassovitz haben hier wirklich das Beste aus der komplizierten Vorlage gemacht. Ihnen ist es auch zu verdanken, dass der Film fast immer interessant bleiben kann und nicht langweilt. Trotzdem muss gesagt werden, dass diese Tatsache die Löcher in der Logik und der Story nicht zu flicken vermag.

Eine grosse Stärke von Babylon A.D. hingegen ist seine Bildervielfalt, die man dem Kameramann Thierry Arbogast zu verdanken hat. Er hat es bravourös verstanden, eine postapokalyptische Welt mit stimmigen Bildern darzustellen.

Mathieu Kassovitz' Aussage, Babylon A.D. sei nicht sein Film, kann man nicht zu 100% ünterschreiben. Er konnte einige sehr gute Ideen einbringen, doch die Produktionsleitung hinderte ihn offensichtlich daran, einen Independent-Film mit seinem eigenen Stil zu drehen. So kam leider nur ein mittelmässiger, aber immerhin interessanter Actionfilm heraus. Wir wünschen Mathieu Kassovitz für das nächste Mal verständnisvollere Vorgesetzte.

Dienstag, 30. September 2008

Faut que ça danse!

5 Sterne

Es ist mal wieder Zeit für einen leichten und fröhlichen französischen Film, der aber nicht die grosse Masse ins Publikum lockt. Doch kann nach Bienvenue chez les Ch'tis ein Film aus dem gallischen Raum noch reüssieren? Nun, ein kommerzieller Erfolg dürfte Noémie Lvovskys Komödie Faut que ça danse! nicht werden. Doch trotzdem spielt sich das vielfältige Schauspielerensemble direkt in die Herzen der Zuschauer.

Dem Gelegenheitskinogänger dürfte der Hauptdarsteller von Faut que ça danse! - Jean-Pierre Marielle - aus The Da Vinci Code bekannt sein, dort spielte der grosse, urfranzösische Mime den Museumsdirektor Saunière. Der Film floppte und von Marielle nahm niemand so richtig Notitz. Es ist zu hoffen, dass dem älteren Herrn nun etwas mehr Achtung entgegengebracht wird. Wer die Klassiker Hold-Up und Coup de torchon nicht gesehen hat, der sollte sich nun wenigstens Faut que ça danse! erbarmen, denn hier zeigt Jean-Pierre Marielle seine enorme Wandlungsfähigkeit und sein überragendes Schauspieltalent. Er bringt den Juden Salomon brillant auf die Leinwand, ein Mann, der einerseits unglaublich lebensfreudig, andererseits aber auch schwer traumatisiert ist - eine für eine Komödie sehr komplizierte Figur. Unterstützt wird Marielle von Valeria Bruni Tedesci (Schwester von Mme Sarkozy), Sabine Azéma, der für einen César nominierten Bulle Ogier, Bakary Sangaré, dessen Rolle auf der einen Seite zwar sehr lustig wirkt, auf der anderen Seite aber auch zu Tränen rühren könnte, und schliesslich Daniel Emilfork in seiner letzten Rolle als beflissener Arzt, der die abstruse Theorie hegt, übermässiger Geschlechtsverkehr führe zur Explosion der Prostata. Alle diese Akteure bewegen sich im Rahmen einer typischen, storyarmen Komödie, die aber gespickt ist mit Lebensfreude und Absurdität. Für einige Kritiker war gerade diese Absurdität der grösste negative Aspekt des Films. Man lege keinen Wert auf eine Szene, in welcher Salomon Hitler umbringt, tönte es beispielsweise auf OutNow.CH. Doch auch in der Internet Movie Database bringt es Faut que ça danse! bloss auf läppische 6.3 Sterne.

Ja, Noémie Lvovskys Film hat seine Schwächen, das ist so. Die Story ist etwas dünn geraten und auch spielt die Frau teilweise zu sehr mit dem Unverständlichen, so erscheinen einige Szenen Insider-Witze zu sein. Trotzdem sollte der Charme von Faut que ça danse! noch jeden überzeugen können. Mit einem Tempo und einer Fröhlichkeit, die den Film sehr jazzig machen, wird hier über die Liebe und das Älterwerden sinniert, immer vor dem Hintergrund einer etwas durchgeknallten französischen Familie.

Für Filmfreaks bietet Faut que ça danse! überdies noch diverse An- und Einspielungen verschiedenster Filme. So hören wir einen Monolog, was an The Godfather denn so toll sei, wir sehen eine eher widerliche Szene aus The Fly II und können uns über Steve Buscemi in In the Soup freuen. Wiederkehrendes Stilmittel ist der Tanzfilm Top Hat mit Salomons grossem Vorbild Fred Astaire.

Der Film ist bei weitem nicht perfekt, zeigt aber einmal mehr auf, wozu unsere westlichen Nachbarn fähig sind. Man fühlt sich wohl im Kino, man lacht und leidet mit den Protagonisten mit und so mancher ältere Zuschauer dürfte sich fragen, wo er denn Tanzstunden nehmen oder sich in einem Panzer verstecken könnte. Wen dieses Statement verwundert, dem sei gesagt: Faut que ça danse! muss man gesehen haben! Faut qu'on regarde!

Sonntag, 21. September 2008

You Don't Mess with the Zohan

3 Sterne

An dieser Stelle wurde ja bereits einmal über den Regisseur, Produzenten und Drehbuchautoren Judd Apatow sinniert. Nun steht ein weiteres Projekt, das die Hilfe des Mannes in Anspruch nahm (Drehbuch), an: You Don't Mess with the Zohan, ein neuer Frat-Pack-Film unter der Regie von Dennis Dugan (I Now Pronounce You Chuck and Larry). Wer sich auf einen Nonsens-Klamauk wie Dodgeball: A True Underdog Story freut, der muss enttäuscht werden.

You Don't Mess with the Zohan beginnt eigentlich ziemlich vielversprechend. Es wird geprügelt, geschossen und übertrieben, was das Zeug hält. Auch die teils sehr derben Zoten passen gut ins Bild. Doch bald schon wird man sich bewusst, dass in den folgenden zwei Stunden immer wieder auf die gleichen Witze gesetzt werden wird. Doch im Prinzip hätte man es voraussehen müssen.

Schon beim Ansehen des Casts muss man sich fragen, ob man sich den Film wirklich antun will. Man liest etwas von John Turturro, freut sich, liest aber anderswo auch, dass You Don’t Mess with the Zohan quasi eine Soloshow von Adam Sandler ist, den man schon weniger gern sieht als den kultigen Jesus Quintana aus The Big Lebowski. Und wenn man dennoch ins Kino geht? Dann wird einem gewiss: Adam Sandler ist schwach. Der Mann hat vielleicht den einen oder anderen guten Spruch drauf, doch ansonsten geht er dem Zuschauer über kurz oder lang auf die Nerven. Neben ihm kommt die gut ausgearbeitete Figur Phantom (John Turturro) viel zu kurz, obwohl dieser eine gelungene Karikatur des mondänen Terroristen wäre. Doch der Fairness zuliebe muss gesagt werden, dass man Sandler (Stichwort: Mr. Deeds) auch schon schlimmer gesehen hat. Die fehlende Gagvielfalt kann auch nicht ihm als Schauspieler in die Schuhe geschoben werden, dann schon eher ihm als Autoren. Die Drehbuchschreiber Sandler, Apatow und Robert Smigel konnten ihre an sich gute Idee nicht besonders gut ausbauen und setzten auf Sexwitze und herumgekickt werdende Katzen, was überhaupt nicht lustig ist. Auch Wortwitz ist so gut wie nicht vorhanden, ausser wenn das New Yorker Terroristentrio am Werk ist. Dann nämlich erlangt der Film eine Absurdität und Bissigkeit, die er ansonsten eher vermissen lässt.
Dies führt zu einem weiteren, gravierenden Problem: You Don’t Mess with the Zohan ist zahnlos. Bevor der Film startete, bekam man überall zu lesen, wie hier die politische Unkorrektheit zur Perfektion gebracht wurde. Hat man den Film gesehen, versteht man diese Jubelschreie beim besten Willen nicht. Kaum je wird ein bissiger Kommentar gemacht, ausser platten und anstössigen Witzchen auf Teenagerniveau wird einem nichts Brisantes geboten, obwohl doch der Stoff, der auf dem israelisch-palästinensischen Konflikt aufbaut, zu derartigen Persiflagen geradezu einlädt. Nein, nichts dergleichen, der Film bewegt sich in eher gemässigten Bahnen und hat selten einen wirklich bösen Spass vorzuweisen.

Dennoch darf während des Films ruhig mal geschmunzelt werden. Wenn John Turturro am Werk ist oder Zohan mal locker ein paar Randalierer verprügelt, ist mächtig was los. Auch die Karikierung der Möchtegern-Terroristen und der amerikanischen Rassisten oder die Hisbollah-Hotline laden zu mehreren Lachern ein. So hat man das Gefühl, dass, als diese Witze geschrieben wurden, Judd Apatow bei den Drehbuchautoren mal wieder vorbeigeschaut hat.

So gut und lustig, wie es im Vorfeld behauptet wurde, ist You Don’t Mess with the Zohan leider nicht geworden. Dies mag viele Ursachen haben. Die Hauptfigur wurde sicherlich falsch besetzt, denn Adam Sandler nervt auf Dauer wohl auch noch den hintersten und letzten Kinobesucher, und das Drehbuch wurde eines, wie man es schon viele Male vorher gesehen hat. Trotzdem kann man sich bei diesem Film mal wieder an kleineren, etwas altmodischeren Komödienelementen wie endlosen Telefonnummern oder stinkenden Füssen erfreuen. Wäre auf solche Lacher gesetzt worden, anststatt auf Teufel komm raus auf Neues und Freches, dann wäre aus You Don’t Mess with the Zohan vielleicht doch noch etwas Besseres geworden.

Freitag, 19. September 2008

Happy-Go-Lucky

4.5 Sterne

Die Arbeiterklasse Londons ist das Lieblingsthema vom alten Regiehasen Mike Leigh. Ähnlich wie sein etwas älterer und auch leicht zynischerer Kollege Ken Loach interessiert er sich für die Mittel- bis Unterschicht und bringt er immer mal wieder einen Film zu diesem Sujet ins Kino. Nun hat Leigh alle überrascht. Sein neuestes Werk - der beschwingte und fröhliche Happy-Go-Lucky - steht in starkem Kontrast zu seinem letzten Werk - dem viel bewunderten Vera Drake, der immerhin mit drei Oscarnominationen bedacht wurde, inklusive "Beste Regie". Happy-Go-Lucky sollte eine Komödie sein, doch hat man den Film gesehen, weiss man beim besten Willen nicht, was es nun wirklich ist.

Den ersten Lacher des Films bekommt man nach einigen wenigen, eher stummen Minuten serviert: Poppy, die Hauptfigur, tritt an eine Mauer, an der sie zuvor ihr Fahrrad abgestellt hat, und sieht, dass der Drahtesel nicht mehr da ist. Sie regt sich nicht etwa auf, wie das sonst wohl die normale Reaktion eines Menschen ist, sondern sie lacht, zuckt mit den Schultern und beklagt, dass sie sich nicht einmal verabschieden konnte. Dies hört sich nicht nach viel an, doch die Leichtigkeit, mit der die Linie vorgetragen wird, überträgt sich direkt auf den Zuschauer. Massgeblich daran beteiligt ist sicher Hauptdarstellerin Sally Hawkins, die bereits für Mike Leighs Filme Vera Drake und All or Nothing vor der Kamera stand. Sie haucht der aufgedrehten und herzensguten Poppy Leben ein und stimmt gleichzeitig die Leute im Kino ungemein froh und zufrieden. Mehr als einmal hat sie auch einen treffenden Spruch auf Lager, der aber nie unter die Gürtellinie zielt, sondern einfach nur als harmloses Witzchen gemeint ist. Für den Haha-Humor in Happy-Go-Lucky ist ein anderer zuständig: Eddie Marsan, bekannt aus grösseren Produktionen wie Gangs of New York, Match Point und - Wer hätte das gedacht? - Vera Drake. Er spielt den Fahrlehrer Scott mit viel Charisma und geht regelmässig in bester Donald-Duck-Manier an die Decke (respektive ans Autodach). Auch seine absurde Bennenung der verschiedenen Fahrzeugteile ist immer wieder für Lacher gut, besonders seine Tagline "Enraha!" (gemeint ist der Innenspiegel). Die weiteren Schauspieler zu nennen wäre reine Zeilenschinderei, denn der Film ist klar auf Sally Hawkins zugeschnitten, die den Streifen auch problemlos trägt. Und ausser Marsan vermag kein Nebenakteur besonders hervorzustechen.

Doch was ist Happy-Go-Lucky eigentlich? Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Komödie mit Feelgood-Elementen. Bald muss sich aber jeder eingestehen, dass auch Komödien und Feelgood-Filme eine mehr oder weniger durchdachte Story haben und die Figuren in der Regel eine Entwicklung - zum Guten oder zum Schlechten - durchmachen. Solche Merkmale kann man bei Mike Leighs Film lange suchen. Man hat das Gefühl, es wären einfach ein paar einzelne Episoden erdacht und gefilmt worden, es wurde eine sehr kleine Story eingefügt und voilà! Fertig war der Film. Erinnerungen an Once kommen da spontan hoch. Doch trotzdem vermag Happy-Go-Lucky zu entzücken. Klar, wenn man müde ist, kann man ohne jegliche Probleme ein Schläfchen von ein paar Minuten halten. Verpasst man die Exposition nicht, dann kommt man mühelos mit. Ob das ein gutes Zeichen für einen Film ist, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass man kaum umhin kommt, sich dem Charme von Poppy zu entziehen.

Mike Leighs neuster Film ist eigentlich gar keiner. An Happy-Go-Lucky ist so ziemlich nichts Filmisches dran, ausser dass sich die gezeigten Bilder bewegen. Er klinkt sich ins Leben einer hochzufriedenen Frau ein und schaltet nach zwei Stunden wieder ab. Nicht mehr und nicht weniger. Gelangweilt wird nie, unterhalten und berührt wird immer. Und wenn ein Film dies schafft, dann hat er sicherlich das Prädikat "Empfehlenswert", wenn nicht sogar "Geheimtipp" verdient.

The Dark Knight

5.5 Sterne

Für DC-Comicfans war 2005 ein wichtiges Jahr: Christopher Nolan, gefeierter Regisseur von düsteren Thrillern wie Memento oder Insomnia, machte sich an eine Neuinterpretation von Batman. Sein Batman Begins sollte das Ansehen von Realspielfilmen über den dunklen Rächer von Gotham wieder etwas aufpolieren, denn Batman Forever entsprach überhaupt nicht dem Gusto der Kinozuchauer und wurde kurzerhand als Schrott abgestempelt. Nolan erfüllte seinen Auftrag, indem er dem Flattermann fast alle Comicelemente nahm und die tragische Geschichte von Bruce Wayne in einen ernsten Thriller verwandelte. Und nun - drei Jahre später - kommt The Dark Knight ins Kino, das wohl am ärgsten herbeigesehnte Sequel in jüngerer Zeit. Und siehe da: Christopher Nolan hat es geschafft, sich selbst zu übertreffen.

Wenige Wochen vor dem Start von The Dark Knight war die Vorfreude schon überall zu spüren. In den Kinos scharten sich Filminteressierte um die düster und bedrohlich aussehenden Filmplakate, um zu sehen, welchen mitspielenden Star man noch nicht entdeckt haben könnte, und man rätselte über die Performance des im Januar verstorbenen Schauspielers Heath Ledger (R.I.P. an dieser Stelle), der das schwere Erbe von Jack Nicholson antrat, den Bösewichten Joker zu spielen. Noch bevor der Film von Christopher Nolan überhaupt über die Leinwand flimmerte, war der neue, noch verrücktere Joker zur Kultfigur geworden, gehypt natürlich durch den Tod des Schauspielers. Doch die Leistung von Heath Ledger bedarf eigentlich keines Hypes, denn er kann hier sein ganzes schauspielerisches Talent in eine - zugegeben, sehr dankbare - Rolle stecken. Er lebt den Joker, er erschreckt den Kinogänger, er verstört ihn und - so traurig es klingt - er bringt uns zum Lachen. Wieso er diesen Effekt erzielt, vermag eigentlich keiner zu sagen. Der Joker ist ein hochintelligenter, psychopathischer Chaostheoretiker und -praktiker, der nur eines will: Gotham Citys geordnetes Leben ins - Nomen est Omen - Chaos stürzen. Doch er bringt in seinen Taten und Reden so viel Zynismus und teils sogar Selbstironie unter, dass man manchmal wirklich über die Gräuel hinwegsehen kann. Man kann Heath Ledger nicht genug loben, er hat sich mit dieser Rolle sicherlich ein Denkmal geschaffen. Es ist aber zum Glück nicht so, dass neben ihm die anderen Schauspieler untergehen. Hauptdarsteller Christian Bale spielt seine Janus-Figur souverän. Dem Batman nimmt man beide Seiten seines Charakters ab. Den Playboy bei Tag, den dunklen Ritter bei Nacht. Unterstützt wird er dabei von Gary Oldman, der gewohnt sicher agiert, Aaron Eckhart, der im dritten Akt des Films das einzige Comicelement darstellt, Morgan Freeman, den man in gar keiner anderen Rolle als der des netten, aber ironischen Mentors mehr sehen will, Maggie Gyllenhaal, die wohl als Element für einen dritten Teil benutzt wurde, und schliesslich noch Altstar Michael Caine, der - trotz sichtlicher Alterung - immer noch die besten Sprüche auf Lager hat.

Und damit wären wir beim Drehbuch angelangt, welches den Film-Gourmet die flachen Skripts anderer Comicverfilmungen vergessen lässt. Die Balance zwischen Thriller und Drama wird gut gehalten und hie und da darf auch gelacht werden. Das Brüderpaar Jonathan und Christopher Nolan hat in diesem Bereich ganze Arbeit geleistet, obwohl man die eine oder andere Szene hätte weglassen können. The Dark Knight begeistert zwar durch unglaubliche Spannung und Dichte, wirkt aber hie und da sinnlos in die Länge gezogen.

Ein Punkt, der während des Films sehr positiv auffällt, ist der Umgang mit Actionsequenzen. Diese sind interessant geschnitten und - wie der ganze Film - atemberaubend gefilmt. Kameramann Wally Pfister versteht sein Fach fürwahr. Die grosse Actionszene dauert gefühlte 20 Minuten, schafft es jedoch, nicht zu langweilen und am Ende klammert man sich an den Kinosessel vor Anspannung, wenn der Joker auf der Strasse steht und ruft: "Come on! Hit me! I want you to hit me! Hit Me!!!"

The Dark Knight
erfüllt sämtliche Erwartungen, die man hegte und begeistert durch Virtuosität in allen Bereichen. Einigen Zuschauern wird der Schlussmonolog von Gary Oldman vielleicht übertrieben pathetisch vorkommen, doch es handelt sich dabei um die logische Folge aus den vergangenen zweieinhalb Stunden. So geht es mit dem Film - (fast) jede Szene hat eine Bewandtnis und das Eine folgt logischerweise aus dem Anderen. Kritikern, die denken, Comicverfilmungen sollten sich nicht an die heiligie Kuh des Thrillers heranwagen, sei folgendes Joker-Zitat vorzulegen: "Why so serious?!"

Montag, 15. September 2008

The Bank Job

Der Trend der sogenannten Heist-Movies ist leider etwas abgeflacht. Filme wie Ocean's Eleven (2001) oder A Fish Called Wanda (1988) erfreuten jeweils den Zuschauer mit perfekten Plänen, kleinen Fehlern in der Ausführung und gegebenenfalls einem Herzschlagfinale. The Bank Job reiht sich zwar auch in diese Art Film ein, doch diesmal basiert die Geschichte auf wahren Begebenheiten und man sollte eigentlich einen Thriller oder einen spannenden Krimi erwarten. Doch wenn Briten hinter dem Projekt stehen, darf auch gelacht werden. Und wie.

Hauptdarsteller Jason Statham kennen wir bereits aus einem Gangsterfilm – dem kultigen Snatch (2000) von Guy Ritchie. Überhaupt hat der böse dreinblickende Mann ein Flair für etwas andere Filme, die gängige Konventionen über den Haufen werfen – man erinnert sich an Crank (2006) oder The Transporter (2002). Und nun steht also The Bank Job von Roger Donaldson auf dem Programm. Dieser hat einen Film gedreht, der sich zwar einige künstlerische Freiheiten erlaubt, sich aber dennoch an die Grundstruktur des berühmten Baker-Street-Coups hält.

The Bank Job vermag wirklich zu begeistern. Natürlich fragt man sich teilweise, warum jetzt eine Figur zu Tode gefoltert wird oder warum immer wieder etwas zu viel nackte Haut gezeigt wird, doch so etwas kommt in den besten Filmen vor. Nein, der Film besticht vor allem durch eine ausgeklügelte, der Wirklichkeit entlehnten Story und grandiosen Darstellern, die – mit Ausnahme von Jason Statham, der den zeitlosen britischen Arbeiter mimt – herrlich ins Setting vom London der Siebzigerjahre passen. Dies betrifft nicht nur Frisuren und Kleidung, sondern auch ihre Art zu sprechen, ihre Verhaltensweisen und ihren wunderbaren trockenen Humor, den man in einem Film von der Insel sehen will. Einen Kontrast dazu bildet in gewisser Weise Statham, dessen Figur unter dem grössten psychischen Stress zu leiden hat und sich einige Male zu herrlich zynischen Bemerkungen hinreissen lässt.

© Lionsgate
Die unübliche Art, einen Thrillerstoff zu erzählen ist ein weiterer Vorzug von The Bank Job. Er schafft es zwar nicht immer, den typischen Klischees auszuweichen, doch trotzdem nimmt sich Roger Donaldsons Film nie zu ernst und schafft eine Atmosphäre, welche die Balance zwischen britischer Komödie und Gangsterfilm immer zu halten versteht. So stört es auch nicht, wenn Gewaltszenen quasi nahtlos in den nächsten unterhaltsamen Dialog übergehen. Deshalb soll an dieser Stelle auch gleich den Drehbuchschreibern Dick Clement und Ian La Frenais ein Kompliment gemacht werden, die den Figuren die lustigsten Sprüche in den Mund legen (Lord Mountbatten: "This is the most exciting thing since the end of the war!"). Gleichzeitig aber wird viel Wert darauf gelegt, dass die politische Brisanz des Themas erhalten bleibt. Diesbezügliche Gespräche – manchmal auch etwas intensivere – runden das Skript sehr schön ab.

Zu guter Letzt sollte auch noch auf die spannende Bildsprache und die gelungenen Schnitte eingegangen werden. Vor allem dem Kameramann Michael Coulter ist es gelungen, die spezifische Grundstimmung einer Szene ideal in Bilder zu fassen – immer im leicht körnigen Bildstil der Siebzigerjahre. Auch der Schnitt von John Gilbert trägt zum positiven Gesamtbild von The Bank Job bei.

Hoffentlich ist The Bank Job der Anstoss zu einer neuen Welle von Heist-Filmen. Denn so unterhaltsam, temporeich und spannend hat man in jüngster Zeit selten einen Krimi gesehen. Man ist Roger Donaldson zu tiefstem Dank verpflichtet, dass er den Bankraub in der Baker Street von 1971 mit einem derart gelungenen Film aufzugreifen wusste.

★★★★