Donnerstag, 1. September 2011

Der Sandmann

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Nein, Der Sandmann, Peter Luisis neuer Film, ist keine Verfilmung von E.T.A. Hoffmanns klassischer Novelle gleichen Namens. Es ist eine verquere Liebesgeschichte, die in der Schweizer Filmhistorie ihresgleichen sucht. Doch leider bleibt die Absurdität nur der Prämisse vorbehalten.

Der arrogante Philatelist Benno (Fabian Krüger) lebt in einer schönen Wohnung über dem Café des Mauerblümchens Sandra (Irene Brügger alias "Frölein da Capo"), die von einer Karriere als Musikerin träumt. Darum übt sie jede Nacht lautstark, was Benno schier in den Wahnsinn treibt. Obendrein dringt Sandra auch allmählich in seine Träume ein, woraufhin er jeweils Sand in seinem Bett findet. Nach und nach wird das Problem akuter, bis der Sand fast pausenlos aus Bennos Ärmeln und Hosenbeinen herausrieselt. Dies bringt einerseits seinen pingeligen Chef (ein masslos übertreibender Beat Schlatter) auf die Palme; andererseits ist es auch gefährlich, da jeder, der den Staub einatmet, sofort in Tiefschlaf versetzt wird. Letztendlich erkennt Benno, dass nur die von ihm verachtete Sandra helfen kann.

Irene Brügger hat in einem Interview gesagt, sie habe beim Lesen von Peter Luisis Drehbuch mehrfach pausieren müssen, um die hochgradige Absurdität der Story zu verdauen. Wenn diese Anekdote sinnbildlich für etwas steht, dann dafür, dass die Schweiz als Kinoland ihren Sinn fürs Absurde, der sich in Filmen wie HD Läppli oder sogar Luisis eigenem Verflixt verliebt bester Gesundheit erfreute, verloren zu haben scheint. Ja, die Prämisse des Films ist unüblich und gewitzt abseitig. Der Film als Ganzes jedoch ist immer noch stark im helvetischen Konformismus verwurzelt. Es fehlt der Mut, Der Sandmann mehr sein zu lassen als ein Film, dessen Synopsis Kopfkratzen verursacht. Der Grund dafür mag bei den Produzenten zu suchen sein; ein allzu grosses Risiko könnte sich eben negativ auf das Einspielergebnis auswirken.

Die Wüste lebt: Benno (Fabian Krüger) verliert Sand und muss herausfinden, wie er dem Problem entgegenwirken kann.
Immerhin, Luisis Drehbuch ist – für das, was es ist – gelungen. Er spielt seine Stärken einmal mehr aus: Das Konzept wird sehr gekonnt von einer hübschen Idee in einen durchaus anregenden Film übersetzt, die Witze sind nicht schlecht und für verrückte Nebenfiguren ist gesorgt – so etwa der herrliche Dimitri (oder etwa doch Hanspeter?), ein osteuropäischer Mike-Shiva-Verschnitt. Das einzige richtig grosse Manko der Erzählung ist die Liebesgeschichte, die zwischen Benno und Sandra konstruiert wird. Luisi orientierte sich offenbar an Filmen wie Groundhog Day oder Le mari de la coiffeuse, scheitert letzten Endes aber an zwei Dingen: Zum einen ist da Fabian Krüger, dessen farblose, ziemlich hölzerne Darbietung nicht zu überzeugen vermag. Zum andern muss man sich fragen, ob es wirklich notwendig war, Irene Brügger, die beste Schauspielerin im Bunde, ihre Frölein-da-Capo-Masche abziehen zu lassen. So wirkt der Film nämlich stellenweise wie eine Werbung für Brüggers Bühnenshow. Und mal ehrlich; so toll ist die Figur nun auch wieder nicht.

Luisi mag in seinem dritten Spielfilm zwar die Qualität von Verflixt verliebt nicht erreichen, übertrifft den fehlgeleiteten Love Made Easy aber mühelos. Der Sandmann ist ein witziger, gut gelaunter und sympathischer Film, der für ordentliche Unterhaltung sorgt, einen aber nie vergessen lässt, dass er viel mehr hätte sein können.

★★★½

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen