Samstag, 28. Februar 2009

Doubt

Besprechung unter Nonnen: Schwester James (Amy Adams, links) weiss nicht, ob sie der konservativen Rektorin der Schule, Schwester Aloysius (Meryl Streep), Vertrauen schenken soll.

4.5 Sterne

Es gilt gemeinhin als heikel, Theaterstücke zu verfilmen. Angesprochen wurde dies hier bereits im Zusammengang mit Frost/Nixon, wo sich Peter Morgan die Mühe machte, sein Stück filmisch aufzubereiten. John Patrick Shanley ging mit Doubt sogar noch einen Schritt weiter: Er führte auch gleich selber Regie. Ein mutiger Versuch, da der gestandene Autor - er erhielt einen Oscar für sein Drehbuch für Moonstruck - erst einmal auf dem Regiestuhl sass (Joe Versus the Volcano) - mit zweifelhaftem Erfolg. Mit Doubt beweist Shanley zumindest, dass er im Genre des Dramas besser untergebracht ist als in jenem der Komödie. Aber er zeigt auch, dass es ihm offensichtlich schwerfiel, sich von seiner eigenen Vorlage zu lösen.

Doubt ist ein Kammerspiel erster Güte. Die Handlung beschränkt sich auf drei, etwas offener gesehen, auf vier Personen und deren Interaktion. Dass derartige Filme durchaus gefallen können, zeigte unlängst das viel als Western missverstandene Drama The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford, wo sich der Zuschauer grösstenteils mit den Gewissenskonflikten der beiden Titelfiguren auseinandersetzt. Der Schnittpunkt dieser beiden im Prinzip sehr unterschiedlichen Filme ist der Kameramann Roger Deakins, der zu den begabtesten und beliebtesten Vertretern seiner Zunft gehört. Setzte er in Andrew Dominiks Film über Jesse James auf atemberaubende Aussenaufnahmen, beschränkt er sich in Doubt auf bescheidene, zurückhaltende Bilder, die sehr zu John Patrick Shanleys Drehbuch passen. Allerdings ergibt sich mit ebendiesem Drehbuch ein filmisches Problem. Es wirkt nämlich so, als hätte Shanley sein Stück Wort für Wort auf die Leinwand übertragen. Der Film besteht aus sehr vielen langen Gesprächen, welche, nebenbei bemerkt, spannend und anspruchsvoll sind, die von guten Schauspielern vorgetragen werden. Gegen Dialogfilme ist nichts einzuwenden, doch dieses Subgenre des Dramas wurde in Doubt zu stark ausgereizt. Ausserdem ist Shanleys Skript übertrieben gefühlskalt. Sympathien für gewisse Figuren sind zwar vorhanden, aber richtig mitfiebern kann man nicht. Ansonsten aber zeigt sich Shanley von seiner guten Seite. Die Dialoge sind sauber geschrieben und das Ziel des Stücks wurde auch hier erreicht: Unsicherheit im Publikum schüren. Auch als Regisseur macht Shanley eine gute Figur. Seine Schauspieler gehen in ihren Rollen richtiggehend auf und beeindrucken mit lebensnahen Darstellungen. Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman sind würdige Gegner füreinander und spielen ihr Talent auf der ganzen Linie aus. Streep spielt die strenge Nonne gewohnt sicher und Hoffman seinerseits gibt den jovialen, lebenslustigen Priester mit viel Esprit. Und wenn er aufgebracht ist, donnert der Kinosaal von seiner durchdringenden Stimme. Kurz: Hoffman agiert wie immer sehr kraftvoll. Viola Davis hingegen macht für ihre Oscarnomination überraschend wenig - streng genommen macht sie nicht mehr als Weinen, aber auch das auf einem hohen Niveau. Schliesslich bliebe noch Amy Adams. Sie begeistert und zeigt einmal mehr ihre schauspielerische Kompetenz. Wenn sich die Frau in Zukunft von peinlichen Rollen wie Enchanted fernhält, dann könnte aus ihr sicherlich noch mehr werden. Sie hat hier zwar eine etwas tränenreiche Rolle erwischt, haucht dieser aber mit einer unglaublichen Virtuosität Leben ein. Für diese Leistung wäre ihr ein Oscar zu gönnen gewesen. Sie spielt dermassen überzeugend, dass sie problemlos mit Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman mithalten kann.

Die drei wichtigsten Darsteller - Streep, Hoffman, Adams - liefern sich einen vielschichtigen Kampf, der auch am Ende des Films nicht vorbei ist. Dies ist einer der vielen Vorzüge von Doubt. Der Zuschauer wird zum aktiven Mitdenken aufgefordert, sodass am Ende keine Enttäuschung vorhanden ist, wenn die effektive Frage nicht ganz geklärt wird. Der Film wirft ausserdem ein interessantes moralisches Dilemma auf. Eigentlich wäre man ja auf Philip Seymour Hoffmans Seite, da man seine Liberalisierungsversuche unterstützt, aber auf der anderen Seite könnte Meryl Streep mit ihrer Vermutung durchaus Recht haben. Der Witz von Doubt besteht hauptsächlich darin, dass man sich nicht sicher sein kann, welche Seite man einnehmen möchte. Man weiss, wen man sympathisch findet, aber dennoch muss sich jeder die Frage stellen, ob die Sympathieträger auch die sind, die richtig handeln. Natürlich, es bleibt die erwähnte emotionale Kälte, deren Existenz eine allzu überschwängliche Begeisterung verhindert, doch trotzdem ist es erstaunlich, mit welch einem simplen Szenario der Film über 100 Minuten lang spannend zu bleiben vermag. Es geht um zwei aufeinandertreffende Aussagen, die beide ihre Stärken und ihre Schwächen haben. Schlussendlich muss man sich die Frage stellen: Was ist naheliegender? Dass sich diese Frage nicht einfach beantworten lässt, dürfte jedem klar sein. Im Endeffekt lässt Doubt jegliche Interpretationen zu, was sehr für den Film spricht.

Will man sich ein Musterbeispiel eines verfilmten Theaterstücks ansehen, dann wird man mit Doubt enttäuscht. Dafür ist der Film zu sehr ans Original gebunden. Trotzdem überzeugt er in seiner Behandlung des moralischen Problems und wartet mit hochklassigen Schauspielern und spannenden Dialogen auf. Doubt gefällt zudem mit einer hervorragend konstruierten Atmosphäre, einem intimen Rahmen und einer Menge Nostalgie. Obwohl der Film quasi nur in der katholischen Schule spielt, ist er trotzdem historisch interessant und wird so manchen geschichtsinteressierten Kinobesucher erfreuen. Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.

Sonntag, 22. Februar 2009

Changeling

Gemeinsam gegen die LAPD: Pfarrer Gustav Briegleb (John Malkovich) berät Christine Collins (Angelina Jolie), wie sie der Polizei klarmachen kann, dass ihr Sohn immer noch verschwunden ist.

5.5 Sterne

Wenn man in der amerikanischen Filmbranche einen Regisseur sucht, der mit begrenzten Mitteln grosse Filme macht, dann stösst man ziemlich sicher auf Clint Eastwood. Enttäuscht hat der Altstar schon lange nicht mehr. Sei es als Regisseur von Kriegsfilmen - Flags of Our Fathers, Letters from Iwo Jima - Thrillern - Mystic River - oder "simplen" Dramen - Million Dollar Baby, Gran Torino. Sein zweitneuestes Werk, der vielgescholtene Changeling, fügt sich problemlos in diese Reihe ein. Eastwood beweist einmal mehr viel Einfühlungsvermögen und ein gutes Gespür für effizientes Filmemachen.

Changeling wird gerne vorgeworfen, er sei langweilig, überzeichnet oder einfach zu gewöhnlich, Adjektive also, die man in der Regel nicht im gleichen Atemzug wie Clint Eastwood nennen kann. Schaut man sich den Film an, sieht man beim besten Willen keinen Grund für die oben genannten Vorwürfe. Es sei denn, "gewohnt meisterhaft" wird zur Kritik des Gewöhnlichen dazugezählt. Denn Changeling ist ein Eastwood-Meisterwerk erster Güte. Obwohl der Mann sich thematisch in anderen Breitengraden als sein Vorbild Don Siegel bewegt, hat er vom grossen Action-Regisseur der 1970er Jahre viel gelernt, unter anderem die Kunst der Effizienz und des Understatements. Die überzeugende Ausstattung von Patrick M. Sullivan Jr., dem ein Oscar zu gönnen wäre, wird dem Zuschauer nicht aufs Auge gedrückt. Niemals kommt es einem so vor, als hätte Eastwood es nötig, mit den Kulissen zu protzen. Dabei wirken sie dermassen echt und detailreich, als ob der Film tatsächlich am Originalschauplatz gedreht worden wäre. Die Versetzung in vergangene Zeiten - in die 1920er Jahre - beschränkt sich aber nicht auf das Szenebild. Am Anfang des Films bekommt man nicht das moderne Logo von den Universal Studios vorgesetzt, sondern dasjenige, welches die Filme der 20er und 30er Jahre schmückte.

Dass es bei Clint Eastwood sehr stark von den Schauspielern abhängt, ob ein Film gelingt oder nicht, ist bekannt. Wen die Wahl von Angelina Jolie überraschte oder gar verärgerte, der erlebt in Changeling eine angenehme Überraschung. Brad Pitts Ehefrau zeigt eindrücklich ihr schauspielerisches Talent. Ihre Oscarnomination beruht wahrlich nicht nur auf ihrem wohltätigen Lebensstil. Sie verkörpert Christine Collins mit einer unglaublichen Intensität und einer Leinwandpräsenz, die man ihr wohl nie zugetraut hätte. An ihrer Seite brilliert John Malkovich mit Schnurrbart und Toupet als Reverend Briegleb, der nie um eine böse Bemerkung gegen die LAPD verlegen ist. In einer kleineren Rolle ist überdies Amy Ryan zu sehen, die sich zu einer Art Freundin von Christine entwickelt. Ein grosses Verdienst von Eastwood ist auch, dass die Polizei in Changeling nicht als gesichtslose Masse dargestellt wird. Jeffrey Donovan und Michael Kelly spielen beide ihre Parts sehr überzeugend. Besondes Donovan schlüpft so glaubwürdig in seine Rolle, dass man ihn wirklich abgrundtief hasst. Einigen Leuten könnte zwar auch das als Negativpunkt erscheinen. Zugegeben, ein Stück von Schwarzweissmalerei steckt in dieser Charakterzeichnung, doch auf der anderen Seite ist dies auch ein Beweis für Eastwoods Gefühl für die persönliche Ebene einer Geschichte. Denn Changeling erzählt eigentlich von der Polizeikorruption in L.A. in den 1920er Jahren. Die Filmskriptüre Sight & Sound ging sogar soweit und sagte, dass Changeling der beste Film über Behördenkorruption seit dem legendären Chinatown sei. Verkehrt ist diese Ansicht sicher nicht. Der grosse Zusammenhang wird elegant auf ein Einzelschicksal, welches sinnbildlich für so viele andere steht, projiziert. Eastwood genügen einige wenige Bilder, um einem jeweils die Situation klarzumachen. Ein Beispiel: Christine wird zu Unrecht in die Irrenanstalt eingewiesen, woraufhin der Zuschauer die Desinfektionsdusche, einige vergitterte Türen und Fenster und eine Patientin zu sehen bekommt. Und damit wäre man wieder zurück bei der Effizienz.

Clint Eastwood hat ein grosses Talent, gute Drehbücher zu erkennen. Bei Gran Torino nahm er sich beispielsweise zweier relativ unbekannter Autoren an; bei Changeling übernahm er das Skript von J. Michael Straczynski, dessen Arbeit sich fast ausschliesslich auf die Science-Fiction-Reihe Babylon 5 beschränkt. Sein Drehbuch macht aber nicht den Anschein, als wäre er zu mittelmässigen Streifen wie Babylon 5 fähig. Der Film ist spannend, dicht und intensiv und behandelt soziale Probleme mit viel Gefühl. Gegen Ende jedoch ist man kurzzeitig ein wenig ratlos, in welche Richtung der Film jetzt will, doch diese Unsicherheit ist schnell überwunden. Auch die 140 Minuten Laufzeit wirken niemals zu lang. Jede einzelne Szene hat ihre Berechtigung und keine Stelle wirkt zu langatmig. Überhaupt wurde die ganze Atmosphäre hervorragend geschrieben und schlussendlich auch umgesetzt. Christine Collins' scheinbar aussichtsloser Kampf um Anerkennung hat hie und da sogar kafkaeske Züge. Und wie bei Kafka wirkt die Bedrohung der korrupten Polizei sehr real.

Clint Eastwoods Regiearbeit und Straczynskis Drehbuch ergeben gemeinsam ein meisterliches Drama, das in allen Belangen überzeugt. Auch Tom Sterns Kameraarbeit verdient eine Erwähnung. Wie in Gran Torino bestechen die Bilder nicht durch Opulenz, sondern durch fast schon spartanische Einfachheit. Zeitkolorit wie Angestellte auf Rollschuhen wird nicht speziell hervorgehoben, sondern als gegeben hingenommen. Die Bescheidenheit, die für Eastwood so typisch ist und in Changeling wieder bis zur Perfektion praktiziert wird, ist ein weiterer Mehrwert des Films.

Was einige Zeitgenossen für ein Problem mit Changeling haben, ist unverständlich. Clint Eastwood sorgt mit diesem Film wieder für ein menschliches Meisterwerk erster Güte. Changeling hat durchaus das Zeug zum Klassiker, denn selten wurden Machtmissbrauch, menschliche Werte und sinnlose Gewalt eindrücklicher und magistraler dargestellt als hier. Wer Zeuge wahren Schauspielkinos auf höchstem Niveau werden will, darf auf diesen Film auf keinen Fall verzichten.

Milk

Warten auf Akzeptanz: Harvey Milk (Sean Penn, 2.v.r.) und ein Teil seines Team: Cleve Jones (Emile Hirsch, links), Michael Wong (Kelvin Yu) und Anne Kronenberg (Alison Pill).

4.5 Sterne

Der Politiker Harvey Bernard Milk wurde am 27. November 1978 von seinem Ratskollegen Dan White erschossen. Milk war der erste bekennende Schwule in einem höheren Amt in den USA. Man dürfte annehmen, dass ein derartiges Schicksal Filmemacher wie der Honig die Fliegen anzieht. Tatsache ist aber, dass Gus Van Sants Milk der erste Spielfilm ist, der sich mit Harvey Milk beschäftigt. Abgesehen von der mit einem Oscar ausgezeichneten Dokumentation The Times of Harvey Milk wurde die Symbolfigur der Emanzipation der Homosexuellen in den USA bisher filmisch verschont. Jetzt hat sich Gus Van Sant an die Thematik herangetraut und ein persönliches, spannendes und dokumentarisch angehauchtes Drama gedreht, welches zwar das Genre nicht neu erfindet, Harvey Milk aber ein angemessenes filmisches Denkmal setzt.

Es gibt einige Zeitgenossen, die der Ansicht sind, Sean Penn sei die halbe Miete bei Milk. Man muss den Satz etwas offener formulieren: Der Cast ist die halbe Miete bei Milk. Natürlich bringt Sean Penn eine schauspielerische Topleistung und kann sich mühelos mit seinen Gegnern bei den Oscars messen. Penn gibt als Harvey Milk wohl die Performance seines Lebens ab und schafft es vielleicht sogar, schauspielerische Ausrutscher wie i am sam vergessen zu machen. Ob seine Darstellung allerdings den berührenden Tiefgang eines Mickey Rourke schlägt, ist eine andere Frage. Penns Schauspielpartner stehen ihm aber in fast nichts nach. Allen voran schreitet aber nicht Josh Brolin, dessen Oscarnomination angesichts seines ungefähr 5-minütigen Auftritts etwas übertrieben erscheint, sondern Emile Hirsch, der hier mit seiner Nebenrolle sehr zu gefallen weiss. Seine Darstellung von Cleve Jones, der auch heute noch politisch aktiv ist, schlägt seine Verkörperung von Chris McCandless in Sean Penns überlangem Naturepos Into the Wild um Längen. In weiteren Nebenrollen sind die sehr talentierte Alison Pill und James Franco, dem man nach Pineapple Express keine ernste Rolle mehr zugetraut hätte, zu sehen. Die Darsteller harmonieren prächtig miteinander und verkaufen dem Zuschauer die 70er Jahre hervorragend. Dies liegt sicherlich auch an den schönen Kostümen - Oscarnomination - den überwältigenden Frisuren und der akkuraten Ausstattung. Auch Gus Van Sants Rechnung, Milk einen gewissen dokumentarischen Unterton zu verleihen, geht auf. Diesen Versuch unternahm er ja bereits 2003 mit Elephant. Die Originalbilder von den Krawallen in San Francisco wurden sehr gekonnt in die Geschichte eingeflochten. Die Oscarnomination für den Schnitt von Elliot Graham ist jedenfalls hochverdient. Und wenn gerade von den Oscars die Rede ist: Dustin Lance Blacks Skript ist im Rahmen der Möglichkeiten immer auf der Höhe - die Nomination geht ind Ordnung. Doch da beginnt ein kleines Problemchen, mit dem Milk leider zu kämpfen hat: Der Film ist nicht wirklich neu. Mit dem gleichen Problem hatte auch Revolutionary Road zu kämpfen. Das Szenario ist im Prinzip immer dasselbe: Ein Idealist arbeitet sich hoch, muss einige Dämpfer hinnehmen, sein Liebesleben leidet darunter, er muss sich zwischen Arbeit und Privatleben entscheiden, er findet einen Mittelweg, er wird ermordet. Natürlich können auch Filme, die auf diesem Szenario basieren, im Endeffekt sehr gut sein - so auch Milk - aber man hat bei ihnen einfach immer das Gefühl, schon mehrmals etwas Vergleichbares gesehen zu haben. Die Originalbilder erinnern beispielsweise stark an Emilio Estevez' Film Bobby. Dieser Faktor macht Milk zwar nicht schlechter, mindert aber immerhin den Eindruck, den er auf das Publikum macht. Ansonsten gibt es aber an Blacks Drehbuch nicht viel mehr auszusetzen. Die politischen Konflikte wurden verständlich dargestellt, Harvey Milk erscheint mit seinem Eifer und seinem schrägen Humor sehr sympathisch und obwohl jedem klar ist, wie die Geschichte ausgeht, wird sehr sorgfältig wirksame Spannung aufgebaut, die in einem leider etwas unterkühlt ausgefallenen Finale ihren Höhepunkt findet. Black zeigt ebenfalls keinerlei Berührungsängste mit Aspekten, die für einige Kinogänger tabu sind. Seit Brokeback Mountain weiss man, dass homosexuelle Sexszenen eben doch das Zeug zum Irritieren haben. Dustin Lance Black und Gus Van Sant soll an dieser Stelle herzlich zu diesem Mut gratuliert werden.

Das Ziel, die Menschen über die Diskriminierung von Homosexuellen in den USA aufzuklären, wurde mit Milk ohne Zweifel erreicht. Anita Bryant und John Briggs werden sauber zu den ultimativen Feindbildern aufgebaut, während Dan White, Milks Mörder, so wirkt, als hätte er lediglich sehr viel Pech gehabt. Dem Zuschauer wird überzeugend vermittelt, was es hiess, in den 70er Jahren homosexuell zu sein, was natürlich auch einen Blick auf die heutige Gesellschaft nötig macht. Einige Argumente der Leute, die die Rechte der Homosexuellen einschränken wollten, werden auch heute noch von konservativen Politikern und Bürgern verwendet. Dass Harvey Milk in dieser Zeit zu einem Helden wurde, ist nicht verwunderlich. Sein Tod machte ihn zu einer Ikone und ebnete den Weg zu einer gerechteren Gesellschaft. Dem aufmerksamen Betrachter wird überdies auffallen, dass Harvey Milk sich in seinen politischen Ansichten und Schlagwörtern nicht sonderlich von Barack Obama unterschied. "Hope" war Milks Lieblingswort, ein Wort, welches Obama auch immer mal wieder gerne verwendet.

Milk ist ein interessantes Drama über die Emanzipation von Schwulen und Lesben geworden. Hauptdarsteller Sean Penn brilliert in seiner Rolle als Harvey Milk, der sehr genau wiedergegeben wurde. Der Film setzt zwar nicht neue Massstäbe im filmischen Sinne, zeigt dem Zuschauer aber eine spannende Geschichte eines besonderen Mannes, der den selben Weg ging, wie viele Querdenker vor ihm. Wer historisch bewandert oder zumindest interessiert ist, wird an Milk seine helle Freude haben. Selten konnte man so einfach in die 70er Jahre abtauchen.

Samstag, 21. Februar 2009

The Boondock Saints

Engel des Todes: Murphy (Norman Reedus, links) und Connor MacManus (Sean Patrick Flanery) räumen in Boston die Gangsterszene auf.

3.5 Sterne

Ballerfilme sind ein interessantes Subgenre des klassischen Actionfilms. Selten jedoch sind grosse Perlen dabei. Troy Duffys Brachialvehikel The Boondock Saints geniesst vor allem in den USA Kultstatus. Die Geschichte zweier Iren, die in Boston auf eine blutige Selbstjustiztour gehen weiss eine grosse Fangemeinschaft hinter sich. Man ist versucht, den Streifen als Untergrundfilm zu betiteln, da er mit einem nicht allzu grossen Budget auskommen musste und ausser Willem Dafoe keinen grossen Star im Cast aufweist. Erfüllt The Boondock Saints die Erwartungen, die man an einen Ballerfilm stellt? Wenn man davon absieht, dass der Film repetitiver nicht sein könnte, dann darf man die Frage durchaus mit Ja beantworten.

Laut der DVD ist The Boondock Saints thematisch zwischen Reservoir Dogs und Pulp Fiction anzusiedeln. Für Skeptiker des Werks von Quentin Tarantino, zu denen sich auch der Autor dieser Rezension zählt, muss es schwer fallen, den folgenden Satz zu sagen: Pulp Fiction und Reservoir Dogs sind beide besser als Troy Duffys Film, der wie eine Low-Budget-Version eines Tarantino-Streifens wirkt. Dennoch vermag The Boondock Saints zu gefallen. Leider wird der Zuschauer dem ewig gleichen Ablauf mit der Zeit etwas überdrüssig. Am Ende des Films will man sich gar nicht ausmalen, wie oft man jetzt das vorgegebeneMord-Szenario miterlebt hat. Es funktioniert immer nach dem gleichen Prinzip: Kurz vor der eigentlichen Tat wird geschnitten, Agent Smecker kommt am Tatort an, alle sind tot, er rekonstruiert den Tathergang, der Zuschauer wird wieder zu den Gebrüdern MacManus geführt. Die Idee hat etwas für sich und ist zugegebenermassen sogar ganz originell, doch The Bonndock Saints ist ein Musterbeispiel dafür, dass selbst originelle Ideen nicht beliebig oft wiederverwendet werden können - vor allem nicht im gleichen Film. Troy Duffys Arbeit am Drehbuch, welches er schrieb, nachdem aus seinem Nachbarhaus eine Leiche abtransportiert wurde, in Ehren, aber eine grössere Ideenvielfalt wäre dem Film nicht schlecht bekommen. Auch seine Wortsetzung zeugt nicht von einem übermässig grossen Talent. Er überstrapaziert den Gebrauch des Wortes Fuck, sodass es nach und nach zum reinen Selbstzweck verkommt. Das Drehbuch hätte man den Coen-Brüdern zur Überarbeitung schicken sollen. Immerhin ist es Duffy gelungen, dem Film eine gewisse Coolness zu verleihen, die sich positiv auf die Laune des Publikums auswirkt. Sinnbildlich dafür steht die Schlussszene, die in Sachen Coolness Quentin Tarantinos Filme locker übertrumpft. Die Figur des Duce, gespielt von Billy Connolly, trägt hier sicherlich auch ihren Teil dazu bei. Die Idee, die Hauptfiguren vor den Morden beten zu lassen, ist zwar schamlos bei Pulp Fiction abgekupfert, aber wenn die Gebete von zwei Iren vorgetragen werden, hat das Ganze fast noch mehr Stil als wenn die Worte aus Samuel L. Jacksons Mund kommen. Quentin Tarantinos Filme werden von einigen Zeitgenossen gerne als krank betitelt. Auch in diesem Fall geht Troy Duffys Film mit seinen Vorbildern einher. Dies ist zwar grösstenteils ein positiver Aspekt, doch wenn eine Katze aus Versehen mit der Waffe an die Wand gepustet wird, muss man sich doch fragen, wozu das gut sein soll. Dass der Zuschauer während des Abspanns noch unterschwellig zum Mitdenken animiert wird, kommt nicht vollständig für derartige Missgriffe auf.

Optisch vermag The Boondock Saints mehr zu überzeugen. Man merkt den Bildern aus irgendeinem Grund an, dass hier ein sehr begrenztes Budget vorhanden war. Die teils ziemlich körnigen und groben Aufnahmen sind interessant und machen den Film sehr atmosphärisch. Und auch die sehr sorgfältig choreografierten Schiesserein wurden von Kameramann Adam Kane gekonnt eingefangen. Seine stilisierte Kameraführung verleiht The Boondock Saints zwar einen gewissen Grad an Pathos, was aber erstaunlicherweise kaum störend auffällt. Schlimmer ist das Pathos, welches von einem der Darsteller ausgeht. Sean Patrick Flanery und Norman Reedus, die beiden Hauptdarsteller, sowie Billy Connolly und David Della Rocco, der mit seiner Nervosität immer mal wieder für einen Lacher sorgt, spielen einwandfrei. Doch der grösste Star im Bunde - Willem Dafoe - enttäuscht fast auf der ganzen Linie. Solange er den zynischen Polizeiinspektor mimt, der sich einigermassen normal benimmt, ist er in höchstem Masse unterhaltsam. Aber sobald er dazu anhebt, die Morde der Iren möglichst dramatisch darzustellen, dann brennen bei ihm sämtliche Sicherungen durch. Das ist ein Schauspiel, welches in Sachen Übertreibung Daniel Day-Lewis in There Will Be Blood in nichts nachsteht. Wem solches Over-the-Top-Method-Acting zusagt, der wird hier wohl anderer Meinung sein, doch Willem Dafoe geht mit seiner Darstellung von Agent Smecker über die Schmerzgrenze hinaus und wirkt ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch peinlich.

The Boondock Saints ist kein Meisterwerk, aber dennoch schafft er es, wie man es von einem echten Ballerfilm erwarten darf, ansprechend zu unterhalten. Die bibelfesten Katholiken, die ihren Opfern Münzen auf die Augen legen, "Veritas" und "Aequitas" auf ihre Hände tätowiert haben und gerne mal einen über den Durst trinken sind sehr amüsant und erringen selbst mit ihrer eigentlich sinnlosen Gewalt sämtliche Sympathien im Publikum. Der obligate Mafiaboss, der nervöse "Funny Man", der mysteriöse Duce und der Wirt mit dem Tourette-Syndrom sind alles Nebenfiguren, die ebenfalls einige Lacher auf ihrer Seite haben. Dass der sarkastische Unterton des Films nicht garantiert, dass man vor Begeisterung hin und weg ist, muss aber ganz klar festgehalten werden. Und auch die Freude an den schiesswütigen Protagonisten geht einmal verloren. Was Wanted und Shoot 'Em Up hervorragend geschafft haben - die Ballerei nicht sadistisch werden zu lassen - schafft The Boondock Saints nicht ganz. Hätte der Film eine längere Laufzeit, dann würde auch die blutrünstige Freude an den Opfern bald mehr als nur ein bisschen getrübt.

Will man sich fast gänzlich sinnfreie 100 Minuten gönnen, dann ist The Boondock Saints sicherlich eine gute Wahl. Will man sich einen richtig guten Ballerfilm ansehen, dann ist man mit neueren Produktionen besser bedient. Die Schlussszene ist leider das einzige Highlight, welches den Film wirklich aus dem ewig gleichen Trott herauszuholen vermag. Dennoch dringen irische Eigenheiten und die Verrücktheit von Troy Duffy sehr gut zum Zuschauer durch. Ob die Fortsetzung, die dieses Jahr in die amerikanischen Kinos kommt - Boondock Saints II: All Saints Day - mit dem gleichen Grundprinzip Erfolg haben wird, darf bezweifelt werden. Doch vielleicht überrascht Troy Duffy das Kinopublikum diesmal mit einem augefeilteren Drehbuch. Es wäre wünschenswert.

Freitag, 20. Februar 2009

The Prestige

Zwei grosse Illusionisten: Alfred Borden (Christian Bale, links) und Robert Angier (Hugh Jackman) sind zwei rivalisierende Zauberer im England des späten 19. Jahrhunderts.

4 Sterne

Heutzutage gibt es nicht mehr allzu viele Autorenfilmer. Und wenn, dann befinden sie sich meistens in Europa - vorzugsweise in Frankreich. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass einige Leute stutzen, wenn man ihnen Christopher Nolan als Autorenfilmer verkaufen will. Doch sieht man sich sein Werk inhaltlich etwas genauer an, stellt man fest, dass seine Themen sich nie gross voneinander unterscheiden - ein Merkmal von Autorenfilmern. So kommt es auch, dass man einen Nolan-Film auch ohne Credits problemlos ihm zuordnen kann. Meistens gibt es verschiedene Handlungsstränge, man kann nichts als gegeben annehmen und seine Filme sind allesamt in einem düsteren Tonfall gehalten. So auch sein Film über Zauberei - The Prestige - in welchem dem ansonsten relativ bodenständigen Nolan leider der Realitätsbezug zu stark abhanden kommt.

In The Prestige geht Nolan ein interessantes, bisher nicht allzu häufig angesprochenes Thema an: Die Magie. Der Film basiert auf einem Roman von Christopher Priest, der sich auf die Spuren der Illusionisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts machte. Dass dies von Christopher Nolan natürlich beeindruckend eingefangen wurde, ist selbstverständlich. Leider zeigen jedoch er und sein Bruder Jonathan ungeahnte Probleme beim Drehbuch. Die Aufteilung in verschiedene Zeitebenen und die Strapazierung der Spannung gehen zwar wie immer auf, ebenso gekonnt wurden die Dialoge verfasst, doch die Geschichte weist Schwächen in der Struktur auf. Der Grossteil von The Prestige wird so erzählt, dass der Zuschauer dem schwelenden Konflikt zwischen den beiden Protagonisten - Angier und Borden - relativ gut folgen kann. Doch am Ende wird das gesunde Tempo über den Haufen geworfen und alles wird in einer enormen Geschwindigkeit zu Ende geführt, sodass man sich beim Abspann etwas überfahren vorkommt. Auch die für Nolans Verhältnisse sehr unwahrscheinliche und physikalisch unhaltbare Wendung, die im letzten Akt des Films im Mittelpunkt steht, enttäuscht. Zwar tut dies der Freude am Film keinen Abbruch. Im Gegenteil, das Abdriften ins Mystische spielt gut mit dem Rest der Story zusammen. Aber dennoch wird mit diesem speziellen Twist die ansonsten recht intakte Logik über den haufen geworfen. Doch dies muss nicht heissen, dass The Prestige ein schlechter oder gar - bezogen auf die Glaubwürdigkeit - lächerlicher Film ist. Christopher Nolan versteht es sehr gut, geschichtliche Fakten mit etwas Fantastischem zu vermischen und diese Mischung schlussendlich auf einen spannenden Zweikampf zu projizieren, wobei das historische Faktum hier unglücklicherweise etwas gesucht erscheint. Der Stromkrieg zwischen Thomas Edison und Nikola Tesla ist zweifelsohne interessant, lässt sich aber in der Form, wie er in The Prestige vorgetragen wird, nur schwer mit der Illusion des Zauberei verbinden. Zudem ist der Film teilweise doch eine Spur zu kompliziert ausgefallen. Das Hauptthema, der weiter oben erwähnte Konflikt zwischen den beiden Hauptfiguren, ist zwar gut nachvollziehbar, doch die Irrungen und Wirrungen um die weiteren Ereignisse hätten ohne Spannungsverlust ein bisschen geradliniger inszeniert werden können.

Besser sieht es an der Schauspielfront aus. Christian Bale und Hugh Jackman spielen beide auf hohem Niveau und verkörpern die rivalisierenden Magier mit viel Esprit. Die weiblichen Figuren, gespielt von Scarlett Johansson und Rebecca Hall, die erst vor kurzem mit Vicky Cristina Barcelona gemeinsam im selben Film agierten, kommen zwar nicht um gängige Klischees herum, wirken aber nicht dazugepappt oder unnötig, was beispielsweise Cameron Diaz' Problem bei Gangs of New York war. Der dritte Mann im Bunde ist Michael Caine, der einmal mehr Michael Caine spielt. Es besteht kein nennenswerter Unterschied zwischen Alfred in den Batman-Filmen und Cutter in The Prestige. Trotzdem stört seine Präsenz in keinster Weise, schliesslich handelt es sich bei ihm um einen der besten noch lebenden britischen Schauspieler. Gemeinsam mit Scarlett Johansson bewegt er sich zwischen den Fronten der beiden Magier und erklärt zugleich noch grundlegende Dinge des Zauberns. Seine Figur ist nicht eminent wichtig, gibt dem Zuschauer aber ein Stück weit eine emotionale Anbindung, da er - wie das Publikum - bis zuletzt getäuscht wird.

Christopher Nolan arbeitete auch bei The Prestige mit seinem Hauskameramann Wally Pfister, welcher dieses Jahr zum dritten Mal für einen Oscar nominiert ist, zusammen. Er sorgt für schöne, bescheidene, nicht allzu opulente Bilder, die einem die Düsternis des Films sehr gut verkaufen. Dennoch wirkt die Oscarnomination, mit welcher er für seine Arbeit in The Prestige bedacht wurde, etwas übertrieben. Pfisters Talent soll aber hier keineswegs in Frage gestellt werden. Seine Bilder verbinden sich auch in The Prestige gut mit dem ebenso bescheiden inszenierten Score von David Julyan, der aber wohl nur im Film funktioniert. Würde er von den Bildern getrennt, hinge er wohl bloss in der Luft, ohne jedweden Eindruck zu hinterlassen.
Wie bereits erwäht, ist The Prestige zeitgeschichtlich hochinteressant, abgesehen davon, dass gewisse Teile des Films zu fantastisch ausgefallen sind. Dennoch wird die Subkultur der Magier, die sich raffinierter Tricks bedienen, um das Publikum zu erstaunen, an sich äusserst glaubwürdig dargestellt. Dass aus einem derartigen Konkurrenzkampf Mord und Totschlag entwächst ist ein filmischer Kniff, den man Christopher Nolan nachsieht, besonders da er am Ende des Films selber sich die Macht der Täuschung zunutze macht. Und das macht wohl einen guten Filmemacher aus.

The Prestige ist mitnichten Christopher Nolans bester Film. Dafür ist das Drehbuch zu unausgewogen und die Geschichte stellenweise zu fadenscheinig. Trotzdem kann man sich im Film verlieren und sich an der gelungenen Ausstattung, den gut aufspielenden Darstellern und dem spannenden Sujet verlieren. Und wer sich gerne überraschen lässt, der ist bei The Prestige sowieso an der richtigen Adresse. Hohe Filmkunst sieht zwar anders aus, doch die Mängel des Films fallen insgesamt nicht zu stark ins Gewicht. Wer sich auf Nolans Streifen einlässt und die verschiedenen Facetten aufmerksam verfolgt, erlebt angenehme zwei Stunden, die einem niemals zu lang erscheinen.

Dienstag, 17. Februar 2009

Frost/Nixon

Der Kampf wird eingeläutet: David Frost (Michael Sheen, 2.v.l.) trifft Richard Nixon (Frank Langella, 2.v.r.) zum ersten Mal. An Frosts Seite befindet sich seine Freundin Caroline (Rebecca Hall), Nixon hat seinen Berater Jack Brennan (Kevin Bacon) immer dabei.

5 Sterne

Peter Morgan gehört zu den besten und gefragtesten Autoren Hollywoods. Die Leinwandhits The Queen - eine Oscarnomination für das Drehbuch - und The Last King of Scotland stammen beide aus der Feder des Briten. Sein letztes Projekt - The Other Boleyn Girl - machte sich nicht ganz so gut, wie die beiden vorangegangenen Drehbücher. Der Film zeigte zwar, dass Morgan in jedem Genre ein Meister des Dialogs ist, doch es wurde ebenso klar, dass er mit Liebesdramen nicht allzu viel anzufangen weiss. Mit Frost/Nixon hat er sich einmal mehr an ein geschichtliches Thema herangewagt. Das Risiko dabei war, dass er sich zu stark an sein eigenes Theaterstück hätte halten können. Das war schlussendlich glücklicherweise nicht der Fall. Frost/Nixon ist durch und durch filmisch und beeindruckt nicht nur mit einem lesenswerten Drehbuch.

Nicht nur The Curious Case of Benjamin Button ist ein Kandidat für den grössten Verlierer der Oscars. Frost/Nixon ist fünfmal für einen Academy Award nominiert, gilt aber in jeder einzelnen Kategorie als Aussenseiter. Selbst der Hauptdarsteller Frank Langella, der als Richard Nixon wohl die Performance seines Lebens abliefert, steht bei den Wettbüros nicht sonderlich hoch im Kurs - es wird eher auf einen Zweikampf zwischen Mickey Rourke und Sean Penn hinauslaufen. Dies ist zwar nicht ungerecht, doch sicherlich ist es Pech, dass Langella ausgerechnet dieses Jahr nominiert wurde. Seine Darstellung des 37. US-Präsidenten Richard Milhous Nixon ist einerseits sehr intensiv, andererseits aber auch sehr menschlich ausgefallen. Langella, der "Tricky Dick" bereits in Morgans Theaterstück spielte, hat eine eindrückliche Leinwandpräsenz und vermittelt wohl ein relativ akkurates Bild des Ex-Präsidenten. Seine donnernde Stimme stösst den Zuschauer zwar ab, doch im gleichen Atemzug verspürt man fast so etwas wie Sympathie für den verschlagenen Fuchs, etwa wenn er seinen hintergründigen Humor spielen lässt. Jedem im Publikum wird klar, dass Nixon ein höheres politisches Niveau hatte als George W. Bush. Und auch wenn am Ende des Films David Frost, überzeugend dargestellt von Michael Sheen, der bereits zweimal Tony Blair, einmal davon in The Queen, mimte, scheinbar die Oberhand gewinnt, gelingt es ihm doch nicht, Nixon gänzlich zu überflügeln. Am Ende begegnen sich die beiden Männern auf Augenhöhe. Ron Howards Film verkommt aber keineswegs zu einer blanken Hasstirade gegen Richard Nixon, ebenso ist es keine platte Lobeshymne. Man merkt, dass der Präsident ein hinterhältiger Mann war, der vor fast gar nichts zurückschreckte. Vom historischen Standpunkt aus lässt sich sagen, dass Frost/Nixon mit dem Thema fair umgeht. Die Erfolge und Misserfolge von Richard Nixon werden gleichermassen beleuchtet und auf den Tisch gelegt. Selbstverständlich behält sich der Film vor, sich auf die liberale Seite zu schlagen. Das ist richtig so und überdies würde ein Propagandavideo für Republikaner von der Academy glattweg ignoriert werden. Entsprechend wird Frost/Nixon von David Frosts Seite her erzählt. Umrahmt wird der Film dabei von Aussagen der Direktbetroffenen, welche selbstredend von Schauspielern verkörpert werden. Alle Interviewten spielen gleichzeitig auch in der Geschichte an sich mit. Sam Rockwell, Rebecca Hall und Oliver Platt spielen allesamt glaubwürdig und umrahmen den Charakter David Frost sehr schön. An der Seite von Frank Langella stehen Kevin Bacon und Toby Jones, dessen Kopf nie stärker einem Ei geglichen hat, welche beide ihr ganzes schauspielerisches Talent ausspielen.

Das Drehbuch von Peter Morgan erweist sich als sehr gut geschrieben und überzeugt vor allem mit bedeutungsschwangeren, aber immer mal wieder auch sehr lakonischen Dialogen. Leider wird etwas zu lange Spannung aufgebaut, sodass man nach einer Weile des Lobbyierens von Frost überdrüssig wird. Der Film nimmt erst richtig Fahrt auf, als sich Frosts Kampftruppe ans Recherchieren macht und mit dem Beginn der Interviews ist Frost/Nixon richtiggehend explosiv. Wer sich nicht en detail mit dem Stoff auskennt, dem sei gesagt, dass sich ein kurzes Einlesen in die Thematik - besonders in die Einzelheiten von Watergate - lohnen würde, denn Nichtamerikaner könnten sich schnell etwas verloren fühlen, wenn sie mit Namen wie Colson oder Ehrlichman bombardiert werden. Überfordert ist man in Frost/Nixon allerdings selten. Der Film dreht sich hauptsächlich um die Interiewreihe von David Frost mit Richard Nixon. Es wird sehr anschaulich gezeigt, wie sich die Dinge, die man mit Nixon in Verbindung bringt, auf diesen Mann ausgewirkt haben. Und gleichzeitig wird noch ein wenig über die Macht des Fernsehens philosophiert, was am Beispiel von einem einzelnen Bild dargestellt wird. Dass dies nicht gestellt wirkt, ist wohl Ron Howards Verdienst, der nach The Da Vinci Code und vor Angels & Demons mit Frost/Nixon seinen Namen als Regisseur ernsterer Stoffe wiederherzustellen versucht.

Objektiv gesehen, hätten die Macher von Frost/Nixon wohl mehr Grund zu befürchten, bei den Oscars leer auszugehen, als diejenigen von The Curious Case of Benjamin Button. Der Film hat weniger Nominationen und David Finchers Film ist sogar einen Tick besser. Doch Frost/Nixon ist ein Paradebeispiel dafür, dass die Klasse eines Films nicht durch Preise bestimmt wird. Das Duell der Worte wird in kommenden Jahren wahrscheinlich keinen speziellen Platz in der Filmhistorie einnehmen, aber dennoch vermag Ron Howards neuestes Werk mit einem soliden Drehbuch und superben Darstellern zu gefallen. Wenn die Hollywoodadaption eines Theaterstücks dies von sich behaupten kann, dann sollte man damit zufrieden sein.

Montag, 16. Februar 2009

Reinfall

Die Schlüsselszene des Films: Arnold Bieri (Pan Bucher) wird auf einer Brücke brutal zusammengeschlagen und anschliessend in den See geworfen.

5 Sterne

Peter Girsberger und sein Filmpartner Scherwin Amini haben den Kurzfilm Reinfall abgedreht. Letzten Freitag feierte er in Luzern Premiere - eine geschlossene Veranstaltung - im März wird der Streifen an den Schweizer Jugendfilmtagen in Zürich zu sehen sein. Erfolg ist ihm zu wünschen und schlecht stehen die Siegeschancen nicht.

Dass bei Reinfall nicht zwei Profis am Werk waren, versteht sich. Dennoch holten Peter Girsberger und Scherwin Amini viel aus ihrer sehr einfachen Grundidee heraus. Wer sich den Abspann ansieht, stellt fest, dass das Duo so gut wie alles selber gemacht hat. Ton, Schnitt, Kamera, Drehbuch, Regie - überall scheinen einem die Namen Amini und Girsberger entgegen. Zwar beinhaltet der rund 20-minütige Film einige Aspekte, die man Jungfilmern gerne vorwirft - etwa das Verlangen, möglichst viel in einen nur begrenzten Zeitrahmen zu bringen - aber dennoch wiegt das Erstaunen, dass ein dermassen ehrgeiziges Projekt von zwei Amateuren durchgeführt wurde, schwerer. Zwei Jahre dauerte die Arbeit an diesem Film insgesamt. Alle Akteure waren mit viel Engagement dabei und Peter Girsberger wagte sich sogar einmal mit der Kamera in den nicht besonders warmen Vierwaldstättersee - dass eine starke Erkältung die Folge davon war, dürfte klar sein. Auch die Berichte vom Schneideprozess beeindrucken. Schlaf- und Tageslichtverzicht war an der Tagesordnung. Auf der DVD werden hoffentlich einige mitgefilmte Szenen aus dem Schneideraum zu sehen sein. Merkt man dem Film die Arbeit an? Naja, wann merkt man einem Film jemals die Arbeit an? Dem Zuschauer wird letztlich ja nur das fertige Produkt serviert. Trivia und Hintergrundberichte gibt es meist erst auf der DVD.

Ein Hauptkritikpunkt von Reinfall geht ironischerweise Hand in Hand mit einem grossen Lob. Die Entwicklung der Hauptfigur Arnold ist strikt in drei Teile aufgeteilt, wobei vor allem der dritte Teil stark beschleunigt wirkt. Andererseits muss man vor den Machern des Films den Hut ziehen, da sie sich überhaupt die Mühe machten, eine Charakterentwicklung zu zeigen. Die Entwicklung ist das Hauptthema des Films und wird auch optisch sehr schön angegangen. Die Handkamera irritiert anfangs zwar etwas, erweist sich aber über den ganzen Film hinweg gesehen als passend. Zudem zeugt Reinfall von einem guten Auge hinter der Kamera. Die Szene, in welcher an Marcel Felders Kopf vorbeigefilmt wird, ist eines von vielen Beispielen, wo sich die ganze Kreativität der Kameraleute zeigt. Dass der Film in Schwarz-Weiss gedreht wurde, ist ein weiterer Punkt, der positiv herausgestrichen werden sollte. Lediglich das Blut der Hauptfigur ist rot, was der Brückenszene, dem Höhepunkt des Films, etwas schon beinahe Kunstvolles verleiht.

Getragen wird der Film von Pan Bucher, der Arnold Bieri routiniert und glaubwürdig spielt. Etwas anderes erwartet man von einem Jungschauspieler von Buchers Kaliber eigentlich nicht. Es lohnt sich fast mehr, auf sein musikalisches Engagement hinzuweisen, da er für den Grossteil der Musik in Reinfall verantwortlich ist. Die stets passende Musik wird zwar kein Score-Erfolg werden, passt aber jeweils sehr gut zur entsprechenden Szene. Die weiteren Schauspieler sind im Prinzip Beigemüse. Nina Halpern, die weibliche Hauptdarstellerin, macht ihre Sache solide, allerdings ohne einen aus dem Sitz zu reissen. Sehr gut besetzt wurde die Schlägertruppe. Die Hauptakteure auf der Brücke, Valentin Erni und Dani Korber, wirken vielleicht etwas überzeichnet, aber nichtsdestoweniger sehr bedrohlich. Dass sie Arnold letzten Endes zum Coolsein verhelfen, wirft sie in ein zumindest zwiespältiges Licht. Schlussendlich sollen auch Marcel Felder, dessen Figur ihm auf den Leib geschrieben wurde, Theda Marx, die sich für ihre Rolle als Lehrerin nicht einmal gross verstellen musste, und Daniel Girsberger, der als Postbote einen herrlichen Auftritt hat, Erwähnung finden, denn auch die erwachsenen Schauspieler tragen viel zum Gelingen von Reinfall bei.

Das Drehbuch von Peter Girsberger und Scherwin Amini wurde zwar bereits gestreift, soll hier aber noch einmal etwas ausführlicher beleuchtet werden. Natürlich erzählt Reinfall nicht von einem brandneuen Thema. Jugendgewalt und Mobbing stehen im Moment gerade bei Jungfilmern hoch im Kurs. Doch dieser Film unterscheidet sich von vergleichbaren Projekten in dem Punkt, dass hier die Gewalt lediglich zum Auslöser der Geschichte wird. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen und erfüllt wohl jeden Merkpunkt eines Kurzfilms. Von "Filming by numbers" kann aber dennoch keine Rede sein. Allein schon der Twist am Ende steht für die Originalität des Films.

Wenn man einem Film Erfolg bei den Schweizer Filmtagen wünscht, dann sicherlich Reinfall. Der Film ist in der Kategorie C - Bis 19 aufgenommen worden und wird gemeinsam mit seinen Gegnern im Theater der Künste aufgeführt. Das Erstlingswerk von Peter Girsberger und Scherwin Amini verdient den Platz auf dem Tableau zweifellos. Einige kleinere Mängel könnten bei zukünftigen Produktionen sicherlich behoben werden. Es wäre schade, wenn Reinfall die einzige Zusammenarbeit Amini/Girsberger bliebe.

Sonntag, 8. Februar 2009

The Big Lebowski

"What the fuck?!" Das Gesicht spricht Bände. Der Dude (Jeff Bridges) sitzt an der Bar und gönnt sich eine Pause. Immerhin führt er ein anstrengendes Leben. Bowlen, nichtstun und entführte Millionärsgattinnen retten fordert seinen Preis.

6 Sterne

Kultfilme im negativen Sinne wurden an dieser Stelle ja bereits mit Plan 9 from Outer Space abgehandelt. Sucht man nach Kultfilmen, die sich aufgrund ihrer Genialität grosser Beliebtheit erfreuen, landet man schnell bei The Big Lebowski von Joel und Ethan Coen. Als der Film 1998 erschien, war er ein enormer Flop und Filmfreunde allüberall fragten sich, was nach dem hochgelobten Fargo schiefgelaufen sei. Doch nach und nach bildete sich eine riesige Fangemeinde, die die Sprache und die Sprüche aus dem verqueren Anti-Abenteuer übernahm und so den Film zu einem definierenden Werk der 1990er Jahre machte.

Stellt man The Big Lebowski in einen grösseren Zusammenhang - in die Filmografie der Coens, die bis heute 13 Filme zählt - weiss man zunächst nicht, was daran so besonders speziell ist. Thematisch vereint er fast alle stilistischen Faktoren, die das Werk der beiden Regisseure einzigartig machen. Die Charaktere haben nicht die geringste Ahnung, worum es gerade geht, Geld spielt eine Rolle, eine Entführung findet statt - oder etwa doch nicht? - und finstere Machenschaften sind am Werk - die Pornoindustrie in diesem Fall. Nimmt man den Film aber genau unter die Lupe, erkennt man, dass die Faktoren hier einerseits schamlos bis ins Extreme gesteigert wurden und dass andererseits hier die buchstäbliche Verrücktheit der Coens einen Höhepunkt erreicht hat. Zwar ist das Prinzip der Verdummung bei den beiden schon seit ihrem ersten Film bekannt, doch The Big Lebowski schlägt dem Fass wohl den Boden aus. Auf ernstere Projekte folgten meistens lustige, eher unkonventionelle Streifen, deren Hauptzweck einzig und allein darin zu bestehen schien, die Regisseure zu erheitern. Diese Einstellung gegenüber dem Filmemachen ist wohl auch einer der Gründe, wieso die Coen-Brüder eine derart grosse Gefolgschaft hinter sich wissen. Dies ist auch hinter The Big Lebowski spürbar. Der Film dauert fast zwei Stunden und er läuft ohne grössere Pausen mit einem sehr hohen Tempo. Wenn man ihn sich nur einmal zu Gemüte führt, ist es ein hoffnungsloses Unterfangen, die Geschichte gänzlich nachzuvollziehen. Es wird zwar nicht aus verschiedenen Perspektiven erzählt und keiner der Akteure hat einen mentalen Schaden, was vielleicht die chaotische Story erklären könnte, aber dennoch ist die Geschichte derart vertrackt angelegt, dass man sich beim erstmaligen Visonieren vielleicht etwas dumm vorkommt. Fragen wie "Wer war jetzt der Böse?", "Gab es überhaupt einen Bösen?", "Was hat der Pornoproduzent mit der Sache zu tun?" und "Was hat jetzt das Wiesel im Bad verloren?!" sind nur natürlich. Nach und nach, ein erneuter Blick auf den Film sei jedem empfohlen, klaren die Wolken auf und man erkennt, dass sich The Big Lebowski, grob gesagt, um nichts dreht. Aber dieses Nichts wird mit einer Genialität präsentiert, dass einem der Atem stocken kann. Das Drehbuch der Gebrüder Coen schafft es, den Zuschauer in ein surreales, von schrägen Typen bevölkertes Los Angeles zu entführen, in dem es ausser Reichen und Schönen, der Pornoindustrie, einer Bowlingbahn und ein paar Nihilisten nichts zu geben scheint. Auch die Einführung zahlloser Nebenfiguren - die Rolle des Detektivs dürfte noch lange ein Rätsel bleiben - macht The Big Lebowski zu dem, was er ist: Ein undurchsichtiges, durchgeknalltes Ideenfeuerwerk, welches seine Wirkung nicht verfehlt. Und wer sich sagt, die von Quentin Tarantino konzipierten Dialoge seien meisterhaft, dem sollte einmal The Big Lebowski vorgelegt werden. Das Skript ist ein Beispiel meisterhafter schriftlicher Balance. Hauptdarsteller Jeff Bridges erinnert sich einem Interview, dass es bei den Coens unmöglich sei, ein "Fuck!" dazuzudichten, ohne den Satz unausgewogen klingen zu lassen. Zudem gibt es auch so schon mehr als genug Fucks zu bejubeln. Doch nicht nur die perfekte Wortsetzung des Drehbuchs begeistert. Sprüche wie "Over the line!!!", "Shut the fuck up, Donny!" oder "This is what happens when you fuck a stranger in the ass!" sind längst in die Alltagssprache gewisser Leute eingegangen, wurden allerdings nach dem Erscheinen des Films vornehmlich in Universitäten gehört. Denn bevor der Film zum allgemeinen Kulturgut wurde, geisterte er in den USA durch die Colleges und fand dort gehörigen Anklang. Jüngere Komiker wie beispielsweise Seth Rogen oder Jonah Hill erinnern sich, dass dieser Film ihr Leben auf irgendeine Weise verändert hat und dass sie ihm dafür dankbar seien. Wenn ein solcher Film nicht Kult ist, dann ist nichts Kult.

Die Schauspieler, die in The Big Lebowski agieren, sind ebenfalls eine Sache für sich. Jeff Bridges als Jeffrey Lebowski, besser bekannt als Dude, lebt den Alt-Hippie in jedem Fluchwort und in jedem Joint, den er sich reinzieht. Er betont oft, dass im Dude viel von ihm selber steckt, was ihm die Darstellung einfacher machte. Seine Schauspielpartner wurden wurden ebenso gelungen gecastet. Für den cholerischen Vietnamveteranen und Möchtegern-Juden Walter Sobchak könnte man sich keinen besseren als John Goodman vorstellen, die Rolle des schüchternen Donny scheint Steve Buscemi auf den Leib geschrieben worden zu sein, Sam Elliott macht sich hervorragend als Erzähler und niemand wäre für den schleimigen Diener Brandt besser geeignet als Philip Seymour Hoffman. Die weiteren, weitaus kleineren Rollen vermögen ebenfalls zu überzeugen, besonders David Huddleston als Titelfigur und Namensvetter des Dudes und Julianne Moore als feministische Künstlerin. Die beste unwichtige Figur des Films ist aber sicherlich John Turturro als schwuler Kinderschänder und Bowler Jesus Quintana. Sein Spruch "Nobody fucks with the Jesus!" ist legendär und sein dreiminütiger Auftritt - vor allem der erste Teil - gehört zum besten, was sich im reichen Fundus an absurden Szenen bei den Coens finden lässt. Und wer sehr gute Augen hat, dürfte unter den deutschen Nihilisten sogar noch Flea von den Red Hot Chili Peppers und in Juliannes Moores Atelier David Thewlis erkennen.
Was wäre The Big Lebowski ohne seine Musik? Würden die Träume des Dudes ohne Bob Dylans "The Man in Me" (auch im Vorspann) oder Mickey Newburys "Just Dropped In (To See What Condition My Condition Was In)" in der Version von Kenny Rogers dieselbe Wirkung haben wie mit? Wohl eher weniger. Der Soundtrack wurde von T-Bone Burnett hervorragend ausgewählt und grandios eingesetzt. Kein Song erscheint überflüssig oder gesucht. Die Kameraführung, die sich meist mit der Musik verbindet, verdient ebenfalls eine Erwähnung, zumal es sich beim Kameramann um Roger Deakins handelt.

Eine zentrale Frage wurde bisher noch nicht beantwortet. Was ist The Big Lebowski? Eine Komödie, ein Thriller, ein Krimi, eine Satire oder eine Groteske? Und wie so oft muss die Antwort "Von allem etwas" heissen. Es gibt durchaus Zeitgenossen, die dem Film vorwerfen, er wäre weder Fisch noch Vogel. Doch ist es nicht genau das, was ihn so ungalublich einzigartig macht? Wäre er ohne seine Sprunghaftigkeit, seinen mannigfaltigen Humor und sein gemeines Ende nicht halb so genial? Wieder einmal lautet die Antwort "Jeder für sich selbst", denn The Big Lebowski ist in erster Linie Geschmackssache. Anders kann es gar nicht sein.

Die Meinung dieses Kritikers ist klar: The Big Lebowski gehört zu den besten Filmen aller Zeiten. Der Humor, die Figuren und die einzigartige Geschichte machen den Streifen zu einem einzigen Genuss und geben einem ein seltsam angenehmes Gefühl der Sinnlosigkeit. Wir sehen dem Dude und seinen Freunden zu, wie sie etwas anpacken, was eine Nummer zu gross für sie ist, sie merken es, machen aber trotzdem weiter, sie erleiden Verluste, doch ihre Stimmung wird im Grunde genommen nie getrübt. Es endet sowieso alles wieder auf der Bowlingbahn. Dass viele Menschen sich zu dieser Lebenseinstellung hingezogen fühlen, lässt sich problemlos nachvollziehen.

Freitag, 6. Februar 2009

DodgeBall: A True Underdog Story

Zwei ungleiche Gegner: Der Macho White Goodman (Ben Stiller, links) führt Peter LaFleur (Vince Vaughn) durch sein Fitnessstudio. Noch fliegen keine Bälle...

5 Sterne

Seit einigen Jahren überfluten niedere - auf Deutsch gesagt: blöde - Komödien die Kinos. Man hat das Gefühl, die in Idiocracy gezeigte Vision eines Films namens Ass, in dem zwei Stunden lang ein menschliches Hinterteil auf der Leinwand zu sehen ist, sei nicht mehr weit. Und mitten in dieser Einöde von schlechten Nachahmungen von aktuellen Streifen, Rom-Coms und Slapstick-Katastrophen erhebt sich Dodgeball: A True Underdog Story. Der Film ist, ganz einfach gesagt, doof. Und dennoch wird man hervorragend unterhalten. Gefällt einem ein derartiger Film, muss man sich aber nicht schämen. Man soll sich freuen, dass man auf seinem Gesicht noch lange ein breites Grinsen trägt.

Das Lustige ist, dass Dodgeball im kollektiven Gedächtnis der Leute, die ihn nicht gesehen haben, automatisch als Schrott abgestempelt wird. Dabei waren die Kritiken, als der Film erschien, nicht einmal so besonders vernichtend. Überall war das Vergnügen an Dodgeball zu spüren, doch niemand, ausser vielleicht Peter Travers, der dem Film das Sternemaximum verlieh und ihn augenzwinkernd als "Meisterwerk des modernen Kinos" bezeichnete, wollte so richtig zugeben, dass man überraschend gut unterhalten wird. Zugegeben, besonders in den ersten zwanzig Minuten des Films ist die Dichte von bereits x-fach zuvor verwendeten Scherzen verhältnismässig hoch. Aber allein schon die Idee, einen Film über simples Völkerball zu machen, verdient grosse Anerkennung. Das Drehbuch von Regisseur Rawson Marshall Thurber ist auf konstant tiefem Niveau, was aber auch den verstocktesten Kinofan nicht stören sollte. Besonders wenn es auf dem Spielfeld zur Sache geht, wird die Zwerchfellmuskulatur arg strapaziert. Und auch wenn derartige visuelle Gags im Grunde völlig überholt sind, lacht man auch noch beim zehnten Kopf- oder Unterleibstreffer herzlich mit. Doch obwohl diese Witze einen Grossteil des Films ausmachen, gibt es immer wieder spitzzüngige, an die Simpsons erinnernde Sprüche im Stile von "It's time to separate the wheat from the chaff, the men from the boys, the awkwardly feminine from the possibly Canadian." zu bejubeln. Ausserdem verbergen sich in Dodgeball etliche kleinere Anspielungen, winzige Witzchen und herrliche Details, die erst nach mehrmaligem Ansehen erkannt werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Story bis ins Groteske gesteigert wird und - wie bereits im Titel erkennbar - auch Filme über siegreiche Underdogs gehörig auf die Schippe nimmt. Auch die von Thurber ausgearbeiteten Figuren sind allesamt wunderbar schräg. Vor allem Ben Stiller als Fitness-Guru und Bösewicht White Goodman und Rip Torn als alt Dodgeball-Star Patches O'Houlihan - schon der Name klingt wie sein Charakter, nämlich beinhart - könnten klischierter, aber wundersamerweise auch erfrischender nicht sein. Das Protagonisten-Duo Vince Vaughn und Christine Taylor ist zwar nicht minder klischeehaft, fällt aber im Vergleich mit den beiden vorhergenannten Personen etwas ab. Dennoch überzeugen beide in ihren Rollen. Aber der schauspielerische Reiz von Dodgeball liegt trotzdem in den Nebenrollen. So begeistern Alan Tudyk, dessen Name vielleicht dem einen oder anderen dank Death at a Funeral geläufig ist, als Pirat, Hank Azaria als junger Patches O'Houlihan, der in einem billigen Lehrfilm aus den 50er Jahren mitwirkt und das Prinzip von Dodgeball erklärt ("Dodgeball is a sport of violence, exclusion, and degradation.") und David Hasselhoff als deutscher Coach - also alles ziemlich sinnlose Rollen. Ähnlich wie bei Ben Stillers satirischer Komödie Zoolander ist auch hier die Liste der Gaststars lang. David Hasselhoff wurde erwähnt, doch wer genau hinschaut, erkennt auch Gary Cole, Jason Bateman als ausgemachte Dumpfbacke und William Shatner als Vorsitzender des ADAA (American Dodgeball Association of America). Ganz zu schweigen von Lance Armstrong und Chuck Norris, die beide entscheidende Einflüsse auf die Geschichte haben. Jedem der Akteure ist die Freude am Mitmachen anzusehen und diese Freude überträgt sich leicht auf den Zuschauer. Nicht enden wollende Nonsens-Diskussionen zwischen Vince Vaughn und Ben Stiller, verrückte Dodgeball-Regeln, rezitiert von der Brillenschlange Gordon (Stephen Root, den man aus No Country For Old Men kennen könnte) oder Witze, deren Pointe erst später richtig zuschlägt, kommen immer wieder vor und es darf immer wieder herzlich darüber gelacht werden. Dodgeball mag auf den ersten Blick etwas repetitiv erscheinen, doch wenn man mit der richtigen Einstellung an ihn herangeht, dann stört einen auch das nicht. Wo liegt das Problem, wenn sich etwas wiederholt, was auch beim zehnten Mal noch lustig ist? Selbstverständlich wird einem klar, auf welch niedrigen Humor das menschliche Hirn reagiert. Dass den einen oder anderen Filmgourmet bei dieser Erkenntnis ein Schock heimsucht, lässt sich problemlos verkraften Besonders wenn man bedenkt, dass einige Szenen zu exorbitanten Lachanfällen führen können, von denen man sich ein Weilchen nicht mehr erholt.

Um Dodgeball lustig zu finden, braucht man nicht einmal angetrunken zu sein. Der Spass kommt von alleine. Der Film ist ideal, um sich nach einem miesen Tag wieder etwas aufzumuntern. Und das macht ihn wohl zu einer der besten anspruchslosen Komödien, die je gedreht wurden. Seien wir ehrlich: Wir lieben es, wenn einer Figur ein Schraubenschlüssel an den Kopf geknallt wird. Wir werfen uns vor Lachen weg, wenn ein halbnackter Japaner von einem Dodgeball-Stakkato niedergestreckt wird. Und wir können kaum an uns halten, wenn Ben Stiller versucht, Christine Taylor, im echten Leben seine Frau, anzubaggern und daraufhin blutig geschlagen wird. Dodgeball ist hervorragend kalkulierter primitiver Humor, der immer und überall bestens funktioniert.

Mittwoch, 4. Februar 2009

The Simpsons Movie

Sieht so Vaterliebe aus? Zunächst gefallen Bart derartige Stunts noch, doch spätestens nach Homers Fehler,
der Springfield die Freiheit kostet, sieht er in ihm einfach kein Vorbild mehr.

5.5 Sterne

Verfilmungen von Kultserien gelten gemeinhin ja als besonders heikel. Dem Druck, Fans sowie Neulinge gleichermassen zu überzeugen, sind viele Studios nicht gewachsen. Deshalb wollte die Simpsons-Fangemeinschaft dem Projekt The Simpsons Movie nicht so recht vertrauen, zumal Matt Groening in einem länger zurückliegenden Interview die Frage nach einem Film mit der Bemerkung, ein solcher würde nach der Einstellung der Serie in Betracht gezogen werden, beantwortete. Rund ein Jahr vor der Weltpremiere erschien ein erster Teaser. Dieser hatte zwar Erfolg, konnte die Fans aber immer noch nicht milde stimmen. Auch heute sind sich die Anhänger der Serie uneins, was sie vom Film halten sollen.

Wie viele missglückte Serienverfilmungen haben wir schon über uns ergehen lassen müssen? Egal ob TV-, Buch- oder Gamereihe, schwarze Schafe finden sich überall. Und auch wenn die Filme an sich nicht schlecht sind, dann fehlt ihnen meist etwas Essentielles. So scheiterte The SpongeBob SquarePants Movie beispielsweise daran, dass Spongebob & Co. ihren ganzen Charme nur im 25-Minuten-Format richtig ausspielen können. Dass diese Angst bei The Simpsons Movie sehr verbreitet war, lässt sich also nur allzu gut nachvollziehen. Doch die Simpsons wären nicht die Simpsons, wenn sie die ewigen Skeptiker nicht Lügen strafen würden. Spätestens nach Homers Tirade gegen die Kinozuschauer zu Beginn des Films sind die Begeisterungsfähigen im Publikum angesprochen und ein 90 Minuten anhaltendes Grinsen ist gewährleistet.

Die ganze Geschichte um die Umweltverschmutzung in Springfield ist genial angelegt. Im ersten Teil des Films dreht sich alles mehr oder weniger umd die kleinen und grösseren Probleme der verschiedenen Simpsons. Da diese auf raffinierte Weise miteinander verwoben werden, kommt ein Gefühl der Inkohärenz nie auf. Das Drehbuch, geschrieben von nicht weniger als elf Autoren, zu denen übrigens auch die Kultschreiber Ian Maxtone-Graham und John Swartzwelder - der Mysteriöse - gehören, macht story- und humormässig sehr viel her. Besonders die erste Viertelstunde des Films wurde meisterhaft konzipiert und ist wohl in der mittlerweile 20 Jahre währenden Seriengeschichte einer der Höhepunkte. Der angepasste Vorspann, das Konzert von Green Day und die Kirchenszene mit seinen genialen Sprüchen - "The Good Lord ist telling me to confess something!" - "Gay, gay, gay, gay, gay, gay..." oder Homers "Erkenntnis", als er durch die Bibel blättert ("This book doesn't have any answers!") sollen hier Erwähnung finden - haben allesamt Kultstatus. Der Streifen schafft es, über seine ganze Länge das Niveau einer sehr guten regulären Episode zu halten. Zwar kommt er nicht ganz an Klassiker wie Last Exit to Springfield oder Deep Space Homer heran, überzeugt aber durchwegs mit eingängigen Sprüchen, haufenweise Anspielungen und bösen Seitenhieben. Auch die obligate Liebesgeschichte hemmt den Spass keineswegs. Ihr ist es zu verdanken, dass der ganze Alaska-Teil des Films einen besonderen Sinn ergibt. Überdies ist es den Autoren hervorragend gelungen, fast jede Figur aus der Serie zu zeigen. Fast. Ein Auftritt von Sideshow Bob hätte dem Filmverlauf sicherlich nicht geschadet.

Was bei den Simpsons fast nie zu bemängeln ist - so auch hier nicht - sind die omnipräsenten stimmlichen Topleistungen. Dan Castellaneta, Hank Azaria und Harry Shearer, die einerseits durch ihre Stimmenvielfalt und andererseits durch ihr meisterhaftes Voice Acting bestechen, haben sich auch für The Simpsons Movie mächtig ins Zeug gelegt. Auch an den anderen, wohlbekannten Stimmen gibt es nichts zu mäkeln. Und wie es sich für die Simpsons gehört, stört einen auch der im Prinzip sinnlose Auftritt von Tom Hanks nicht - eher im Gegenteil.

Untermalt wird das actionreiche und angenehm überkandidelte Abenteuer von einem routinierten Score von Hans Zimmer. Für das musikalische Highlight sorgt aber keine von Zimmers Kompositionen: Der Spiderpig-Song in seinen verschiedenen Variationen war bereits vor dem Erscheinen des Films Kult und lädt in einigen Szenen zum fröhlichen Mitsingen ein.

Für Anhänger der Serie bietet The Simpsons Movie eigentlich alles, was das Herz begehrt. Dass einigen Leuten der Film nicht gefällt, weil er nicht "Simpsons-lustig" ist, ist eine sehr seltsame Argumentation. The Simpsons Movie sollte diejenigen befriedigen, die mit den neueren Staffeln wenig anfangen können, ebenso wie die unverbesserlichen Liebhaber der Serie. Wer kann schon Präsident Schwarzenegger widerstehen? Dieser Kritiker jedenfalls nicht.

Dienstag, 3. Februar 2009

Plan 9 from Outer Space

Die Aliens kommen! Und sie haben Cadillac-Radkappen als Ufo-Material missbraucht! Ein typischer
Spezeialeffekt aus Plan 9 from Outer Space.

Keine Wertung

Dass auf der Rückseite der DVD schon steht, wie schlecht ein Film ist, ist sicherlich bemerkenswert. Dies ist aber nur bei absoluten Kultfilmen der Fall und zu denen darf man Ed Woods - ganzer Name: Edward D. Wood Jr. - Katastrophe von Film Plan 9 from Outer Space zweifelsohne dazuzählen. Es exisitiert eine riesige Fangemeinde um den Film und seinen Regisseur, die Liste der Fehler ist unglaublich lang und die desaströsen und ernst gemeinten Dialoge können dem ernstesten Zeitgenossen ein Grinsen entlocken. Ein perfekter Trashfilm? Nicht wirklich, aber ein Blick lohnt sich bestimmt.

Natürlich ist Plan 9 from Outer Space Quatsch hoch drei. Die Schauspieler sind schlecht - dazu später - das Drehbuch ist schlecht - auch dazu später - und der Film macht ganz allgemein den Anschein, als ob der Cutter - ironischerweise Ed Wood selbst - bei seiner Arbeit gerade ein Schläfchen hielt. Hie und da sind nämlich seltsame, nicht zur Szene passende Töne zu hören, die wohl von Bewegungen aus dem Off herrühren. Ed Woods "Shoot and print"-Mentalität hat hier sicherlich dazu beigetragen. Man kann es kurz machen und sagen, dass der Film in jedem Punkt, der für eine Filmbewertung relevant ist, versagt. Doch ist Plan 9 from Outer Space wirklich der schlechteste Film aller Zeiten? Diesen Titel erhielt er nämlich 1980 von den Brüdern Michael und Harry Medved, die eine ganze Liste schlechter Filme in ihrem Buch veröffentlichten. Das Prädikat "Worst movie ever made" erscheint für Ed Woods Film dann doch etwas übertrieben. Es gibt Horror- und Sci-Fi-Filme aus den 50er Jahren, bei denen schon der Titel schlimmer ist. Zombies of the Stratosphere oder Teenagers from Outer Space fallen einem spontan ein. Und als Kritiker kann man leicht sagen, dass man schon schlimmere Machwerke gesehen hat. Auch die posthume "Ehre" für Ed Wood, der schlechteste Regisseur aller Zeiten zu sein, ist hart. Wood war ein einfacher Filmfan, der dachte, er habe das Talent, Filme zu drehen. Gut, zugegeben, er hielt sich für einen zweiten Orson Welles, was zeigt, dass er in Sachen Arroganz einem Uwe Boll in nichts nachsteht. Diese Gedanken sind allerdings relativ. Das Problem bei der Betrachtung von Filmen wie Plan 9 from Outer Space ist der zeitliche Abstand. Heute wird über derartige Streifen gelacht und man kann sich mit ihnen wenigstens einen schönen Abend machen, ganz im Stile vom Mystery Science Theater 3000. Da fällt eine möglichst objektive Bewertung natürlich schwer. Es soll nur jedem in Erinnerung gerufen werden, dass man die schlechten Filme gesehen haben muss, um die guten Filme genug zu würdigen. Und wenn man Plan 9 from Outer Space nicht gesehen hat, dann ist man filmgeschichtlich ein Banause. Ob es sich mit Meet the Spartans oder The Love Guru in 50 Jahren gleich verhalten wird, darf bezweifelt werden.

Beginnen wir einmal mit den Schauspielern. Die sind sehr schnell abgehandelt. Der ganze Cast spielt nämlich von vorne bis hinten grottenschlecht. Bei Bride of the Monster war wenigstens noch etwas von Bela Lugosi zu sehen, aber da dieser kurz nach dem Anfang der Dreharbeiten zu Plan 9 from Outer Space verstarb, mussten seine Szenen von einem lächerlichen Double übernommen werden. Dass diesem Double sogar einmal das Cape herunterfällt, verspricht viel Heiterkeit. Ebenso die Hauptdarsteller: Gregory Walcott gibt mit Jeff Trent einen Bilderbuch-Ami und seine Partnerin Mona McKinnon ist das typische schreiende Dummchen, wie wir sie schon oft in Filmen aus den 50ern gesehen haben. Natürlich versprechen diese unterirdischen Leistungen viel Spass, doch mit der Zeit ermüdet auch Walcotts Machogehabe. Durchgehend herrlich sind Tor Johnson, Vampira, Criswell - ein Wahrsager, der mit einer haarsträubenden Einleitung glänzt - und John Breckinridge, der in Tim Burtons Film Ed Wood sehr treffend von Bill Murray verkörpert wurde. Hätte es 1959 schon Razzies gegeben, dann wären wohl sämtliche Darsteller dieses Streifens abgestraft worden.

Das Drehbuch ist eine Sache für sich. Es ist inkohärent, es hat Plotlöcher bis zum Gehtnichtmehr, es schafft keinen einheitlichen Erzählrhythmus, das Ende ist ethisch-moralisch zweifelhaft und die Dialoge sind schon fast legendär. Hochstimmung ist garantiert, wenn die Ausserirdischen zu philosophischen Diskursen anheben oder ein Polizist mit der Erkenntnis "But one thing's sure. Inspector Clay is dead, murdered, and somebody's responsible." auftrumpft. Leider wurden dem Autoren Ed Wood diese Dinge wohl selbst etwas zu blöd, sodass er nach etwa einer Stunde Film nur noch auf sinnloses Gebrabbel der Protagonisten setzt. Klar, die Mono- und Dialoge sind als Ganzes völlig bescheuert, aber man vermisst die genial anmutenden Einzeiler doch etwas. Aber nicht genug damit, dass das Skript ein Hohn auf den menschlichen Filmverstand ist! Die Umsetzung davon ist noch eine Ecke grauenhafter. Dies fängt bei den Requisiten an, die gerne einmal umfallen, und hört bei den zufälligen Tag- und Nachtwechseln auf. Auch die Special Effects könnten primitiver nicht sein. Radkappen als Ufos und Videomaterial aus dem Koreakrieg halten als Spannungserzeuger hin. Allerdings muss Ed Wood zugute gehalten werden, dass er aus den bescheidenen finanziellen Mitteln Erstaunliches herausgeholt hat. Zumindest sein Einfallsreichtum sollte an dieser Stelle gelobt werden.

Plan 9 from Outer Space kann man gut finden, muss man aber nicht. Selbstverstöndlich verspricht der Film heitere 80 Minuten, doch auch ein Drehbuchflop stösst an seine Grenzen. Deshalb wird hier dringendst empfohlen, sich den Film in Gesellschaft anzusehen und über jeden Fehler zu lästern und/oder zu lachen. Übrigens kommt am 9. September 2009 in den USA das Remake Plan 9 unter der Regie von John Johnson in die Kinos. Da verspricht uns die Zukunft einiges. Oder wie sagte Criswell? "We are all interested in the future, for that is where you and I are going to spend the rest of our lives."

Montag, 2. Februar 2009

The Curious Case of Benjamin Button

Eine ungewöhnliche Liebe: Benjamin Button (Brad Pitt) und Daisy (Cate Blanchett) altern aufeinander zu und
erleben während ihres Lebens sämtliche Höhen und Tiefen.

5.5 Sterne

Es war Hollywood schon lange ein Anliegen, F. Scott Fitzgeralds Kurzgeschichte The Curious Case of Benjamin Button zu verfilmen. Doch etliche Regisseure und Produzenten schreckten immer wieder vor dem Stoff zurück, da sie nicht wussten, wie das kleine, schnell gelesene Büchlein auf Zelluloid gebannt werden könnte. Verschiedene Probleme stellten sich: Mehrere Darsteller würden die Glaubwürdigkeit mindern, wie würde man den trockenen Erzählstil hinbekommen und welcher Filmschaffende würden dieses Risiko überhaupt eingehen? Dank der Tricktechnik des 21. Jahrhunderts wurde das Problem der Glaubwürdigkeit gelöst und mit David Fincher als Regisseur wurde ein visuelles Genie engagiert.

Wie oft wurde The Curious Case of Benjamin Button vorgeworfen, er sei zu kitschig? Kaum je, obwohl die filmische Umsetzung der satirischen Novelle von Fitzgerald wohl die romantischste Grossproduktion aus Hollywood seit Titanic ist. Es lässt sich allerdings darüber streiten, ob Titanic wirklich dermassen romantisch ist. Ist es nicht so, dass der sogenannte "Human Interest" im Oscar-Abräumer von 1998 hauptsächlich aus Kitsch besteht? Viele Leute, der Schreibende inklusive, werden die Frage mit Ja beantworten. Was also macht den Unterschied zwischen Titanic und The Curious Case of Benjamin Button aus? Man könnte sagen, dass es an den Personen, die den Regisseur ausgewählt haben, liegt. Zwar ist auch James Cameron keine Liebesfilm-Koryphäe, aber das Aufgebot von David Fincher überrascht noch viel mehr. Was hat die Produzenten veranlasst, für die grösste Romanze der letzten Jahre, den so ziemlich unromantischsten Regisseur Hollywoods zu nehmen? Warum den Zyniker und Pessimisten David Fincher, der mit Filmen wie Fight Club oder Se7en düstere Meilensteine der Filmgeschichte geschaffen hat? Nun, die Produzenten werden erkannt haben, dass das Skript von Eric Roth und Robin Swicord stellenweise gefährlich nahe an kitschige Fahrwasser à la Forrest Gump, ebenfalls nach einem Drehbuch von Eric Roth, herankommt. Kurz gesagt: Fincher war nötig, damit The Curious Case of Benjamin Button rührend, aber nicht rührselig wird. Und dafür verdiente er eigentlich den Regieoscar. Doch ob dies Wirklichkeit werden wird, steht in den Sternen. Der Film hat zwar die meisten Oscarnominationen vorzuweisen - 13 an der Zahl - wird aber schon jetzt als grösster Verlierer gehandelt, da sich angeblich in fast jeder Kategorie ein besserer Kandidat befindet. Kann schon sein, dennoch muss festgehalten werden, dass The Curious Case of Benjamin Button ein begeisterndes Stück Film ist, welches zu keinem Zeitpunkt enttäuscht. Dies fängt bei der wunderschönen Ausstattung an (Oscar her!) und hört bei der stimmigen und epischen Kameraführung von Claudio Miranda, dem schlicht und ergreifend brillanten Score von Alexandre Desplat und dem Schauspiel auf. Brad Pitt verkörpert die Titelrolle zurückhaltend und gekonnt. Dies gibt seiner Schauspielpartnerin Cate Blanchett, deren Performance für eine Oscarnomination geeigneter gewesen wäre als diejenige von Taraji P. Henson, genug Freiraum, ihre Figur darzustellen. The Curious Case of Benjamin Button ist zwar nicht Schauspielkino per Definition, hat aber trotzdem keine grossen schauspielerischen Schwächen. Bei Taraji P. Henson könnte man sich zwar fragen, ob sie sich wie Brad Pitt etwas zurückhalten könnte, doch stören tut sie letzten Endes auch nicht. Eine spezielle Erwähnung verdienen überdies die Nebendarsteller Elle Fanning, die einmal mehr zeigt, dass sie talentierter als ihre Schwester Dakota ist, Jason Flemyng, Mahershalalhashbaz Ali, Tilda Swinton, Rampai Mohadi und Jared Harris, welche alle ihren Teil dazu beitragen, dass The Curious Case of Benjamin Button so begeistert.

Wer denkt, dass der Stoff des Films David Fincher keinen Platz für eigene Kniffe liess, der irrt. Immer mal wieder bricht ein Markenzeichen von David Fincher durch - etwa die kindliche Freude an der Absurdität, dargestellt durch den Mann, der in seinem Leben schon siebenmal vom Blitz getroffen wurde, oder sein Hang zum Detail, ersichtlich, als sehr lange beschrieben wird, wie es zum Unfall von Daisy (Cate Blanchett) kam. Natürlich trägt zu derartigen Dingen auch das Drehbuch bei. Eric Roth schrieb es nach dem gleichen Leitfaden wie dasjenige von Forrest Gump, was nicht jeden Zuschauer begeistern wird. Dass es an David Fincher liegt, dass in The Curious Case of Benjamin Button kein Platz für Kitsch ist, darf als sicher angesehen werden. Dennoch hat Eric Roth beim Skript ganze Arbeit geleistet, wohl auch durch die Hilfe von Robin Swicord, mit dem er die Geschichte entwickelte. Das Duo hat es fabelhaft geschafft, der Geschichte einen gewissen satirischen Ton zu lassen, sie aber mehr auf die Liebe auszurichten. Einzig die sporadisch auftretende Rahmenhandlung erweist sich hie und da als spannungshemmend. Doch das Drehbuch sollte man allein schon für die vielen kleinen Details lieben. Die Anekdoten über Mr. Gateau und Captain Mikes Vater oder der Role Call gegen Ende des Films muten mehr als nur sympathisch an - sie geben dem Film die nötige Substanz.

Dass der Film fast drei Stunden lang die Aussage "Auch jung aussehen macht nicht glücklicher!" darstellt - nein, nicht predigt - ist kein Störfaktor. Im Gegenteil, The Curious Case of Benjamin Button ist ein Film, der einerseits zu Tränen rührt, und in den man andereseits richtiggehend eintauchen kann, um am Ende das Gefühl zu haben, selten so dermassen schöne drei Stunden verbracht zu haben. Dass der Film in der Schweiz nur mit Pausen läuft, ist schade.

David Fincher zeigt dem Kinopublikum einmal mehr ein Meisterwerk erster Güte. Er versuchte sich mit The Curious Case of Benjamin Button zwar auf einem ihm bisher nicht allzu vertrauten Gebiet, meistert die Herausforderung aber virtuos. Der Film wird allem Anschein nach kein Abräumer bei den Oscars sein, aber die eine oder andere Goldstatuette würde man ihm doch gönnen. Das Filmjahr 2009 ist noch jung, aber mit Filmen wie diesem, Slumdog Millionaire oder Gran Torino lässt sich zuversichtlich in die Zukunft schauen. Ob man dabei altert oder jünger wird, spielt keine Rolle.